Am 26.02.2021 um 17:45 schrieb "Dr. Dr. Thomas Fröhlich":
Sie zwingen zum gründlichen Nachdenken - gerade
dadurch, dass sie
nicht zustimmend, sondern kritisch sind (das schlimmste, was passieren
kann ist, wenn jemand „interessant“ sagt: dann ist klar, dass er es
bereits innerlich ad acta gelegt hat…).
Ich hatte eines vergessen mitzubedenken: in unserem Ansatz ist die
kleinste Einheit ja nicht eine wie auch immer geartete Entität, sei es
ein Photon oder ein Staubkorn, sondern wiederholbare
Zustandsänderungen einer Entität alias Eigenschaft. Indem diese vor-
und rückwärts (Verknüpfung = inverses Element) gehen können oder auch
nicht stattfinden bzw. von einem Zustand zum selben Zustand gehen
können (Verknüpfung = neutrales Element), ist das Ensemble aus
Zuständen einer Eigenschaft und der Verknüpfung, die die Operationen
bezeichnet, die auf die Zustände als Elemente der Menge angewandt
werden eine *mathematische Gruppe*.
Servus Thomas,
Wie ich den von Dir „verlinkten“ Artikel auf Researchgate aufrief, fiel
mir sofort eine auf der Website eingeblendete Werbung in‘s Auge
(erstaunlich, weil mich Reklame ansonsten nicht kümmert). Es waren
Matroschka-Puppen zu sehen, die mir kürzlich einfielen, als ich über
Everetts many worlds nachdachte; so genial geordnet er offensichtlich in
seiner wissenschaftlichen Gedankenführung war, so wenig konnte/wollte er
seinen Lebensstil nach gesellschaftlichen Vorstellungen eines
„geordneten Lebens“ ausrichten; das erinnert mich an andere Genies wie
etwa Nietzsche, Kierkegaard oder Wittgenstein, über die gründlich
nachzudenken, es allemal lohnt.
Zu gründlichem Nachdenken zwingt auch Dein Dokument „Grundlagen der
Informationsmathematik (IM)“, das ich mir schon Anfang Februar geladen
hatte; klar, bei meinem Faible für Information in umfassender - also
nicht nur der (üblichen) nachrichtentechnischen – Begrifflichkeit.
Einleitend wird dort auf „Interessante Aussagen im Kapitel 0“
hingewiesen, nämlich:
„Wiederholbare Transformationen sind prognostizierbar– tritt der
Anfangszustand auf, so kann vorhergesagt werden, wie der Endzustand
aussehen wird. Dies ist der Hintergrund für die Effektivität des Lernens
über Erinnerung.“
Das passt m.E. zur Betrachtung von Kausalität und Determinismus (wie
Ingo T. es für den Thread „neoklassische Philsophie“ vorgeschlagen hat.)
Ohne mich sogleich auf irgendwelche Theorien und sonstig philosophische
Denkmodelle beziehen zu wollen/können, folge ich meiner (inneren)
Überzeugung einer deterministisch festgelegten Welt (in einem
gleichermaßen festgelegten kosmischen Raum).
Eine ständige prozessuale Weiterentwicklung (als Optimierungsprozess,
wie kürzlich hier von mir bzgl. Smolins These erwähnt) entspricht m.E.
einer fortwährenden Transformation; sofern sich diese als wiederholt und
damit als „prognostizierbar“ erweist, ist eine Frage, wie sie seit jeher
in der Philosophie und zunehmend im „Neuen Denken“ der Naturwissenschaft
insbesondere natürlich in der Kosmologie erörtert wird.
Im Weltbild unseres westlichen Kulturkreises (das an der
jüdisch-christlich angelegten Denkschule eindimensional gerichteter
Endlichkeit eines „Alpha-Omega“ orientiert ist) fällt es schwer,
Unendlichkeit als einen permanent wechselnden Prozess (zwischen
Expansion und Kontraktion) zu denken.
Die Unendlichkeit (kosmologisch wie auch philosophisch), als räumlich
unendlich ausgedehnt, somit in eine unvorstellbare resp. nicht
berechenbare Dimension (im Sinne vorherrschender Expansionstheorie) ist
kaum (wenn überhaupt) vorstellbar. Eher lässt sich die Welt und damit
natürlich den sie umgebenden, tragenden Kosmos als Organismus (Gaia)
vorstellen und es könnte dabei das Wissen um den lebenserhaltenden
Mechanismus von Ausdehnung und Kontraktion des Herzens als Analogie
hilfreich sein.
Wenn man bei dieser Betrachtung das „Staubkorn“ als Element individuell
ausgeformter Materie, also die Körperlichkeit des einzelnen Lebewesens
sieht (und diesbezüglich bin ich dann beim „Hammel-Korn“), könnte das
paradox erscheinende und dennoch alles Leben tragende Prinzip unikalen
Werdens und Vergehens in einer ebenso werdenden und vergehenden
Unendlichkeit verständlich werden. Damit realisiert sich die
wiederholende Transformation des Übergangs vom ICH zum WIR, vom
„Staubkorn zum Staub“. Das ICH verliert sich zu Gunsten des WIR, bzw. es
transformiert sich in das WIR (inwiefern sich wiederholend, ist eine
Frage der Weltanschauung).
Insoweit lässt sich die Determiniertheit von Kosmos und Welt erkennen
und damit gerät die Begrifflichkeit von Freiheit (wir hatten hier
ausführlich die Willensfreiheit erörtert) in einen besonderen Kontext.
Freiheit (an sich) verstehen resp. definieren zu wollen, lässt den
darüber Nachdenkenden in unzähligem Schriftgut beliebiger Thesen und
Vorstellungen versinken.
Ich knüpfe meine diesbezüglich (immer wieder aufkommenden) Überlegungen
an die von Schelling und Hegel. Ohne hier präzise zu zitieren, beziehe
ich mich auf die mir im Gedächtnis verbliebenen Vorstellungen:
Freiheit sei angelegt im innersten Wesen des Menschen (Schelling);
Freiheit sei die Einsicht in die Notwendigkeit (Hegel).
Einsicht in die Notwendigkeit bedeutet letztlich, sich in das
Unausweichliche einzufügen, sich in Einklang mit der Unbedingtheit der
Lebensrealität und damit sich in Gleichklang (Kohärenz im erweiterten
Sinn) zu bringen.
Ich würde generell lieber von Freiraum als von Freiheit sprechen. Zu oft
wird Freiheit als gewissermaßen grenzenlos verfügbar gesehen – und doch
endet diese meist abrupt, wo subjektiv ausgelebte gegen kollektive
Freiheit steht.
Freiraum ist bedeutungsgleich mit Spielraum, der immer begrenzt und
dennoch unverzichtbar ist. Das zeigen technische Modelle (wie so oft):
Keine Welle dreht sich ohne „Spielraum“ d.h. Toleranz. Vielleicht
verständlicher dargestellt am Kolben des Motors, der ohne präzise
geformten (gehonten) Spielraum im Zylinder klemmt und dagegen mit zu
viel Toleranz (Freiheitsgrad) die zur Leistung erforderliche Verdichtung
verliert.
Eine verwegene Analogie zur menschlichen Freiheit, sprich: verfügbarem
Freiraum bzw. bestehenden Freiheitsgraden, könnte man meinen!
Und dennoch: wie sich Technik in Technik einfügen muss, ist es auch mit
dem Freiraum der Menschen bestellt. Innerhalb eines durch und durch
festgelegten (berechneten) Systems müssen Spielräume existieren. Es sind
immer nur begrenzte, aber wesentliche Freiheitsgrade, wie sie permanent
durch (notwendigerweise) winzige Symmetriebrüche vorgegeben sind:
Determinismus, wie er durch die Tatsache festgelegt ist, dass sich
jeweils und immer das Wahrscheinlichste aus der Wahrscheinlichkeit
unendlicher Potentialität verwirklicht. Das steht der Dawkin‘schen These
vom „blinden Zufall“ der Weltentstehung elementar entgegen!
Einerlei, ob man nun Welt und Kosmos als „Schöpfung“ oder in welchem
Sinne auch als „designed“ (etwa Leibnitz‘ bestmögliche Welt oder
Tegmarks „Mathematical Universe“), also in diesem Sinne als „berechnet“
und somit festgelegt annimmt:
Die Vorstellung von Mathematik als „Sprache der Natur“ sowie die
Annahme sich ständig wiederholender Transformationen und damit
prognostizierbarer, jeweiliger Anfangs- und Endzustände sind nicht
weltfremd!
Welt und Kosmos sind ein selbstreferenziell funktionierender
„Organismus“ wie es die von Lovelock entwickelte Gaia-Hypothese
dazustellen versucht. Das hat nichts mit Esoterik (üblicher Ausprägung)
zu tun, sondern kann als Anregung dienen, weiterhin über die Dinge
hinter den Dingen gründlich nachzudenken.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS:
diesen Ausspruch des Galilei (wo immer ich ihn gefunden habe) finde ich
bemerkenswert:
Die Philosophie steht in diesem großen Buch geschrieben, das unserem
Blick ständig offen liegt. Aber das Buch ist nicht zu verstehen, wenn
man nicht zuvor die Sprache erlernt und sich mit den Buchstaben vertraut
gemacht hat, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der
Mathematik geschrieben, und deren Buchstaben sind Kreise, Dreiecke und
andere geometrische Figuren, ohne die es dem Menschen unmöglich ist, ein
einziges Bild davon zu verstehen; ohne diese irrt man in einem dunklen
Labyrinth herum. (Galilei Zitat aus „Il Saggiatore“)