Am 26.03.2023 um 21:56 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 26.03.23 um 16:33 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Mir geht es mit der Unterscheidung von
Mechanismus und Organismus gerade darum, beide nicht gleichzusetzen. Dennoch ist es
interessant, dass sich in Lebensäußerungen vielfach auch Mechanismen nachweisen lassen,
die sich offensichtlich evolutionär herausgebildet haben. D.h. Lebewesen zeigen auch
Mechanismen, aber Mechanismen zeigen keine Lebensäußerungen.
Dann würden "nachgewiesene Mechanismen, die sich in Lebensäußerungen herausgebildet
haben" keine Lebensäußerung zeigen. Also ein schlagendes Herz wäre dann tote Materie.
Wenn die Mechanismen aber nur in Form von mathematischen Algorithmen im Kopf des
Mathematikers und in diesem Organ gedacht werden, dann sind es keine vorliegenden
Mechanismen, sie haben sich als solche nicht herausgebildet, wie der Motor eines
Kunstherzens. Wenn Mechanismus nur eine Sache ist, die materieller Natur ist, dann muss
eben ein anderes Wort her für das, was sich herausgebildet hat, ich würde annähernd das
Wort Algorithmus nehmen. Und mit den zwei Wörtern entstehen passendere Fragen als mit dem
Verquickungswort "Mechanismus", mit dem offen ist, ob die Person mechanizistisch
oder vitalistisch denkt.
Hi JH,
tot kann nur etwas sein, das gelebt hat. Was leben oder tot sein kann, ist der Organismus,
nicht seine Organe. Die Organe funktionieren im lebenden Organismus und können nach seinem
Sterben entsprechend präpariert weiter funktionieren. Und im lebenden Organismus können
sie durch Mechanismen in ihrer Funktion ersetzt werden.
Die Sprache
ist der große Gleichmacher,
So einfach ist das nicht. Das muss von Stelle zu Stelle gefunden und gesucht werden. Ich
habe schon vieles dazu gefragt und keine Antwort bekommen.
Alle inflationär gebrauchten Wörter fallen doch darunter. Einige sind hier Dauerthemen,
wie Information, Leben, Wahrheit, aber auch Querdenken, Demokratie, Faschismus. Die
algorithmisch arbeitenden Stochastiker haben die Wörterinflationierung sicher längst
analysiert. Aber warum kennst Du als Sprachfan derartige Untersuchungen nicht?
die Mathematik
dagegen vermag viele verborgene Strukturgemeinsamkeiten detailliert hervorzukehren.
Das mag sein, aber an vielen Stellen ist sie nutzlos, insbesondere wenn der nicht
richtige Teil der Mathematik an der richtigen Stelle angewandt wird. Und das kann
Mathematik nicht entscheiden. Gehe mal zum Markt und wende auf dem Kassenbon die
Integralrechnung an. Oder schlage mal eine mathematische Politik vor.
Mathematik und Umgangssprache haben ihre je eigenen Grenzen. Was mich dabei nervt, ist,
dass ständig über die Grenzen der Mathematik, aber selten über die Grenzen der
Umgangssprache geschrieben wird. Geschwafel ist zu beliebig, Formalismen sind zu genau.
Wäre eine Synthese beider Bereiche nicht gerade Aufgabe von Philosophen? Die Minderheit
der meth. Konstr. unter ihnen hat es bereits vorgemacht. Es zeigt immerhin, was Menschen
trotz ihres Herkunftsballastes möglich ist.
Gefährlicher
als die neutrale Mathematisierung der Natur scheint mir ihre umgangssprachliche
Vermenschlichung.
Das ist ziemlich ungenau gesagt, so dass ich damit nicht weiterschwafeln kann.
Die umgangssprachliche Vermenschlichung oder das anthropomorphisierende Geschreibe wie
Gerede ist wohl so allgegenwärtig, dass es kaum mehr auffällt. Das menschliche
Handlungsschema wird doch ständig beliebig verallgemeinert, von den Tieren über die
Pflanzen bis über das Universum hinaus. Ich sehe darin eine geradezu universale
Gleichmacherei der metaphorisch ausufernden Umgangssprache. Angeblich soll das ganze
Universum gemacht worden sein, die Natur soll Zwecke verfolgen, Planzen sollen sich
unterhalten können und Menschen reden mit ihren Tieren. Einem neutralen Beobachter kann
das nur als Tollhaus erscheinen.
IT