Am 3. November 2023 17:30:00 MEZ schrieb "Rat Frag über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
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Am Mi., 1. Nov. 2023 um 19:28 Uhr schrieb Claus Zimmermann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
IT hatte auf den Satz des verbotenen Widerspruchs
angespielt und zwar als eine Norm oder Vorschrift und nicht als ein
unumstössliches Denkgesetz, was im Wort "sollen" ausgedrückt ist. Die
Vorschrift bezieht sich auf die Verwendung
des Worts "nicht", das ja aus einem wahren Satz einen falschen macht und
umgekehrt.
Und warum soll das so sein?
Dazu gab es eine gute Stelle bei Wittgenstein. Philosophische
Untersuchungen, §§ 547 - 558
Dort insbesondere §556 c.
Es ist nicht unplausibel, den Satz vom Widerspruch als eine Folge der
Definition der Negation aufzufassen. Die "klassische Logik" fast die
Negation als 180° Wende auf, die nichtklassischen Logiken haben
demnach eine andere Auffassung des selben Zeichens. In der
mehrwertigen Logik gibt es die Gödelnegation, die sehr dem Verhalten
der klassischen Logik ähnelt und die eine Formulierung analog zum
Widerspruchssatz zulassen würde, während eine Negation die grob
einfach umkehrt etwas anderes erzeugt.
Weil nur dann Sätze Sachverhalte abbilden können.
Dazu müssen sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, könnten also
möglicherweise auch nicht mit ihnen übereinstimmen, aber es muss vereinbarungsgemäss
ausgeschlossen sein, dass sie gleichzeitig im
gleichen Sinn mit ihnen übereinstimmen und nicht übereinstimmen.
Dass nur Sätze Sachverhalte ausdrücken und nur diese Träger von Wahr
oder Falsch sein können, ergibt sich aus der mathematischen Logik.
Ob das jedoch die beste Beschreibung dessen ist, wie wir Wahrheit im
Alltag "erleben"?
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Von mathematischer Logik verstehe ich nichts. Ich bin davon ausgegangen, wie wir reden
unter Berücksichtigung von ein bisschen Aussagenlogik, deren Grundlagen ich gerade eben
noch kenne.
Natürlich könnte man die Verneinung wie jedes Zeichen so oder anders definieren.
Wittgenstein bringt ja das Beispiel der doppelten Verneinung. Sie könnte eine besonders
entschiedene Verneinung sein wie ein wiederholtes Kopfschütteln oder eine verneinte,
zurückgenommene Verneinung.
Ich glaube aber nicht, dass wir unabhängig von solchen Details auf das ja,ja,nein,nein und
nicht beides gleichzeitig im gleichen Sinn verzichten möchten. Es steckt doch in jedem
Abbild, ob es ein gezeichnetes oder sprachliches ist. Es kann zutreffen oder nicht, aber
nicht beides gleichzeitig im gleichen Sinn. (Ähnliches gilt für Aufforderungen wie
"Tu das, aber lass es!") Wollen wir auf die Möglichkeit verzichten, Abwesenden
ein Bild der Lage vermitteln zu können?
In der Quantenwelt hat man es dagegen vielleicht weniger mit Tatsachen oder abbildbaren
Sachverhalten als mit Wahrscheinlichkeiten zu tun. Wenn das so sein sollte, wären die
Aussagen nicht wahr oder falsch, sondern mehr oder weniger wahrscheinlich. Aber immerhin
sollten Aussagen über Wahrscheinlichkeitswerte zutreffen oder nicht und nicht nur mehr
oder weniger wahrscheinlich sein. In der Quantenphysik scheint man diese Sprachform also
noch zu brauchen.
Es scheint also nicht irgendeine Sprachform zu sein, sondern eine ganz elementare.
In Ansätzen findet man das schon bei anderen Tieren, wenn sie z.B. so tun, als sei
irgendwo Futter zu finden, um von der wirklichen Futterstelle abzulenken. (Ausgedachtes
Beispiel, aber ähnliche Fälle gibt es, glaube ich, wirklich.)
Man achtet im Alltag schon auf die Unterscheidung zwischen Wahrheit, Irrtum und Lüge. Aber
wir reden sicher auch in anderem Sinn von Wahrheit. (Z.B. PU 544: "Man könnte hier
aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten Wahrheit.")
Claus