Am 06.09.2022 um 19:19 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Ich muss mich leider immer wieder wiederholen mit dem Hinweis auf den Dialog Phaidros.
Sokrates verlangte von seinem Gesprächspartner, doch bitte selbst zu sprechen. Im
Phaidros machte er eine Ausnahme. Er würdigte auch die fixierten Texte, kritisierte daran,
dass sie unverrückbar sind. Doch ok. Ich gehe nicht zu Referenzen hin, sondern erfinde das
Rad neu, oder ich sage es aus den mir bekannten Erinnerungen heraus. Das hat auch seine
Probleme, einverstanden.
Hi JH,
Du beziehst Dich nicht auf Referenzen und beziehst Dich auf Sokrates? Ausnahmen bestätigen
natürlich die Regel; wobei unsere Erinnerungen bekanntlich wenig vertrauenswürdig sind, da
sie das Gedächtnis jeweils restrukturieren. Insofern frage ich mich erneut, ob ein
Gedankenaustausch mit Dir überhaupt sinnvoll ist? Im Philosophiestudium wird Sokrates in
Pro-Seminaren behandelt, als historischer Anfang sozusagen. Ein zeitgenössischer Anfang
ist die Logische Propädeutik von Kamlah/Lorenzen. Die wird auch in Pro-Seminaren
behandelt, aber als systematischer Anfang. Dass fixierte Texte unverrückbar sind, zeichnet
sie gerade aus, da über die Jahrhunderte hinweg Entwicklungen zwischen den Texten
erkennbar werden. Damit komme ich zu Sombarts historischem Text.
An der obigen Definition ist die Teilung der
Gesamtheit in zwei. Eine Teilung ist immer eine beliebige. Derjenige, der definiert, hat
die freie Hand. Die zwei Bevölkerungsgruppen sind gemäß Autor von vornherein getrennt zu
sehen, es wäre ein Ideal, wenn es denn so wäre. "verkehrs.." und
"Organisation" passt nicht so recht. Statt "zusammenwirken" würden
andere Personen lieber "gegenwirken" hören. Und einige wollen weder die einen
noch die anderen Personen als Objekte ansehen. Und so könnte ich meine Bedenken
fortsetzen.
Es ging mir nicht darum, Sombarts Definition als sakrosankt auszuzeichnen, sondern als die
wohl erste in einem umfassenden Kontext versuchte. Sein mehrbändiges Werk umfasst mehrere
Tausend Seiten und beginnt mit Karl (dem Großen). Mit „verkehrswirtschaftlicher
Organisation“ bezieht er sich bspw. auf ein weiteres seiner Werke, den Grundrissen zur
Sozialökonomik. Und selbstredend ist jede Definition kritisierbar. Um mit ihnen arbeiten
zu können, sind sie aber in ihrem Kontext zu akzeptieren und zu schauen, was wie aus ihnen
folgt. Der historischen Sombart-Definition vom Kapitalismus hatte ich die zeitgenössische
aus dem Gabler-Lexikon zugesellt. Interessant daran ist für mich der Wandel vom
Kapitlismus zur Marktwirtschaft. Aber auch deren Definition bleibt natürlich lückenhaft.
Und damit komme ich wiederum zur Frage nach dem Anfang. Der beginnt nicht im Alltagsgerede
oder in der Wirtschaftstheorie, sondern in der tätigen Alltagspraxis mit unseren konkreten
Handlungen, bspw. dem bezahlten Arbeiten, dem Einkaufen, den Kontoführungen und weiteren
Wirtschaftshandlungen zur Haushaltsführung. Welche davon wären für Dich wesentlich
hinsichtlich eines Verständnisses des Wirtschaftssystems, auf das sie sich immer schon
beziehen, indem Du lebst in der BRD. Eine antike Referenz für die Ökonomie ist
Aristoteles, aber was hat sich wie alles geändert bis heute? Hauswirtschaftslehre ist ja
ein Schul- und Studienfach geworden.
IT