lieber karl,
großen dank für dein unten deshalb nochmals mitgeschicktes traktat zum
wahrheits-begriff,
das eine deinerseits erstaunliche (philosophische) expertise aufweist,
bei mir gerade deshalb aber genau mehr neue fragen evoziert als beantwortet
(was ganz natürlich auch aus der sache selbst folgt)
1) zb der schon besprochene "platonismus" des "wahrheits"begriffes
(und
folglich die "leere" solcher begriffe, die mit hypersemiosen als
platzhaltern gefüllt wird),
und dass auch "wahrheiten" stets "spektral" sind =
"unscharf"
2) die frage, wie und ob sprachliche/gedankliche "aussagen" überhaupt
mit fakten/realitäten korrespondieren können/sollen = was ist der
"junktor", der adapter dabei
aussage x' <=> junktor <=> faktum x,
oder ist die tatsache der setzung, dass aussage x' sich auf fakt x
beziehen soll, selbst der junktor?
aussage x' <=> junktor = "soll sich beziehen auf" <=> faktum x
was dann aber ebenfalls wieder einen wust von fragen aufwirft
3) schwerwiegend: fehlt der tatsächlich geführte beweis/nachweis, dass
es überhaupt (objektive) fakten gibt, auf die sich aussagen beziehen
könnten, denn alles, was wir haben,
sind nur "hirngemachte fakten", die wir mit einer diesem hirngemachten
zugrunde liegenden und hirngemachtes auslösenden nur vermuteten
wirklichen wirklichkeit im optimalen fall
1:1 analogisieren (wir sind "meister" darin auf teufelkommraus zu
analogisieren, analogien zu bilden, auch wenn sie ("in der sache") noch
so falsch sein mögen)
ich <=> meine hirngemachten fakten <=> vermutete objektive fakten als
auslöser der hirnerzeugten fakten,
für diese "objektiven fakten" fehlt aber, und liegt natürlich in der
natur der sache, jeder nachweis ==>
(ich nenne das den "titanic-denkfehler", denn über wasser hirngemachter
kleiner eisberg, als auslöser dieses hirnerzeugten aber unter wasser ein
riesenteil, oder, in anderen fällen,
eben kaum was, oder sogar garnichts greifbares, wie zb bei früheren sog
"seeungeheuern")
--------
letztlich ist es doch so:
wie belegen unser eigenes hirn-erleben mit sprache, und analogisieren
anschließend, das gesprochene bezöge sich auf "wirkliche wirklichkeit"
außerhalb unseres kopfes,
für die uns in der sache jeder nachweis sachbedingt fehlen muss - auch
dass die hirnerzeugte wirklichkeit mit einer "wirklichen wirklichkeit"
aus überlebenstechnischen gründen
"irgendwie" korrespondiert, ist kein beweis fürs gegenteil, wie zb unser
farberleben des lichtes im "anschauungshirnteil", bei farblosigkeit
elekromagnetischer strahlung im anderen
hirnteil (sagen wir "dem physikalischen") ausweist = em-strahlung ist
farbig, ist farblos, ist noch viele andere farbe-betreffende
sachverhalte (zb falschfarbenfotographie) =
die "wahrheit" über em-strahlung ist genauso "spektral" als wahrheit,
wie em-strahlung selbst als strahlung spektral ist, und ich kann mir, je
nach absicht oder gelegenheit beliebiges
aus dem spekrum der wahrheiten über em-strahlung heraussuchen = was
bedeutet, auch "die wahrheit" steht irgendwo im "dunstkreis"
hypersemiose.
wh.
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Karl Janssen über PhilWeb schrieb:
Ratfrag, nun möchte ich eine Antwort geben auf Deine zuletzt
aufgeworfenen Fragen zum Wahrheitsbegriff des Aristoteles und dessen
Unterschied zu Aquinus‘ entsprechender Definition;
darüber hinaus aber auch den Begriff von Wahrheit generell erörtern,
wie man ihn im Alltagsleben benutzt (denn darauf kommt es ja
lebenspraktisch an).
Bezogen auf die von Aristoteles und Thomas v Aquin überlieferten
Aussagen zum Wahrheitsbegriff bin ich davon ausgegangen, jener von
Aristoteles sei in der Philosophie (wie sie heute gelehrt wird)
geläufiger ist als der des Aquinus. Und Du hast sehr zutreffend darauf
(in Frageform) hingewiesen, dass beide Begrifflichkeiten eigentlich
bis auf die Formulierung dieselben sind. Ich denke auch, dass sie sich
gleichen, da Aquinus‘ Überlegungen hierzu offensichtlich auf die
Definition von Aristoteles aufsetzen.
Bleibt dann die Frage, warum ich schrieb, Aquinus‘ Definition läge mir
näher. Dazu später und zunächst nochmal zu Aristoteles‘ Version, die
der sog. Korrespondenztheorie (als eine der gängigen
Wahrheitstheorien) entspricht:
„Zu sagen, dass das Seiende nicht ist oder dass das Nichtseiende ist,
ist falsch; dass das Seiende ist und dass das Nichtseiende nicht ist,
ist wahr.“ (Aristoteles: Metaphysik IV, 1011b23‐28.)
Das erscheint zunächst wie eine selbstredende Binsenweisheit. Und
somit besagt die Korrespondenztheorie (also auch die These des
Aristoteles), dass eine Aussage (Proposition) nur dann wahr ist, wenn
sie genau mit einer Tatsache übereinstimmt also damit korrespondiert.
Dieser logisch-semantische Zusammenhang kommt offenbar der
Alltagserfahrung von Wahr und Falsch bezogen auf einen Sachverhalt
rational am nächsten und somit gilt die Korrespondenztheorie als die
bekannteste Wahrheitstheorie.
Deshalb ist sie aber nicht sogleich frei von kritischer Hinterfragung
hinsichtlich der Beziehung zwischen behaupteter Aussage (als dem
Wahrheits-Werteträger) und zugrunde gelegter Tatsache (als dem
eigentlichen „Wahrmacher“). Diese Beziehung ist bei Thomas v Aquin als
„Angleichung“, bei Kant als „Übereinstimmung“ und in der
Gegenwartsphilosophie als „Entsprechung“ definiert. Dabei bleibt
jedoch das Problem, dass diese Beziehungsbegriffe hinsichtlich ihrer
wahrmachenden Bedeutung nicht apriori eindeutig geklärt sind und
darüber hinaus besonders bei kontrafaktischen Konditionalsätzen (wäre
dieses nicht geschehen, wäre jenes nicht passiert) kaum zu
interpretieren sind.
Die Korrespondenztheorie setzt somit die Vergleichbarkeit von Aussagen
mit der Wirklichkeit resp. Faktizität eines Sachverhalts voraus, was
aus philosophischer Sicht durchaus kritisch zu sehen ist. Weiterhin
bestimmt sie Wahrheit ohne Rückgriff auf epistemische Begrifflichkeit
wie etwa auf Fakten bezogene Aussagen, unabhängig davon, ob andere
objektive Betrachter zu gleichen Annahmen und dementsprechenden
Propositionen kommen. Die Unzulänglichkeit dieser Theorie liegt darin,
dass Wahrheit lebenspraktisch einen Bezug zu dem haben muss, was
vernünftigerweise allgemein als konsensfähige Überzeugung angesehen
oder (wenn auch nur) geglaubt resp. angenommen wird.
Natürlich ist eine epistemische Interpretation immer auch
kontextabhängig und man muss beachten, dass nicht epistemisch
verwendete Modalverben einen Sachverhalt resp. Tatsache grundsätzlich
als möglich bzw. gewünscht beschreiben und dabei kontextuell zu
beschreiben ist, was die eigentlich wahrmachende Beziehung bestimmt.
Zusammengefasst kann man festhalten:
Gemäß der Korrespondenztheorie (Aristoteles) gilt das
„Wenn-dann-Prinzip“. Wenn eine Aussage wahr ist, dann gibt es etwas,
demzufolge sie wahr ist, die Aussage ist nur dann wahr, wenn sie eine
dediziert relationale, exakt zu bestimmende Eigenschaft aufweist.
Bezogen auf dieses Wenn-Dann-Prinzip lässt sich für alle
gebräuchlichen Wahrheitstheorien hinsichtlich einer Aussage (A) ableiten:
1) Aussage A ist in der Korrespondenztheorie wahr, wenn A in Beziehung
einer „Entsprechung“ zur Realität resp. einem eindeutigen Faktum (als
Wahrmacher) steht.
2) In der epistemischen Theorie ist A wahr, wenn die Aussage unter
idealen Gesichtspunkten zu rechtfertigen ist; die epistemische
Wahrheitstheorie sagt demnach aus, dass eine Proposition genau dann
wahr ist, wenn sie unter epistemisch idealen Bedingungen
gerechtfertigt ist. Damit ergibt sich ein Problem für diese Theorie,
da Wahrheit zwar unauslöschliche Eigenschaft einer Aussage ist, die
dennoch ihre Rechtfertigung (etwa durch sich veränderndes Wissen über
Zeitepochen hinweg) verlieren kann. Daher gibt es kritische Einwände
gegen die epistemische Theorie, in dem Sinne, dass sie keine
Wahrheitstheorie darstellt, da Rechtfertigung erkenntnistheoretisch
seine Relevanz verliert, wenn man sie vom Wahrheitsbegriff schlechthin
abkoppeln muss. Das führt zu weiteren kritischen Aussagen bezogen auf
die Begrifflichkeit von Wahrheit, die im positivistischem Kontext zwar
eine Theorie der Rechtfertigung, jedoch keine der Wahrheit
legitimiert. Demnach sei der Begriff von Wahrheit leer (wie das
Waldemar hier ebenso postuliert) und überdies nicht das Ziel von
Erkenntnisgewinnung.
3) Eine Aussage ist in der Kohärenztheorie wahr, wenn A als Element
einer optimiert kohärenten Menge von Aussagen zu definieren ist.
Die Kohärenztheorie vertritt demnach die These, dass eine Aussage
genau nur dann wahr ist, wenn sie mit der Gesamtheit vorhandener
Aussagen zu einem Sachverhalt etc. übereinstimmt resp. wenn sie in
dieses Ensemble von Aussagen einzugliedern ist.
Im Gegensatz zur Korrespondenztheorie (wo ein Vergleich zwischen
Proposition und Faktum erfolgt) werden in der Kohärenztheorie Aussagen
mit Aussagen bzw. mit der auf einen Sachverhalt bezogene Gesamtheit
von Aussagen verglichen. Dabei ist entscheidend, ob sich Aussagen
damit in Einklang, also in das gesamte Aussagen-Ensemble eingliedern
lassen. Somit werden Aussagen mit anderen bzw. einem System von
Aussagen, jedoch nicht mit einer (angenommenen oder geglaubten)
Wirklichkeit verglichen.
Und damit sollte sich, Ratfrag. Deine Frage beantworten lassen:
„Fügen Kohärenztheoretiker Kriterium und Definition von Wahrheit
zusammen?
Es geht in der Kohärenztheorie nicht um Wahrheit schlechthin, sondern
um die Gültigkeit von Aussagen, die man gegeneinander stellt und im
Vergleich hinreichende Kohärenz feststellt oder eben nicht.
Soweit zunächst dieser Überblick mit der abschließenden Bemerkung zu
o.a. Ähnlichkeit der Korrespondenztheorie mit der Wahrheitsdefinition
des Thomas v Aquin. Diese ergibt sich durch dessen vorausgesetzte
„Angleichung“ zwischen Aussage und Tatsache, wie auch Kant
Übereinstimmung ("Adäquation") zur Bedingung einer gültigen Beziehung
zwischen Werteträger und Wahrmacher definiert. Dem schließen sich die
gegenwärtigen Vertreter der Korrespondenztheorie an und definieren
„Entsprechung“ zwischen Proposition und Faktum als entscheidendes
Wahrheitskriterium.
Zurück zur Frage, warum mir Aquins Wahrheitsbegriff näher liegt:
Im Gegensatz zu Aristoteles‘ Wahrheitsbezug auf „SEIN und NICHT-SEIN“
steht mir Aquinus Begriff von Wahrheit als die Übereinstimmung
zwischen dem was man denkt und dem was ist. Habe ich wirklich einen
Sachverhalt objektiv zutreffend erkannt (einerlei ob durch eigenes
Denken oder exakt aufgenommenes Wissen) gehe ich davon aus, diesen als
wahr ansehen zu können. Damit verbindet sich ein Stück Autonomie der
Erkenntnis, um durch eigenes Denken frei zu sein bzw. zu werden von
objektiv unzutreffenden oder ideologisch resp. dogmatisch verfassten
Aussagen. Heute würde man sagen, sich von „Fake-News“ frei bzw.
unabhängig zu machen. Das wäre im Sinne Deiner präferierten
Vorstellung von „Korrespondenz von Intellekt und Sache“
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
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