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Am 20.11.2025 um 08:08 schrieb Ingo Tessmann über
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Leibniz war auch Metaphysiker und insofern philosophisch nicht methodenkritisch wie er es
in der Mathematik war. Das „Nichts“ ist bloß wie so vieles Anderes ein Sprachartefakt.
Dabei zeigt die Mathematik so schön, wie nichts und alles ebenso wie unendlich dem
Horizont gleich als nie erreichbarer Grenzwert beliebig genau angenähert werden kann. Die
so denkbaren Verfeinerungen können auch als Geist bezeichnet werden, aber auf Worte kommt
es nicht an. Ebenso kann die romantisierte Realität als Surrealist ausgestaltet werden.
Ein Lob der künstlerischen Freiheit, die Dogmatismus ebenso vermeidet wie die Freiheit der
Wissenschaft. Warum sollten die durch Wortgläubigkeit eingeschränkt werden?
Deine absolute Hinwendung zu mathematischen Erklärungsmustern von Welt und Kosmos hat in
Anlehnung an Galileis Ausspruch „Man muss messen, was messbar ist!" und seiner zu
dieser Zeit revolutionären Erkenntnis, dass das Buch der Natur in mathematischen Zeichen
verfasst ist, volle Gültigkeit. Dem ist nichts entgegen zu stellen.
Was aber definitiv nicht messbar ist, entzieht sich somit dieser Methode und ist als
solches eben nicht empirisch nachweisbar, somit schlichtweg Metaphysik, nicht mehr - nicht
weniger.
Nicht alles ist messbar! Hat nicht Messbares damit auch keine Existenz? Mitnichten! Es
stellt sich diesbezüglich lediglich die Frage, warum es nicht messbar ist. Was nicht
messbar ist, resp. sich einer Messbarkeit entzieht, kann selbstredend auch nicht konkret,
sondern allenfalls abstrakt mathematisch beschrieben werden. Somit eben auch nicht eine
angenommene, bzw. geglaubte göttliche Wesenheit, eine als Gott benannte transzendentale
kosmische Instanz. Somit erübrigt sich jeder Versuch, diese Wesenheit mathematisch
beweisen zu wollen, lächerlich geradewegs, diesbezügliche Beweise einzufordern.
Wer also seine Sicht auf Welt und Kosmos ausschließlich auf solchermaßen nachweisbare
Fakten beschränkt, bleibt damit hinsichtlich dessen sog. überempirischer, d.h. die Physik
übersteigender Phänomene im Wortsinne beschränkt auf pure Körperlichkeit allen Seins. Die
zweifelsfrei ungeheure Vielfalt, hervorgebracht durch ebenso unfassbar vielgestaltige
evolutionäre Entwicklung reicht hin, um nicht aus dem Staunen über dieses Vermögen der
Natur hinauszukommen.
Mittlerweile sind weltweit Forschende in der Lage, signifikante Erklärungsmuster der
phänomenalen erdgeschichtlichen Entwicklung hinsichtlich ihrer biochemischen
„Building-Blocks“, insbesondere aber auch plausible Modelle zur Entstehung des Universums
vorzulegen.
Unbenommen der noch ausstehenden TOE (Theory of Everything), sofern sie jemals als
universelle Weltformel entwickelt werden kann, bleibt neben allgemeingültigen
Erklärungsmodellen zu essenziellen Wechselwirkungen (in) der Natur immer noch die Frage
nach der übersinnlichen Wesenheit dieser Lebenswelt offen. Wer sich allerdings diese Frage
gar nicht stellt, etwa weil sie sich mangels Zugang zur Metaphysik, resp. nicht gegebener
Erfahrung bezüglich derartiger Phänomene nicht ergibt, ist diesbezüglich schlichtweg
unbedarft. So what? Allerdings fehlt damit auch die Kompetenz, im Bereich der Metaphysik
irgendwelche Aussagen zu tätigen. Mit der simplen Leugnung metaphysischer Phänomene
verhält es sich damit wie bei Blinden, die es unternehmen wollten, über Farben zu
streiten.
In Abwandlung des Wittgenstein‘schen Postulats gilt dann: Was nicht messbar ist, darüber
muss man schweigen. Alles andere sind dann eben auch nur vorgefasste Meinungen, resp.
irgendwelche Worthülsen oder - wie Du zu sagen pflegst: nicht fundiertes Gelaber.
Ein „ewig fluktuierendes Nullpunktfeld“ hat in der Tat keinen Anfang und somit kein Ende,
zeitlos eben. Wo keine Zeit, da keine Materie und vice versa. Unser Universum ist
angefüllt mit Materie, zudem auch mit sog. dunkler Materie, ist somit auch einem
Zeitablauf unterworfen: Soweit bislang angenommen vom Urknall bis zum Zerfall ins
Equilibrium. Anfang und Ende eben, und um die Frage des Anfangs ging es mir, diesbezüglich
jedoch nicht um den physikalischen Anfang, sondern um dessen Verursachung:
Warum ist überhaupt etwas und vielmehr nicht nichts. Hundertfaches Schriftgut wurde
verfasst über das NICHTS und über die Entstehung aus dem Nichts.
Wortklauberei ohne Ende, dabei wäre es einfach: „Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht
verloren“. Man könnte auch sagen: Wo nichts ist, braucht es auch keinen Kaiser. Religiöse
könnten diesbezüglich ableiten: Wo nichts ist, braucht/gibt es auch keinen Gott. Da aber
erkennbar etwas ist, muss es einen Anfang gehabt haben und daher: Am Anfang war das WORT,
also etwas Immaterielles somit Geistiges- Gott.
In biblischer Erzählung vom Anfang durchaus nachvollziehbar: „Die Erde war wüst und wirr
und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser, und Gott
sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott
schied das Licht von der Finsternis, usw.
Man muss kein Gläubiger, kein Frömmler oder sonstig in dieser Richtung gearteter
Zeitgenosse sein, um diese metaphorisch angelegte Erzählung als erstaunlich
realitätsbezogen zu erkennen. Religion trifft Naturwissenschaft und bedürfte diesbezüglich
keiner Metaphorik mehr. Die Sprache heutiger Religion muss/kann sich endlich erneuern,
dies ohne die Notwendigkeit, ihren ursprünglichen Kern zu verleugnen: „Religare“ als die
Rückbindung, resp. Rückbesinnung, d.h. die Selbst-Bewusstwerdung des Menschen, sich als
ein geistiges Wesen in Welt und Kosmos zu erkennen und als solches grundsätzlich befähigt,
am kosmischen Geist, resp. an Gottes Geist zu partizipieren.
Soweit so kompliziert, so unergründbar, wenn man so will.
KJ