Am 25. Juli 2025 08:08:04 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 23.07.2025 um 19:54 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Die KI kennt, soweit uns bekannt ist, nur elektrische Zustände und in der Trainingsphase
vorgegebene Bewertungen als Eingaben. Wie wir, "lernt" sie nicht nur durch
Regeln oder durch Beispiele. Ein Urteil wie "Katze", "witzig" oder
"schön" erscheint dann mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad auf der
Ausgabenseite.
Und das scheint mir der Unterschied zu uns zu sein. Bei uns gehört das Witzige am Witz
zur Eingabe. Wir lachen nicht, weil wir etwas hören, das mehr oder weniger anderem
gleicht, von dem man uns gesagt hat, dass es witzig ist, sondern wir lachen spontan.
Moin Claus,
ja, das bloße Mitlachen scheint auch mir die Ausnahme zu sein. Aber hat nicht ebenso das
spontane Lachen ein Wahrscheinlichkeitsmaß bzw. ist durch ein solches simulierbar? Nicht
alle Menschen lachen spontan über die gleichen komischen Situationen oder erzählten Witze.
Bestimmend dabei sind kulturelle, subjektive und intellektuelle Bedingungen. Die vier
gängigen Theorien in der Philosophie des Humors werden ja nach Überlegenheit (Hobbes),
Inkongruenz (Hutcheson), Steifheit (Bergson), Energieabfuhr (Freud) unterschieden.
Das spontane bzw. unwillkürliche Lachen kommt wohl nur bei Babys vor und „probeweise"
sogar im Schlaf. Aber schnell wird es mit den Bezugspersonen abgeglichen und damit zum
sozialen und nicht mehr spontanen Lächeln. Dennoch bereitet der Umgang mit kleinen Kindern
viel Freude, da sie viel und hemmungslos lachen. Spontan ist es aber nur anfänglich; denn
schon bald wird es sozial sanktioniert: „Man lacht nicht über ein Gebrechen / Du sollst
Erwachsenen nicht widersprechen“ reimte Brecht.
Tag, Ingo
Kann es nicht nur bei ursprünglicher Spontaneität geschult oder sozial abgeglichen werden?
An fehlender Musikalität prallt z.B. jeder Musikunterricht ab. Aber wie sich die
Musikalität entwickelt, das liegt am Unterricht. Mit dem geschulten Musiksinn hört man
dann anders als man ohne Schulung gehört hätte. Der Unterricht führt aber nicht dazu, dass
man aufgrund bestimmter Merkmale, die mit Schönheit nichts zu tun hat, vermutet, dass
etwas mit dem und dem Wahrscheinlichkeitsgrad schön sein könnte, sondern das Gegenteil ist
der Fall: er schärft die Sinne für die Schönheit.
Ebenso wenig wie man die Schönheit aus anderen Merkmalen ableitet, leitet man die
"Witzigkeit" aus Überlegenheit, Inkongruenz, Steifheit ab, auch wenn darüber
Witze gerissen werden können. Beim Lachen findet eine Energieabfuhr statt. Man kann die
Komik aber sehen, ohne zu lachen. In dieser Disziplin gibt es sogar sportliche
Wettbewerbe. Insofern ist sie nicht auf Energieabfuhr reduzierbar.
Aber kann man
nicht die elektrischen Zustände der KI mit Zuständen des menschlichen Nervensystems
vergleichen? Schon. Aber darin findet man keinen Humor und keine Schönheit. Wie sollte ich
diese Erfahrungen als Empfänger, der ich bin, nicht gelten lassen wie die der
korrespondierenden Nerven- und Hirnvorgänge auch?
In zellulären oder prozessualen Zuständen sind weder Humor noch Schönheit zu finden, wohl
aber in deren sprachlichen, visuellen oder auditiven Ausdrücken. Und die lassen sich
unabhängig davon interpretieren, ob sie von MI oder KI generiert wurden. Humor und
Schönheit sind offensichtlich Invarianten, die sehr weitreichend sein können, wie als
Beispiele die Chaplin-Stummfilme zeigen.
Ich glaube, dass eine KI zufällig etwas wirklich lustiges oder schönes hervorbringen
könnte, es aber selbst nicht wie wir bemerken, sondern nur nach Wahrscheinlichkeit
bewerten könnte.
Humor und Schönheit können Tausende von Gestalten annehmen.
Übrigens habe ich nichts gegen KI, sondern nutze sie selbst als Alltagshelfer. Man sollte
nur wissen, was sie kann, und das unvergleichlich viel besser als wir, und was nicht.
Claus
Aber wie universell ist der schwarze Humor in der Darwinismus-Parodie „Galapagos“ Kurt
Vonneguts? "Vor einer Million Jahre – 1986, um genau zu sein — ist die Welt, wie wir
sie kennen, dem Untergang geweiht. Erst brechen die Finanzmärkte der Erde zusammen, dann
das Klima und schließlich sorgt eine Pandemie dafür, dass alle Frauen unfruchtbar werden.
Alle bis auf diejenigen, die sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes Bahia de Darwin auf dem
Weg zu den Galapagos-Inseln befinden. Plötzlich sind die Passagiere die letzte Hoffnung
der Menschheit. Doch damit die Menschen als Spezies überleben können, muss sie die
Evolution von dem befreien, was sie beinahe in den Untergang geführt hätte: ihren
übergroßen Gehirnen.“
Was wird in einer Million Jahre noch von Menschen auf der Erde künden? Leben wird wohl
erhalten geblieben sein, aber dessen Vorformen sollen schon galaktisch verbreitet sein:
"A Deep Search for Ethylene Glycol and Glycolonitrile in the V883 Ori Protoplanetary
Disk“:
https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/adec6e
<https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/adec6e>
Und hier die Pressemitteilung zur Originalarbeit:
https://www.mpg.de/24449239/praebiotische-molekuele-v883ori?c=2191
<https://www.mpg.de/24449239/praebiotische-molekuele-v883ori?c=2191>
IT