Hi JH,
genau genommen hat jedes Wort so viele Bedeutungen wie es Menschen gibt. Deshalb halte ich
es für sinnvoll, sich innerhalb einer Fachgemeinschaft oder thematisch benannten Liste auf
ein Grundverständnis beziehen zu können, weshalb ich in einer an der Philosophie
orientierenden Liste davon ausgehe, dass Wörter nicht selbstbezogen, sondern
quellenorientiert verstanden werden. Für das Wort Kapitalismus bedeutet das den Bezug auf
Sombart; geht doch die Bezeichnung `Kapitalismus’ auf Werner Sombarts Hauptwerk `Der
moderne Kapitalismus' von 1902 zurück. Lange bekannt waren der aus den Aktivitäten der
Handels- und Bankhäuser hevorgegangene Handels- und Finanzkapitalismus.
Mir geht es nicht darum, von irgendwem irgendwie verstanden zu werden, ebenso fremd sind
mir Selbstdarstellung und Propaganda. Populisten und Demagogen, Werbefuzzis und
Versicherungsvertreter sind natürlich daran interessiert, ihre Wörter so zu wählen, dass
möglichst viele Deppen manipuliert werden und den vielen überflüssigen Scheiß kaufen oder
ihren Parolen nachlaufen. Mit meinem quellenorientierten Verständnis bin ich wohl auch
hier in der Liste nach wie vor eine Ausnahme. In einem Lehrbuch zur Volkswirtschaftslehre
ist im Vorwort — wohl zur Unterhaltung der Studis — zu lesen: „Der Unterschied zwischen
Kommunismus und Kapitalismus: Im Kommunismus verstaatlicht man Banken — und sie gehen
pleite. Im Kapitalismus gehen die Banken pleite und man verstaatlicht sie.“ Ja, im
Kapitalismus werden Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert.
IT
Am 06.09.2022 um 12:21 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Zu der Verwendung von Wörtern habe ich gerade etwas gefunden, nachdem Ingo mich fragte,
warum ich das Wort nicht brauche. Nun kommt die Antwort mit ganz einfachen Hinweisen.
Zuerst suchte ich nach Mammonismus und fand (
https://de.wikipedia.org/wiki/Mammon) Der
Bezug zu Jesus von Nazareth ist dort zu finden, nur der Satz, man könne keine zwei Götter
anbeten, sagte Sokrates schon, allgemeiner, und zwar von der Psyche her könne man nicht
das Gute anpeilen und dann noch den Profit. Das Lemma Mammon wird eher abwertend
gebraucht, das Wort Kapitalismus auch. Eine Zwischenfrage: Warum wird das Wort Mammonismus
selten verwendet, das Wort Kapitalismus jedoch sehr oft. Nun ging ich dieses nachschauen
(
https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus). Komisch erscheint es mir, dass im Artikel
das Wort Mammonismus nicht vorkommt, jedoch zumindest ein Satz steht dort, nach dem eine
der Bedeutungen abwertend ist. Und nun kommt das Interessante, was mir so nicht bekannt
war, dort im Artikel im Absatz "Wahrnehmung", nämlich der Verweis auf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Essentially_Contested_Concept Dort gibt es dann Kriterien,
mit denen alle Wörter geprüft werden könnten. Höchst interessant, oder nicht? Weil hier im
Philweb so ziemlich zu allem auf die beste Literatur zu einer Sache und zu den besten
Papers dazu gegeben werden kann, die Stochastik angeführt wird, um das alles besser zu
verstehen, frage ich nach diesen, und nach dem Wort zu ECC dazu im Deutschen. Und wie ist
es mit den Wörtern, mit denen automatisch zu dem, was mit ihnen gedacht werden soll, dazu
eine positive Bewertung mit gedacht werden soll. Wie nennt man diese Wörter? Kultur wäre
so eins, Wissenschaft, Religion. Hier wäre die englische Wendung "Essentially favored
Concept" ein Gegenstück, die ich hiermit nur hinschreibe, ich müsste jetzt nach EFC
suchen, und würde sicher das nicht finden, ich habe sie schließlich erst hier erfunden.
JH
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