Am 09.03.2024 um 12:47 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>
Vor kurzem habe ich mir Bohms „Die implizite Ordnung“ wieder hervorgeholt, ein im
Goldmann-Verlag 1987 unter dem Label „New Age“ erschienenes Taschenbuch. Kann es sein,
dass wir beide zumindest auf sein Denken bezogen, Kongruenzen in unseren Denkmustern
haben? Für mich zählt er nach wie vor zu den Menschen, die wirklich verstanden haben, um
was es im Leben geht und was es damit auf sich hat.
Und bezogen auf Waldemars jüngst hier vorgebrachte These, wonach keine Naturgesetze
existierten, finden sich in Bohms Ausführungen im Anhang des benannten Buchs die passenden
Antworten: „implizite und explizite Ordnung im physikalischen Gesetz“. Dazu möchte ich
mich demnächst hier noch äußern.
Moin Karl,
ja, Bohm könnte in der Tat Gemeinsames zwischen uns zu Tage fördern. Ich hatte den
Kritiker der orthodoxen Kopenhagener Interpretation der QM im physikalischen Seminar zur
Quantentheorie kennengelernt. In den Standard-Vorlesungen wurde er damals nicht erwähnt.
Er hatte ja bei Oppenheimer in Berkeley promoviert und in Princeton mit Einstein
zusammengearbeitet. BBB (de Broglie, Bohm, Bell) gelten heute als Gralshüter der
klassischen Physik Einsteins. Mit der Ausarbeitung einer deterministischen Quantentheorie
im Anschluss an Relativitätstheorie und Photonenhypothese begann 1923 bereits de Broglie.
Sein Ansatz wäre schon Kindern möglich gewesen; denn was mag wohl folgen aus E = h f und E
= m c^2 für den Impuls eines Photons, wenn neben der Frequenzbeziehung h f = m c^2 auch
die mechanische Impulsbeziehung p = m c angenommen wird? h f = p c. D.h. p = h f / c.
De Broglie schreibt dazu in seiner INTRODUCTION TO THE STUDY OF WAVE MECHANICS:
"Einstein, in developing his idea, has shown that if the hypothesis of light
corpuscles or light quanta be accepted, it is necessary to attribute to each of these
corpuscles a momentum p = h f / c together with energy E = h f. These two relations define
mechanically the light corpuscle of frequency f.“ Die „Führungswelle“ de Broglie’s
verallgemeinerte Schrödinger zur Wellenmechanik und Dirac zur Wellenelektrodynamik. In
Unkenntnis der Arbeiten de Broglie’s veröffentlichte Bohm dann 1952 "A Suggested
Interpretation of the Quantum Theory in Terms of “Hidden” Variables, I and II.“ Neben der
Führungswelle führte er darin auch ein Quantenpotential ein, mit dem er wieder an die
Potentialtheorie der Newtonschen Mechanik anknüpfte und das ganze Brimborium um die sog.
Moderne Physik hätte beenden können, wenn die Kopenhagener Ideologie die Köpfe der
Forschenden nicht schon vernebelt hätte.
Soweit war mir Bohm als unerschrockener Ideologiekritiker sympathisch. Aber dann geriet er
mit dem indischen „Weltlehrer“ Jiddu Krishnamurti auf die schiefe Bahn; denn 1971
erschien: "Quantum Theory as an Indication of a New Order in Physics“, in der es auch
um die "Implicate and Explicate Order in Physical Law“ ging. Abstract: "In this
inquiry, we are led to suggest that the quantum theory indicates the need for yet another
new order, which we call "enfolded" or "implicate.“ One of the most
striking examples of the implicate order is to be seen by considering the function of the
hologram, which clearly reveals how a total content (in principle extending over the whole
of space and time) is "enfolded" in the movement of waves (electromagnetic and
other kinds) in any given region. We then come to the notion that the quantum theory
indicates that this implicate order is not merely a dependent or fortuitous feature of the
content, but rather, that it should be considered as the independent ground of existence
of things, while the ordinary explicate order is what should be considered as dependent.
Finally, in the appendix we point out how the implicate order is expressed naturally in
terms of an algebra similar to that of the quantum theory, which is, however, subject to
generalizations going beyond the limits of what has meaning in this theory.“
Bei „Einfaltung“ kommt Dir wohl auch sogleich das Faltungsintegral in den Sinn. Im Anhang
aber heißt es unter "Algebra and the Holomovement. We begin our exploration of the
algebraic mathematization of the general language by calling attention to the fact that
the primary meaning of an algebraic symbol is that it describes a certain kind of
movement.“ Daran könnten wir anknüpfen, wobei ich wieder auf die implizite / explizite
Ordnung in Verbindung mit meinem Bedenken der Innen- / Außenwelt gekommen war. Und um „Die
Faltung der Welt“ geht es auch in "The folding of art: avoiding one’s past in finite
space“, 2022 by Anders Levermann: "As a motivation for the model we suggest the path
of society in search for cultural innovation. It can also be considered a paradigmatic
system for infinite economical growth on a finite planet with finite resources. The
equations themselves resemble those of a relativistic description of a charged particle
via the Lienard-Wiechert potential, in which the electron is repelled by its own
trajectory. But these are merely illustrations of possible applications. The main result
is the complexity that arises from a spatial confinement of infinite growth.“ Unendliches
Wachstum innerhalb endlicher Grenzen ist genau das, was erstrebt werden sollte.
Mathematisch und physikalisch ist das möglich. Aber wie viele werden da mitmachen?
IT