Am Mi., 15. Dez. 2021 um 15:20 Uhr schrieb waldemar_hammel via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
danke für den link zu gläubige/länder, demnach würde
ich gut nach zb
uruguay passen, läge mir eh besser, als dieses versch.... DE
Ich würde auf solche Zahlen nicht allzuviel geben. Es gab schon mal
eine Untersuchung, die herausgefunden haben will: Im klassischen Sinne
gläubig sind auch in Deutschland nur noch eine Minderheit.
Das neue Kredo lautet: "Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als
Naturwissenschaft allein erklären kann".
Was da mehr ist, darüber gibt es bisweilen nur vage Vorstellungen,
teilweise auch gar keine; für einige ist es die Wiedergeburt, für
andere Geister, für wieder andere einfach nur unbekannte Kräfte. Oft
ist es der Naturgott, der ganz böse über Gentechnik ist, aber sonst
keinen Anstoß an menschlichen Verhalten nimmt. Alles Sache der
Gesellschaft.
Dieser Standpunkt ist doch für den Atheisten sehr verträglich, oder?
"scotty, beam mich hier weg, ich hab genug von
mensch und seinem tun
gesehen, dass es mich graust und ekelt"
Das ist jetzt dein Problem, denn du
gehörst ganz in diese Welt.
Das ist ein Gedanke, der mir selbst manchmal schon gekommen ist. Was
wäre, wenn irgendeine Alienzivilisation (es könnte auch was anderes
sein) mir ihre utopische Welt zeigen würde und mich fragen würde, ob
ich dort Mitglied werden will. Sollte ich mitgehen? Oder würde ich die
menschlichen Regungen wie Neid, Missgunst, Suche nach dem eigenen
Vorteil, nicht dadurch wieder ins Paradies mitbringen?
Die Christen lösen das Problem durch das Fegefeuer, in dem die Seelen
von allen bösen, unreinen, Bestandteilen gereinigt werden. (Ergo
gehört die Sündhaftigkeit nicht zum eigentlichen Wesen. Ja, wir sind
"versklavt" von der Sünde, müssen befreit werden.)
Andere Weltanschauungen dagegen ziehe eine scharfe Trennlinie zwischen
den "Reinen", die mit dem UFO mitgenommen, im Paradies oder nach der
Revolution herrschen werden, und den Bewohnern der übrigen Welt. Die
haben sich an die herrschenden, schlechten Verhältnisse angepasst.
Können deshalb entweder nicht gerettet werden (werden nicht vom UFO
mitgenommen zum Beispiel) oder müssen von den Reinen "erleuchtet"
werden. Der Missionseifer ist daher eigentlich gut gemeint: "Auch du
bist es uns wert, errettet zu werden".
(Wie der Leser sicherlich sehen wird, bewerte ich hier nicht die
Richtigkeit oder Falschheit der Lehren selbst, sondern konzentriere
mich in diesem Falle sozusagen auf die subjektive Seite. Man könnte
auch sagen, "psychologische" Seite. Wobei das dann leider eine relativ
spekulative Psychologie wäre.
Dieses Gefühl, vielleicht "Lebensgefühl", die gesamte Menschheit sei
sozusagen "verrückt", ist weit verbreitet.
Es stellt sich dann, wie oben beschrieben, die Frage, was das
Individuum mit dieser Erkenntnis anfängt. Wähnt (das Wort "Wahn" kommt
ja von "Wähnen", suchen) es sich als die Ausnahme von der Regel, dann
steht es vor folgender Frage: "Wie gehe ich damit um?"
Die Schlussfolgerung ist ja, dass man selbst es in gewisser Hinsicht
besser weiß als die anderen. Naheliegend ist daher die Frage: "Wissen
das die anderen auch?"
Lautet die Antwort "Ja" folgt daraus entweder ein gewisser Zynismus --
ich weiß, dass ich eigentlich etwas falsch mache, aber die Welt wird
nun mal nach falschen Regeln verwaltet, ergo tue ich es trotzdem --
oder man muss sich die Frage stellen, wie es sein kann, dass
Individuen wider besseren Wissens falsches tun.
Wir sind hier in unserer pseudophilosophischen Betrachtung
interessanterweise an einen Punkt angekommen, an dem solche
Unterschiedlichen Gruppen wie die frühen Christen, Platons Sokrates
und Rousseau auch schon waren.)
einstellung
ich bin sozialist mit starker anarchistischer prägung, und pazifist,
Der anti-autoritäre Ansatz ist mir persönlich auch sympathisch.
Allerdings ist die Frage, ob so ein Aufbegehren oder der Wunsch, zu
rebellieren, nicht letztlich auch psychologisch...?
Am Do., 16. Dez. 2021 um 03:23 Uhr schrieb K. Janssen via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Übrigens, wohin
sehnst Du Dich?
Das ist eine Frage "ganz aus dieser Welt".
Hier wird das Gefühl, mit dem Verhalten der Menschen stimme etwas
nicht, mit der Auswahl realer Alternativen konfroniert.
Was wäre aber, wenn nirgendwo in realer Geschichte oder realer
Geographie die eigentlichen, die guten Zustände herrschen?
Reihst Du Dich etwa in die gleiche Kategorie von
Menschen ein, die in
ihrer schmachtenden Jenseits-Sehnsucht jegliches irdische Lebensgefühl
verloren haben und dem irdischen Dasein, diese sehr verachtete Welt um
jeden Preis verlassen wollen?
Sehr, sehr guter Punkt!
Am Do., 16. Dez. 2021 um 05:21 Uhr schrieb waldemar_hammel via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
krankhaftigkeiten literarisch zu bestätigen,
jedenfalls camus seither
für mich rotes tuch)
Mein Beileid.
h.ahrend ist für mich "terra prohibida"
aufgrund des "religiösen
touches" = verbotenes terrain, obwohl das aufgrund ihrer
lebensumstände/ihres lebensverlaufs erklärlich sein mag, das heil in
"religio" zu suchen/
Auch das erinnert mich jetzt an die frühen Christen. Die haben die
heidnischen Philosophen soweit ich weiß zum Teil auch abgelehnt, weil
sie fürchteten, ihren Glauben dadurch zu verunreinigen.
Es scheint da also bei einigen Atheisten synchrone Mechanismen zu geben...
zu finden, was in meinem verständnis eine
verkindlichung ist ("so ihr
nicht werdet wie kinder"), ein nicht zum erwachsensein ausschlüpfen
können, fluchtversuche richtung animismus, für wirklich erwachsene
menschen "unwürdig" (religiös-sein als "kind-mimese")
Ich glaube, dass hast du vielleicht falsch interpretiert.
Wenn du dir die Menschen gut und rein vorstellst, aber dann irgendwann
verunreinigt durch die sündhafte Welt, dann ist es nur folgerichtig
die noch unbelasteten jungen Menschen in ihrer Unschuld zu loben.
Ich habe zwar nur die ersten paar Seiten oder so von Rousseaus Emil
gelesen, aber du findest diese Geisteshaltung dort ebenfalls synchron.
Es ist eben eine mögliche Antwort auf die Frage, wieso Menschen
eigentlich so schlecht handeln, teilweise auch gegen ihre Interessen.
Die Menschen sind doch eigentlich gut, aber die Gesellschaft (die
herrschenden Verhältnisse) verderben sie.
Deshalb müsste die Gesellschaft der Guten sich eigentlich innerhalb
der Gesellschaft zurückziehen, quasi als Vorbild für die verdorbene
Welt. Das wäre aber irgendwie unmoralisch, weil man die
"Nur-ein-bisschen-Guten" damit ja aufgeben würde. Ergo muss man sie
überzeugen, sich den Guten anzuschließen.
Ein bisschen vermute ich dahinter auch den Geselligkeitstrieb des
Menschen. Man will ungern auf eine hochanständige Gesellschaft
beschränkt sein.
Solche Mirkogesellschaften, die sich abkapseln, gibt es ja auch im
realen Leben. Prominentes Beispiel dürften die Amish people in den USA
sein. Sie besitzen die richtige Auslegung der Bibel und damit das
gottgefällige Leben, aber sie missionieren nicht, aus, wie sie es
ausdrücken, Demut.
Damit kann man sich dann vollständig von der verdorbenen Welt abgrenzen.
P.S.: Solche Ausdrücke wie "die Reinen" oder dergleichen sind
natürlich in indirekter Rede gedacht. Es geht um die Geisteshaltung.
Das Subjektive sozusagen, welches vor dem Objektiven steht.