Am 17.01.2020 um 16:47 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
[Philweb]
Am 17.01.2020 um 02:28 schrieb K. Janssen via Philweb:
d‘accord! Vielleicht könnte man auch schreiben: Zunehmend mutig
angewandte neuere Methoden der Mathematik (etwa den
Pfadintegralformalismus als numerisches Verfahren zur Behandlung von
Quantenfeldtheorien) führen zu gesichert andersartiger Erkenntnis,
Hallo Karl,
das wird wohl so sein. Nur nicht in dem Sinn bzw. Unsinn, daß damit
erfahrungsunabhängiges Erfahrungswissen generiert werden könnte. Wenn
bei der Überprüfung einer Hypothese die Rechnung mit dem
Quantencomputer das Experiment ersetzen soll (ich beziehe mich da auf
den von Ingo zitierten Auszug aus
https://arxiv.org/abs/1106.3029)
liegt das vielleicht daran, daß die Realität, von der hier die Rede
ist ("It has been suggested that reality works like a quantum
computer"), nicht die des Alltags ist, denn da treten ja keine
Quanteneffekte auf, und daß man eine Rechnung in diesem Fall auch
unter dem Aspekt eines Experiments auf Quantenebene betrachten kann.
Soweit meine Mutmassungen dazu.
Sicherheit in dem Sinn, daß einem die Erfahrung keinen Strich durch
die Rechnung machen kann, gibt es nur bei den eigenen Konstruktionen,
die ja auch nichts über die Erfahrung aussagen. Aber da würden wir
kaum von Wissen reden wollen.
Claus
"It has been suggested that reality works like a quantum computer"
Das ist natürlich eine auf den ersten Blick verwegen anmutende, sowie
die von uns konkret wahrgenommene Lebens-Realität abstrakt verkürzende
Aussage!
Aber schließlich ergänzt Philip Gibbs (Auto des „verlinkten“ Artikels):
„but such claims are just words if they are not backed up by sound
mathematics.“
und relativiert: „Admittedly it is a speculative theory, but if it is
true, it may help us to understand the principles we need to build the
next generation of powerful computing technology. This is a possibility
that cannot be ignored.“
Nebenbei bemerkt, handelt es sich bei diesem Artikel um eine
hervorragende Übersicht und Erläuterung zum „holographischen Prinzip“,
auf das ich kürzlich hier eingegangen bin. Allerdings setzt die
Beschäftigung mit diesem Thema voraus, sich schon einige Zeit damit
vertraut gemacht zu haben.
Vermutlich liegt die hier zu diesem Thema aufscheinende Diskrepanz darin
begründet, dass der Blick auf unsere konkrete Lebenswelt (und eben auch
das mit der Alltagsrealität verbundene und mit ihr wachsende
Erfahrungswissen) aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgt und
dementsprechend beschrieben bzw. diskutiert wird. In Wirklichkeit liegt
gar kein Dissenz vor, wenn man es vermag, jeweils einen
Perspektivenwechsel zu wagen, das Thema gedanklich „durch die Brille“
dessen zu betrachten und zu werten, der einen anderen Schwerpunkt seiner
Profession oder auch nur seiner Interessen hat.
Wenn ich es für meinen Part ausdrücken darf, bin ich diesbezüglichen
Argumenten aus „beiden Welten“ - also naturwissenschaftlich und
philosophisch sowie psychologisch - wohl nur deshalb (zu etwa gleichen
Teilen) zugänglich, weil ich durch jeweils dementsprechende
Ausbildungsphasen geprägt wurde: Technikaffin (doch hoffentlich kein
Homo Faber) einerseits, andererseits ohne Philosophie (in welcher
Ausformung auch immer betrieben) nicht lebensfähig.
Ein „erfahrungsunabhängiges Erfahrungswissen“ zu generieren, kann
zunächst nur bedeuten, dass bislang im Gehirn des Menschen nicht
verankertes (phylogenetisch bzw. erworben angelegtes) Wissen durch
Information erweitert wird, die auf grundsätzlich neuen Erkenntnissen
(durchaus als Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung generiert)
basiert. Mit solchermaßen erweiterter Sicht auf ein damit verändertes
Weltbild wird sich neues Erfahrungswissen im (zunehmend auch
kollektiven) Bewusstsein der Menschen einprägen.
Dabei dürfte klar sein, das Lebens-Realität weder mit bislang
verfügbaren Digital-Rechnern (trotz gigantischer Leistungssteigerungen
in den letzten Jahren) simuliert, geschweige denn emuliert werden kann.
Selbst auf Hochleistungsrechnern implementierte Algorithmen bzw.
Mechanismen der numerischen Mathematik sowie der KI (Künstliche
Intelligenz) basieren systembedingt (nur) auf zweiwertiger Logik (1/0)
und können daher ausschließlich sequentielle Symbolverarbeitung bewirken.
Gänzlich anders die Leistungsfähigkeit eines (für den lebenspraktischen
Einsatz - sofern überhaupt dazu einsetzbar - erst noch zu entwickelnden)
Quanten-Computers, der aufgrund seiner Qubit-Technologie eine
Parallelverarbeitung von Daten in bislang unvorstellbarem Umfang
ermöglichen würde.
Ein Qubit kann sich für eine bestimmte Zeitspanne (Kohärenzzeit) in
einem Zwischenzustand aus Null und Eins befinden: Superposition - nicht
irgendwo dazwischen, sondern beide Zustände haben eine bestimmte
Gewichtung, die dann bei einem Rechenvorgang (Messung) in einen der
beiden eindeutig definierten Zustände des Qubits übergeht (Dekohärenz).
Dieser Wert lässt sich nun in einem „klassischen“ Bit (0 oder 1)
speichern; insofern ist auch der Quantencomputer ein Digitalrechner.
Die Herstellung von SQUIDs ( Qubits aus Ionen oder supraleitenden
Schleifen - nebenbei: Supraleitung verlangt „Superkühlung“) ist
hochkompliziert und u.a. damit bezüglich seiner Alltagstauglichkeit
(auch hinsichtlich der in seinem räumlichen Umfeld vorhandenen
Störgrößen, die zu „ungewollter“ Dekohärenz der Qubits führen) noch
meilenweit von praktisch verwertbarer Serienproduktion entfernt.
Überdies müssen für sinnvoll praktikablen Einsatz dieser Q-Rechner
geeignete „Quanten-Algorithmen“ entwickelt werden. Ein derartiges
Computer-Programm wird als „Eingangsgrößen“ einen beliebig großen (zu
berechnenden) Wertevorrat von Elementen bereitstellen, aus deren
Überlagerungszustand sich schließlich nur ein höchstwahrscheinlichst
zutreffendes Ergebnis herausbildet.
Selbst wenn sich, wie im zitierten Artikel beschrieben, das Problem
ungewollter Dekohärenz durch äußere Störeinflüsse mittels
Fehlerkorrekturverfahren umgehen ließe („ information engineers hope to
use against the decoherence problem is to apply quantum error correcting
codes to keep the information sound“) würden sich Quanten-Rechner
vornehmlich nur für mathematisch formulierte Rechenprozesse eignen bzw.
lohnen, wo aus einem sehr großen Werte-Input ein mit höchster
Wahrscheinlichkeit zutreffendes Resultat ermittelt wird (Suche der Nadel
im Heuhaufen). Derartig spezialisiert wird dieser Rechnertyp vermutlich
nie gänzlich die heute verwendeten Computer ersetzen sondern diese
lediglich auf ideale Weise ergänzen.
Weitaus bedeutsamer erscheint mir deshalb zunächst die Weiterentwicklung
von Analogrechnern; hier werden keine Bits (0 oder 1) sondern
kontinuierliche Werte (von 0 bis 1) verarbeitet und das bei deutlich
höherer Verarbeitungsleistung als heute verfügbare Digitalrechner.
Soweit erstmal hierzu.
Mit bestem Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS:
cz „liegt das vielleicht daran, daß die Realität, von der hier die Rede
ist ("It has been suggested that reality works like a quantum
computer"), nicht die des Alltags ist, denn da treten ja keine
Quanteneffekte auf“
Ich denke, im Alltag treten sehr wohl Quanteneffekte auf – wir bemerken
dies nur nicht :-))
Aber dazu später mehr (hier auf diesem Kanal)...