Am 26.04.2021 um 19:30 schrieb Joseph Hipp via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kannst du besser rechnen als ich. Nur
kannst du auch mit Wörtern umgehen wie diejenigen vorhin? Ich kann es auch nicht, keine
Sorge. Hier sage ich wie ein Kind: Da sind zu viele schwere Wörter dabei. Es fiel mir ein,
mal zu Wikipedia zu gehen, denn immer wenn dort eine "Kategorie" auffindbar ist,
kann viel Verschiedenes zu den Wörtern gedacht werden. Aber auch zu anderen:
Hi JH,
rechnen mit Zahlen, schreiben mit Wörtern. Handelt es sich beim Spielen mit ihnen um
Konkurrenz- oder Kooperationsspiele? Jedenfalls sind Zahlen und Wörter stets in einem
Kontext zu sehen und Spiele folgen Regeln. Die Wörter in den zitierten Sätzen Havemanns
hatte ich ja als Antwort auf Deine Frage nach "Kausalitaet, das Vorher, das Nachher
und das Dazwischen“ geschrieben, da Du einmal geäußert hattest, die Schrödingergleichung
zu kennen, Dich aber nicht für Mathematik zu interessieren, vermutete ich, Du seist ebenso
wie Havemann Chemiker und würdest seine legendäre Vorlesungsreihe kennen, die er im
Wintersemester 1963/1964 an der Humboldt-Universität gehalten hatte zum Thema:
"Naturwissenschaftliche Aspekte philosophischer Probleme“.
Havemanns Ausgangsfrage lautete: "Hat Philosophie den modernen Naturwissenschaften
bei der Lösung ihrer Probleme geholfen?“ Seine Antwort fiel negativ aus, denn „nur von der
empirischen Wissenschaft her kann man zu der Dialektik kommen, die in den Dingen selbst
steckt und die in der Theorie widergespiegelt werden kann. Aber mit einem dialektischen
Hilfskompendium kann man nicht an die Lösung wissenschaftlicher Fragen herangehen.“ Damit
widersprach er natürlich der DDR-Staatsdoktrin und wurde erst mit Berufsverbot, später mit
Arrest bestraft. Von den Faschisten war er sogar zum Tode verurteilt worden, überlebte
aber durch List und Glück. Mathematische List und zufälliges Glück bestimmten auch die
Entdeckung der Quantenalgebra durch Heisenberg auf Helgoland 1925 und die Quantenmechanik
selbst. Der alles mitbestimmende Zufallsaspekt ist es, auf den ich hinsichtlich Deiner
Frage nach Kausalität verweisen wollte und darauf, dass sich Havemanns Zitate mit den
"schweren Wörtern“ auf die Quantenmechanik bezogen und insofern eine mathematisch
präzise Bedeutung hätten, gleichsam nicht schwer mataphysisch, sondern leicht mathematisch
zu verstehen wären.
Hinsichtlich der Ideologiekritik finde ich es bemerkenswert, dass ähnlich wie der
Dialektiker Havemann in der DDR auch der (bei Einstein arbeitende) Materialist Bohm im
Jahrzehnt davor in den USA mit Berufsverbot belegt worden war, so dass er auf eine
Professur erst in Brasilien, dann in UK ausweichen musste.
Ich mache keine Kritik an einem System, wenn irgend
jemand schreibt: "Das System ist speziell, es ist eine Ideologie." Systemkritik
erlaube ich mir, unvoreingenommen, von außen, von innen, statt Kritik sage ich lieber
"Beschäftigung, Prüfung", und andere Wörter dazu. Von einer vorherigen
Zuschreibung, Abwertung, oder Aufwertung kann ich nicht ausgehen. Die Folgen eines Systems
(speziell von Wörtern, Sätzen, Texten) beschäftigen mich übrigens auch. Denn sie können
andere Probleme verursachen. Nur als Beispiel: Das Böse, das das Gute bewirkt. Oder: Die
gute Technik, die den Konsum befeuert. Schon einfache Mathematik ... Nur so dahin gesagt.
Immanuel Kant machte es sich leicht, jeden für die Folgen seines Tuns verantwortlich zu
machen, ohne zu sagen, wie weit voraus, für wie viele Glieder in der Ursachekette der
"Täter" nach seinem Tun verantwortlich ist. Und wenn alle das sagen, und Kant
zitieren, ist die Lösung dann näher? Rückwärts ist es analog denkbar.
Auch für die Existentialisten wog die Last der unabsehbaren Folgen unserer Entscheidungen
für die Menschen schwer. Aber wie schwer? Das sagten sie nicht. Dabei wäre eine erste
Näherung doch, ihre Schwere einfach durch die Zahl der Menschen auf der Erde zu teilen.
Damit verringerte sie sich bloß noch auf rund 0,13 Milliardstel. Mathematisch wären
beliebige weitere, orts-, zeit-, beziehungs- und wahrscheinlichkeitsgewichtete
Verfeinerungen möglich.
Gerade dich müsste der Satz: "Gott spielt nicht
Würfel." vermutlich verwirren. Und doch: Schon bei sehr einfachen Sachen sind wir
Zauberlehrlinge, dies bezog ich auf mich, die letzten Tage, ich weiß schon nicht mehr zu
welcher Sache.
Mit dem Ausspruch „Gott würfelt nicht“ soll Einstein ja Bohr verwirrt haben; denn beide
waren schließlich Atheisten. Insofern konnte es Einstein nur selbstironisch-humoristisch
gemeint haben; denn für Einstein gehörte die QM bloß zur statistischen Physik und war
nichts, was als "Moderne Physik“ von der Klassik abgegrenzt werden müsste. Sich über
die Kopenhagener Deutung lustig zu machen, indem man sie mit Religion in Verbindung
bringt, erheitert mich als Freidenker eher als dass es mich verwirrt.
IT