Hallo,
entschuldige, falls meine Rückfragen eher von mangelnder Information oder
dergleichen zeuge als von informierten Austausch von Argumenten. Dennoch
möchte ich etwas zur Sprache bringen.
Bei der Lektüre Humes hatte ich eine leicht andere Vorstellung davon, was
Hume zu sagen wünschte.
Ich betrachtete Hume in erster Line als Empiristen. Ein "Empirist" ist für
mich dabei eine Person, die glaubt (*nicht in religiösen Sinne, natürlich*),
dass alles menschliche Wissen sich aus Erfahrung herleitet, nicht aus
reiner Vernunft.
Wenn man der Krafttheorie der Kausalität zustimmt, dann wäre zumindest
denkbar, dass ein hinreichend informierter Betrachter allein ausgehend von
den Eigenschaften eines Objektes seine möglichen Wirkungen herleiten kann.
Hume selbst bemüht das Beispiel eines verständigen Mannes, dem ein ihn
unbekannter Mechanismus vorgestellt wird und der ohne empirische
Beobachtung nicht sagen kann, wie sich der Mechanismus verhält.
Würde man der Kraftübertragungstheorie zustimmen, dann wäre es zumindest
denkbar, dass der verständige Mann durch eine bloße Analyse des
Kraftflusses innerhalb des Mechanismus deren genaue Wirkung vorhersieht.
(Das darf aber nicht verwechselt werden mit den praktischen Beispiel, dass
für den Mechanismus ja die selben Naturgesetze gelten und er daher aus
anderen Beobachtungen Schlüsse ziehen kann; auch die Vorhandenheit von
objektiven Zufall und/oder determinierten Chaos, Messgenauigkeit usw.
spielen hier keine Rolle.)
In Bezug auf das Induktionsproblem argumentiert Hume damit, dass zwischen
der Erinnerung daran, dass die Sonne bisher immer aufgegangen ist und der
Annahme, dass morgen die Sonne nicht mehr aufgeht, kein Widerspruch
besteht. Dieser Widerspruch bestünde aber sehr wohl bei der Vorstellung
eines -- ich glaube -- gleichseitigen Dreiecks, in dem die Winkel nicht
gleich 60° sind.
Die Notwendigkeit im humesischen Sinne scheint mir also mehr eine logische
Notwendigkeit zu sein, nicht so sehr eine metaphysische.
Das ist denn auch die Art, in der das Humeproblem durch Bayesianer,
Popperianer und Kantisten behandelt wird. Offensichtlich scheinen die
Induktionsschlüsse korrekt zu sein, nur sind sie mit gewöhnlicher Logik
nicht zu rechtfertigen.
Die in dem Paper skizzierte humesche Metaphysik scheint sehr
kontraintuitiv. Was aber für viele Theorien gilt.
Die Kräfte sind allerdings latente Eigenschaften, die sich einer direkten
Beobachtung entziehen. Zudem es ja offenbar Situationen gibt, in denen
keine Erhaltungssätze gelten, z. B. nimmt die Entropie einseitig nur zu
oder -- aber hier muss ich die Waffen strecken, denn ich verstehe die
mathematische Herleitung nicht und müsste mich intensiver damit befassen --
falls es in einem System eine ausgezeichnete Richtung gibt, hat selbst er
Impulserhaltungssatz Ausnahmen.
Ich muss aber feststellen, dass ich ein Vorurteil zugunsten von Hume gehabt
habe. Das ist peinlich und ich danke für die Infragestellung.
MfG,
Ratfrag.
Am Mo., 12. Juli 2021 um 16:53 Uhr schrieb Ingo Tessmann <
tessmann(a)tu-harburg.de>gt;:
Am 12.07.2021 um 10:45 schrieb Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com>om>:
ich habe mir das folgende PDF-Dokument jetzt mal durchgelesen:
https://www.unil.ch/files/live/sites/philo/files/shared/DocsPerso/EsfeldMic…
(Stellenweise überflogen, sei es drum.)
Was mir aufgefallen ist: Wenn man Kausalität als das aufeinanderfolgen
naher Ereignisse definiert, wie kann man dann solche Fernwirkung wie
Gravitation oder gewisse Hypothesen der Quantenphysik damit vereinbaren?
Ich spreche jetzt von so etwas wie Verschränkung oder bohmsche Mechanik.
Hi RF,
Vorsokratiker: "Durch Herakleitos und Parmenides sind zwei Urtatsachen
entdeckt worden: Der Weltprozess vollzieht sich als ewiges Werden, das
jedes starre Sein ausschließt. Das Denken dagegen ist an eine Urteilsform
gebunden, die das Sein zu ihrer unerlässlichen Grundlage hat.“
Havemann: "Kausalität ist eine einseitige, eine einmalige, vorübergehende
und flüchtige Verbindung in der Wirklichkeit. In der Kausalbeziehung
erscheint das Wirkliche, hervorgehend aus seinen Ursachen. Im M öglichen
aber erscheint nicht die Ursache, sondern der Grund der Erscheinungen. Der
Grund ist das Bleibende in der Erscheinungen Flucht.“
Esfeld: "Aus der Physik gewinnen wir kein schlagendes Argument entweder
für eine Humesche Theorie der Kausalität oder eine Theorie der Kausalität
in Begriffen von Kräften.“
In Lehrbüchern der Physik werden lediglich Kausalitätsprinzipien verfolgt,
aber keine Kausalitätstheorien behandelt; die werden auf dem weiten Feld
der Interpretationen beackert. Esfelds Übersicht dazu hat Dir
offensichtlich nicht genügt. Wie nahe Ereignisse aufeinander folgen kann
bspw. aus der Newtonschen Gravitationstherorie ermittelt werden. Darüber
wird doch schon in der Schule gesprochen!? Denk doch einfach an den Wandel
der Tageslängen oder des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut. Und dann
versuch dich mal an einer "Theorie der Kausalität in Begriffen von
Kräften“. Insofern Kräfte aus Potentialen ableitbar sind, ist die Bohmsche
Mechanik ja nur eine um das Quantenpotential erweiterte Newtonschen
Mechanik.
IT