Am 2. September 2018 um 21:24 schrieb K. Janssen via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Die hinter diversen Moraltheorien stehenden
Psychologismen sind für mich
wesentlich interessanter, als eben die Kategorisierung ersterer.
Das erinnert mich ein wenig an Nietzsche, der ja auch die
tiefenpsychologischen Bedingungen der Moral erforschen wollte.
Allerdings standen ihn damals nicht die Begriffe oder Modelle zur
Verfügung wie heute. Der "unzeitgemäße" Nietzsche war in einigen
Punkten eben doch ein Kind seiner Zeit.
Wobei mir dieser tiefenpsychologische Ansatz nicht unbegrenzt
plausibel erscheint. Hier haben wir es mehr mit Deutung als mit
Erkenntnissen zu tun. Das dürfte Nietzsche nicht gestört haben und
sollte mich vielleicht auch nicht.
Eine mögliche Antwort gibt Horkheimer selbst:
"Das Fehlen eines
vorbestimmten Auswegs ist gewiss kein Argument gegen einen Gedankengang".
Dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Ich denke, es gibt keine Alternative zur Vernunft;
allemal aber zu eben zu
ihrer kritikwürdigen instrumentellen Ausprägung, die sich als ein
formalistisches, eben instrumentelles Denken, als rein technologische
Rationalität zeigt. Dadurch wurden und werden immer noch weitere Teile der
Gesellschaft Produktions- und Marktmechanismen unterworfen, wo der
arbeitende Mensch seiner Profession (wie etwa noch im Handwerk zu finden)
beraubt, seine Arbeitsleistung nur noch als Mittel zum Zweck (also der
Produktion von Massenkonsumgütern und Vermehrung von Kapital in den Händen
Weniger) sehen muss.
Hier muss ich Zweifel anmelden.
Dass der Mensch seiner Profession beraubt wird, ist so nicht
zutreffend. Wo Fachwissen erforderlich ist, wird man dieses nicht
einfach beliebig erzeugen können. Davon abgesehen aber:
Dass die menschliche Arbeitsleistung mehr sein soll als ein "Mittel
zum Zweck", erinnert mich an gewisse Formulierungen, die quasi
aussagen, dass die Arbeit wieder als irgendwie libidinös betrachtet
wird. Das halte ich erstens für extrem fragwürdig, weil ich nicht
recht glauben will, dass irgendein primitiver Menschn seine harte
Arbeite sprichwörtlich "mit Lust" getan hat.
Zweitens hielt ich das auch für etwas "krankhaft". Die Lust sollte
doch eigentlich von anderer Seite ausgehen.
VIelleicht hat man im Mittelalter offiziell geglaubt, dass jeder Stand
durch seine Arbeit einen Teil des göttlichen Willens erfüllt.
Doch ist das inzwischen unglausibel geworden. Jemanden nun zu sagen,
dass er ja z. B. am Fließband, einen wichtigen Dienst an der
Gesellschaft tut, führt meines Erachtens zu recht zu der Rückfrage,
was denn nun der Wert dieser Gesellschaft sei.
Hier denke ich, gäbe es dennoch Alternativen, die den
arbeitenden Menschen wieder
wirkliche Wertschöpfung sowie die Würde ihrer Profession zurückgeben.
Wer in der Fabrik steht und dort nur bestimmte Maschinen bedient, der
wird das eher als Hohn empfinden.
Dort ist eben keine "Würde der Profession" oder etwas schöpferisches
auszumachen.
Schöpferisch tätig ist ja eher der Ingenieur, welcher die Pläne für
die Maschine macht und "Würde" ist wieder so ein Wort. Was ist
"Würde"? Eigentlich - man korrigiere mich, wenn ich falsch liegen
sollte - bezeichnet dieses Wort ja die /Vornehmheit/ der
Hochwohlgeborenen. Die ist natürlich in unserer bürgerlich-egalitären
Gesellschaft verschwunden. Ein Begriffe wie "Würde des Menschen"
scheint mir dagegen auf etwas anderes zu referieren udn das läuft auf
nicht viel weniger als die Menschenrechte hinaus.
Es scheint mir aber eine verwegene Behauptung, allein die Arbeit in
einer Fabrik laufen den Menschenrechten entgegen. Ganz besonders, wenn
diese freiwillig ergriffen wird.
Dieselverbot, Veggy Day, (Trans)Gender,
"pc", Christopher Street usf.; für
mich sind das keine Problemfelder, der sich derartige politische
Gruppierungen vornehmlich annehmen müssten, wenn es ihnen wirklich um
umwelterhaltende Maßnahmen resp. dementsprechend politische Veränderungen
geht.
1. Das ist sehr zweckrational gedacht.
2. In unserer heutigen Gesellschaft wird zumeist der Eindruck erweckt,
das gehört "irgendwie" alles zusammen. Egal ob es um die
Gleichberechtigung einer bestimmten Gruppe geht oder um die Rettung
des Planeten. Dieser Annahme kann man zustimmen und man kann sie im
Einzelfall sehr wohl diskutieren, aber im Grunde impliziert das doch,
dass es keine Zielkonflikte geben kann.
Wer zum Beispiel einen Widerspruch zwischen sozialer Gerechtigkeit und
ökologischen Wirtschaften auszumachen glaubt, der hat sich getäuscht,
wurde geblendet, weil er nur die konkrete, "verunreinigte" Umsetzung
durch die aktuelle Politik sieht. (Ich möchte an dieser Stelle noch
einmal betonen, dass ich hier keine inhaltliche Stellungnahme zu
diesen beiden Thesen aufstellen will.)
Es wird aber niemals begründet, wieso es keine solchen Zielkonflikte
geben sollte. Widerspricht etwa die Bevorzugung einer bisher (echt
oder scheinbar) benachteiligten Gruppe nicht dem Prinzip der
Gleichbehandlung? Ist ein Vorzug, z. B. eine Quote bei Besetzung von
Aufsichtsräten, nicht auch als ein Almosen zu betrachten? "Wir wissen,
ihr schafft es ja nicht allein durch Leistung und deshalb schenken wir
euch etwas".
Um den Einwand vorwegzunehmen: Ja, alle Leistung nützt nichts, wenn
diese erst durch andere Leute anerkannt werden muss. Nicht alles lässt
sich durch irgendwelche standardisierten Testverfahren (IQ-Test bei
Einstellungsverfahren) abbilden. Vielleicht sogar weniger als man
glaubt. Grade bei solchen Posten wie Aufsichtsräten kommt es nicht
allen auf die rein fachliche Eignung oder die Intelligenz der
betroffenen an, sondern diese Leute dienen als Interessenvertreter -
der Aktionäre vor allem, aber auch der Mitarbeiter.
Die Quote scheint mir fast als vergiftetes Geschenk, als Herabwürdigung.
Es gibt Alternativen dazu. Etwa anonymisierte Bewerbungsverfahren, in
denen nur die Leistung zählt oder ein Losverfahren zwischen allen
Individuen, die eine bestimmte Vorqualifikation erreichen.
[...]und niemals wird die gewählte Art der Agitation
dagegen wirksam sein.
Nur ein Wort zur Dieselaffäre: Wir sind es gut gewohnt, fast nur die
eine Seite zu hören. Sehr vereinzelnt hört man Techniker und
Fachleute, die sagen, dass die Quoten von vornherein so nicht
erfüllbar waren.
Natürlich wird das niemals der Standpunkt der Großunternehmen sein.
Beim Dieselverbot ist ja etwas sehr viel interessanteres passiert. Man
bemüht sich nicht um Agitation oder Progaganda. Man muss nur einen
Richter klarmachen, dass nach den bestehenden Gesetzen ein Verbot
notwendig wird.
Das Thema könnte ich jetzt zur Abhandlung auswalzen, wenn man mir 4
Wochen Zeit und Zugang zu unbegrenzten Quellen verschaffen würde.