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Am 29.04.2022 um 16:30 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 29.04.2022 um 05:18 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Hier noch einige Gedanken zwischendurch zum Thema:
Eigentlich drehen wir uns bezüglich der Raumbetrachtung auch etwas im Kreis bzw. drohen,
in die von Dir, Info, verschmähten Wiederholungen zu verfallen.
Das ist jedoch kaum zu vermeiden, da die lebenspraktisch einfach anmutenden Definitionen
von Raum/Zeit und der darin erfolgenden Bewegung, hinsichtlich ihrer
(erkenntnis)theoretischen Zusammenhänge jedoch in hochkomplexe Denkmuster ausarten
(können).
Hi Karl,
solange Du metaphysisch auf so etwas wie eine Substanz Zeit insistierst,
Dieses eben genau nicht! Wie kommst Du nur darauf? Allenfalls ist diese Fehlinterpretation
für mich erklärlich, dass Du mir gegenüber (im Zweifel) immer metaphysische Denkmuster
„ankreidest“ und ich es obendrein offensichtlich nicht vermag, meine Vorstellungen von
„Gott und der Welt“ verständlich zu formulieren. Nun sehe ich nochmal kurz auf das von mir
diesbezüglich zuletzt Geschriebene zurück - ich schrieb (auf Barbours Leugnung von Zeit
„The End of Time“ abhebend):
Seitens der Physik erscheint es mir verwegen (wenn nicht absurd), Zeit als entsprechende
Größe (wenngleich - im Mikrokosmos- nicht fundamental) zu leugnen. Man wird mit Fug und
Recht das Vorhandensein von Materie resp. Energie und damit von der Gültigkeit deren
Äquivalenz ausgehen können (e =mc^2).
Daraus ist doch keinesfalls zu entnehmen, ich würde der Zeit „Substanz“ als fundamentale
Eigenschaft zuschreiben. Soweit ich es erinnere, habe ich zu diesem Thema mehrfach
geschrieben, dass Zeit keine fundamentale Größe in der Physik ist, womit jedoch
keinesfalls ausgedrückt sein soll, dass sie (in den üblichen Betrachtungen zur Raumzeit)
keine wesentliche Rolle spielen würde. Wenn Newton seine unwiderlegbaren Bewegungsgleichen
mit der Zeit als eigene Dimension ausführt, so ist dieses Postulat doch nicht mit
Einsteins Relativitätstheorie widerlegt sondern schlichtweg nur ergänzt. Lebenspraktisch
empfinden und handeln Menschen nicht entsprechend einer allgegenwärtigen Erfahrung von RZ
sondern der von dreidimensionaler Newtonwelt plus (als separat empfundene) Zeitdimension.
„Zeit ist, was man auf der Uhr abliest“ verkürzte Einstein die blutleeren Diskussionen um
den Zeitbegriff. Und was man auf der Uhr abliest, ist doch nichts anderes als ein
getaktetes Zeitmaß für Veränderung.
Wenn man, wie Barbour jedoch jegliche Vorstellung von Veränderung resp. Bewegung und damit
von Zeit als Illusion abtut, wüsste ich nicht zu sagen, was man von der mit
Licht/Frequenz/Zeit verknüpften Äquivalenzbeziehung: e=mc^2 eigentlich ableiten soll.
Es bleibt dabei für mich dabei: entweder habe ich nichts von all dem begriffen, was hier
über Energie/Materie und deren fortwährende Änderung pro beliebigem Zeitabschnitt
(Entropie) geschrieben wird oder Ich liege nicht falsch, wenn ich Barbours Postulat von
der Nichtexistenz einer Zeit eher im Bereich von Esoterik (seine Vorstellung von
Allverbundenheit), bestenfalls nich als Metaphysik ansiedle.
Soweit für den Augenblick diese eben hingeworfene Replik - beste Grüße! - Karl
PS. Zum anderen Einwand muss ich später kommen - aus Zeitgründen (sic!)
suchst Du zur Vermeidung kognitiver Dissonanz in Mathe
und Physik lediglich nach Bestätigungen und verwirfst Widerreden Deines Vorurteils.
Insofern brauchen wir uns in der Tat nicht weiter auszutauschen; denn das liefe auf
leidige Wiederholungen hinaus.
So hatten wir hier über HOTT „Homotopy Type
Theory“ geschrieben, eine Theorie, die ja geradewegs in diese abstrakten Denkmuster von
Raumbetrachtung führt und die stetige! Deformation eines „Raumsegments“ als Transformation
topologischer Räume A —>B vor allem unter der Vorstellung von „zeitlicher Veränderung“
anschaulich macht. Und genau diese „Vorstellung“ könnte man als die „Illusion von Zeit“
ansehen, wie es Barbour postuliert.
Bei rein geometrischer Betrachtung dieser transformatorischen Deformation (also die
stetige Deformation zwischen zwei Abbildungen eines topologisches Raumes in einen anderen
- analog zu gravitatorisch bedingter Form/Raumänderung in der RZ) kann man aus dieser
Äquivalenzrelation auf eine relative Homotopie übergehen, wo sich dann (als Spezialfall)
eine Zeitunabhängigkeit ergibt, wenn zwei stetige Abbildungen (topologische Räume) homotop
relativ zu einem sie tragenden Raumseqment sind.
In der Mathematik geht es bei Transformationen nicht um Zeit, sondern bloß um zeitlose
bzw. instantane Strukturbeziehungen, die sich lediglich operativ durch Mensch oder
Computer als zeitbeschränkt erweisen können. Und in der Physik ist es hinsichtlich einer
adäquaten und konsistenten Quantengravitation noch offen, ob eine Zeitsubstanz in ihr
wesentlich sein wird.
Derartige Zusammenhänge sind hier kaum in einer
Mail sinnvoll darstellbar. Mir kommt es nur darauf an, auf diese Zeitunabhängigkeit in
besonderen Fällen hinzuweisen. Das trifft aber nur auf spezielle Fälle der relativen
Homotopie zu und kann m.E. nicht Grundlage dafür sein, den Zeitbegriff (also Zeit an sich)
als nichtexistent zu postulieren.
Doch können wir hier gerne noch weiterhin über Zeit „laut nachdenken“. Ich bin nach wie
vor von der Ambiguität und der damit verbundenen Unzugänglichkeit des Zeitbegriffs
überzeugt, jedoch keinesfalls vom Postulat der Zeit-Leugnung. Das ist ja geradezu mein
Beweggrund gewesen, hier grundsätzlich über den Zeitbegriff zu schreiben.
Was ich an der Shape Theory (ST) ebenso wie bspw. an der LQG interessant finde, ist, dass
sie über die Raumzeit-Invarianz der ART hinausgehend den Horizont auf eine allgemeine
Hintergrund-Unabhängigkeit erweitern, die auch die QT einschließt. Deshalb sind die in der
LQG grundlegenden Spin-Netzwerke ja auch zeitlos strukturell gedacht, ebenso wie die aus
ihnen entwickelbaren Flächen- und Volumen-Operatoren. Und in der ST ist das Universum als
Ganzes der Hintergrund, auf den bezogen dann selbstkonsistent in bester Annäherung die
Strukturtransformationen bezogen werden.
IT