Am 19.03.2022 um 22:30 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
ich bin leider in das Kreuzfeuer der Ungläubigen und Gläubigen geraten
und weiß nach Trinken einer Weinflasche keinen Rat mehr, Waldemar wird
über mich schimpfen, schrecklich alles. Ich kann wirklich nichts
dafür, das ist mir alles zu viel jetzt, ich glaube bald auch an den
ewigen Frieden, aus Altersgründen, so wie Zarathustras Papst. Wo ist
Karl, der uns helfen könnte? Warum so viel Ernst? Aber ja, ich weiß,
zum Lachen und zum Weinen ist das alles. Prämissen, Thesen,
irrational, ich bin nicht kompetent, Unsinn hoch drei?
Wo bin ich? Das sollte ich mich auch selbst fragen! Die Antwort ist
eindeutig: Im Kreuzfeuer der Gefühle; einerseits von Abscheu,
Verachtung, Ohnmacht, Verzweiflung, Wut, Menschenverachtung usf.,
anderseits von Mitgefühl, Verständnis. Sogleich fragt man: für wen
sollte man Mitgefühl zeigen und die Antwort scheint klar: für die
Überfallenen! Doch das wäre zu kurz gegriffen. Mitgefühl, Mitleid gilt
auch all jenen, die unter dem Joch eines Diktators und seiner Claqueure
dieses grenzenlose Leid ansehen, miterleben und vor allem mit anrichten
müssen.
Man muss kein Wort mehr zur Beschreibung dieses Massakers finden; es ist
alles bereits geschrieben, audiovisuell dokumentiert: alle brutale
Realität aber auch jegliche Spekulation, Zuschreibungen.
Was bleibt zu fragen?
Als Gläubiger die Frage, warum ein gütiger, omnipotenter Gott dieses
Leid zulässt; warum beide, orthodoxe Popen und rk. Pfaffen, sich in
ihrer Argumentation auf eben diesen einen und denselben Gott berufen
ebenso wie der Auslösende des aktuellen Kriegs dieses vorgibt.
Theodizee, Kontradiktion at its best!
Als Ungläubiger die nüchterne Frage nach den Motiven, den Auslösern
(nihil fit sine causa) für ein derartiges Verbrechen: wie gesagt, alle
Antworten sind gegeben, bzw. man hat versucht, sie zu geben.
Gibt es die eine, schlüssige Antwort auf diese Fragen? Wenn man nur ein
Wort dazu verfügbar hätte, dann wäre es „Unvermögen“. Der Mensch an sich
vermag es nicht, mit der unausweichlichen Differenz allen Lebens
umzugehen! Differenz entspringt immer einem lebensbedingenden
Spannungsfeld. Diese Spannung gilt es auszuhalten aber auch sinnvoll zu
nutzen.
Doch was heißt schon sinnvoll?
Die Interpretation dieses Begriffs ist vielfältig und diese Vielfalt
nicht beherrschen zu können, ist das Unvermögen der Menschheit.
Eine schlüssige Antwort für Gläubige hat Bonhoeffer gegeben (ich hatte
ihn hier oft schon zitiert):
„Den Gott, den es gibt, den gibt es nicht!“ Das heißt, diesen Gott, auf
den sich Popen und Pfaffen berufen, den Menschen nun wieder anklagen,
den gibt es nicht! Alles diesbezügliche Gejaule und (An)Beten läuft
schlichtweg ins Leere (sic!)
Bonhoeffers "gute Mächte" gibt es hingegen, notwendigerweise aber auch
die Gegenseite: Ewiger, unausweichlicher Kampf der Mächte und der Mensch
mittendrin!
Beste Grüße in die Runde! - Karl