nun, Ingo, da trifft natürlich mein hier hinreichend bekanntes, in Teilen konservatives
Denkmuster auf eine der Beliebigkeit huldigenden Grundauffassung des Menschseins. Doch
sollte man schon differenzieren zwischen dem Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben
(soweit dieses hinreichend gesetzeskonform durchgebracht wird) und eben subjektiv
eingeforderten Änderungen einer Gesellschaftsstruktur, die sich in unserem Land bewährt
hat. Und wenn heute das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes feierlich gewürdigt wird,
drückt dieses doch dessen Bedeutung als stabiles Fundament unseres Landes aus. Und da geht
es nun mal um die unantastbare Würde des Menschen, die dieser eben als solcher und nicht
als „Laborratte“ haben kann.
Wenn ich diesbezüglich von einer materialistischen Grundhaltung geschrieben habe, meinte
ich nicht den Materialismus schlechthin, sondern eine Sicht auf den Menschen, die diesen
nicht als von Geist beseeltes Wesen, sondern mehr oder weniger als eine evolutionär
hervorgebrachte Kreatur, die im Verlauf ihrer Ontogenese hinreichend kultivierte
Lebensformen entwickelt hat. Der Übersprung von dieser zum Cyborg ist dann nur noch eine
Frage des dementsprechenden technischen Fortschritts.
Warum sollte man nicht eine demgemäße Auffassung von Menschsein haben können? Meiner
diesbezüglichen entspricht sie definitiv nicht und so bleibt uns der Konsens, heilfroh
über das heute gefeierte Grundrecht der Meinungsfreiheit sein zu können.
KJ
transmitted from iPad-Client
Am 23.05.2024 um 14:41 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 23.05.2024 um 11:32 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
von einem Irrsinn zu anderen, möchte man sagen! Geschlechtsverkehr abseits von
eindeutigem Kinderwunsch galt für Katholiken als Sünde. Wie viel seelisches Leid hat
dieses verschrobene Postulat doch verursacht!
Heute dann die Möglichkeit, das gewünschte „Profil“ des Nachwuchses aus dem Katalog einer
Samenbank und damit das „Wunschkind“ schlechthin wählen und zudem dessen „Horoskop“ schon
pränatal festlegen zu können. Welch wunderbarer Fortschritt für die gehobene esoterische
Gesellschaftsschicht. Der Mensch als „Schöpfer“ seelenloser Cyborgs.
„Brave New World“, was wollte Huxley damit sagen?
Technikwahn? Eher nicht, vielmehr Unterwerfung unter eine artifiziell mechanisierte,
entmenschlichende Technokratie. Materialismus in Reinkultur!
Doch auch „dieser Baum wächst nicht in den Himmel“. Fragt sich lediglich, auf welchem
verdorrenden Ast wir (noch) sitzen.
Moin Karl,
Du schreibst von Unterwerfung und Materialismus, ich von mehr Selbstbestimmung und
Bewusstseinserweiterung. Vor liberalem Gedankengut war schon vor Jahrzehnten der
Medizinethiker Axel W. Bauer (AWB) aus philweb entflohen. Damals ging es besonders um
Sterbehilfe, PID und Klonen. Ich hätte nicht einmal etwas gegen das Klonen von Menschen
einzuwenden. Solange aber nicht einmal Leihmutterschaften hierzulande erlaubt sind, wird
daraus vorerst nichts.
Anstatt zu pauschalieren, halte ich mehr von differenzierenden Abstufungen. Wenn Du schon
eine Samenspende als einer entmenschlichenden Technokratie unterworfen auffasst, wo fängt
die Unterwerfung für Dich denn an? Mein Ansatz ist ja die Selbstbestimmung, die solange
erweiterbar sein sollte, wie sie die anderer nicht einschränkt. Hinsichtlich der äußeren
Natur ist das zumeist nicht möglich, das zeigt sich bspw. in der Klimakrise, von der alle
Menschen mehr oder minder betroffen sind.
Ganz anders verhält es sich, wenn es um die eigene innere Natur geht. Warum soll darüber
nicht selbst bestimmt werden können? Geht es um die ebenfalls der Technokratie
unterfallenden Schmerzmittel, wirst Du nichts dagegen haben, nehme ich an. Gegen
Ovulationshemmer wirst Du auch nichts haben. Aber warum sollen lesbische Frauen oder
solche, die von Männern genug haben, sich nicht per Samenspende einen Kinderwunsch
erfüllen können? Und warum sollen bspw. Studentinnen ihr Studium nicht durch Eispenden
finanzieren dürfen?
IT
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste -- philweb(a)lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an
philweb-leave(a)lists.philo.at