Platons Entdeckung war meiner Meinung nach, daß es kein voraussetzungsloses Verstehen
geben kann, die Verallgemeinerung des Problems, mit einem Blinden über Farben zu reden.
Darin stimmt er übrigens mit Wittgenstein überein, wenn der z.B. sagt, die Kette der
Gründe eines Urteils müsse ein Ende haben.
Diese Voraussetzungen umschrieb er nach meinem Eindruck metaphorisch im Sinn von "ist
es nicht fast so als ob..." mit "Teilhabe an Ideen" und "Erinnerung an
Urbilder". Wenn man nun fragt, ob es diese Ideen und Urbilder wirklich gibt, möchte
man dann wie bei der Frage nach der Existenz fünfblättriger Kleeblätter wissen, ob einer
steckbriefartigen Beschreibung etwas entspricht oder nicht? Eine Beschreibung ist doch bei
Farben & Co. gerade nicht möglich, statt dessen wird ein Beispiel präsentiert und das
wird dann verstanden oder es ist nach vielleicht ein, zwei weiteren vergeblichen Versuchen
keine Erklärung möglich.
Wenn die Frage nach der Existenz hier nicht diese Bedeutung haben kann, müsste schon
erklärt werden, was damit in diesem Fall gemeint ist.
Das mit den Schlussregeln als "Entitäten" (solche Worte kann ich nur in
Anführungszeichen hinschreiben) hätte man vielleicht auch nicht so gesehen, wenn man nicht
vergessen hätte, daß man im Schluß nichts sagt, daß nicht schon in den Prämissen enthalten
ist. Man muss in dem angeführten Syllogismus nur wie beim Rechnen die zweite Prämisse in
die erste einsetzen und damit nur die beiden Ausdrücke zu einem zusammenziehen, ohne ihnen
etwas hinzuzufügen oder etwas wegzulassen, und erhält: Alle Menschen - inklusive S., denn
der ist ja auch einer - sind sterblich.
Das ist aber kein Grund, die Schärfung des selbst gebastelten formalen Instrumentariums
gering zu schätzen.
Ich lehne mich mit meinen Anfängerkenntnissen wieder ziemlich weit aus dem Fenster.
Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at> Datum: 20.12.18 11:42 (GMT+01:00) An: philweb
<Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: [Philweb] Warum glaubt der Mensch an abstrakte
Entitäten?
[Philweb]
Hallo Leute,
ich habe mir ein paar Gedanken gemacht und bin dabei zu einem
vielleicht interessanten Gedanken gelangt:
Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit ansehen und insbesondere
die Geschichte der Philosophie betrachten, so entdecken wir, dass am
Anfang fast überall eine Form des Idealismus blühte. Egal ob in
Griechenland oder in Indien.
Aus heutiger Sicht, in dem der Materialismus siegreich zu sein
scheint, stellt sich die Frage, wieso die Menschen auf diese Idee
verfallen konnten.
Nun, versetzen wir uns gedanklich in die Lage eines Gelehrten zur Zeit
von Platon. Das Leben der meisten Menschen war kurz, beschwerlich,
viele Dinge waren einfach unerklärlich, z. B. wieso aus Eiern
verschiedene Tiere schlüpften, obwohl die Eier doch äußerlich und
sogar innerlich ähnlich aussahen.
Dabei wurden allerdings zwei Entdeckungen gemacht:
1. Information konnte man vermehren, unabhängig von den Material. Ja,
eigentlich kann man nur Information verbreiten. Wenn 10 Leute die
selbe Schrift abschreiben, dann handelt es sich immer um die selbe
Schrift. Die Information scheint also unabhängig von ihren
Trägermedium zu existieren.
2. Ideen scheinen eine Eigengesetzlichkeit zu besitzen. Wenn ich
beispielsweise sage "Alle Menschen sind Sterblich" und "Sokrates ist
ein Mensch", dann folgt daraus, dass Sokrates sterblich ist, auch wenn
ich mir der Implikation meiner eigenen Aussage nicht bewusst gewesen
sein sollte.
Aus diesem beiden Tatsachen ging man von eine Art unabhängigen Reich
der Ideen aus.
Diese "Eigengesetzlichkeit der Gedanken" werden wir aber nicht los,
auch wenn man Information einfach als das Kopieren von materiellen
Strukturen auffasst. Deshalb hat Popper wohl seine Welt 3 angenommen,
die Welt der "objektiven Ideen".
In diesem Zusammenhang frage ich mich: War Max Stirner vielleicht
nicht nur ein moralischer Egoist und gewissermaßen ein Vordenker des
Individual-Anarchismus, sondern auch einer der konsequentesten
Nominalisten vor Wittgenstein?
Immerhin würde Stirner vielleicht sagen, dass auch die Ideen keine
Eigengesetzlichkeit haben, sondern nur insofern er dies zulässt und es
"interessiert" verfolgt. Er muss selbst die logische Schlussfolgerung
nicht zugeben, denn die Begriffe sind nicht "objektive Begriffe",
sondern seine Begriffe.
Klar ist Stirner durch seinen hegelianischen Hintergrund tief geprägt
und denkt wohl eher dialektisch als logisch in den Schlüssen. Dennoch
scheint mir der Gedanken irgendwie interessant oder aber ich habe mich
grade in einem Irrtum verrant.
Was sagt ihr?
_______________________________________________
Philweb mailing list
Philweb(a)lists.philo.at
http://lists.philo.at/listinfo/philweb