Am 20.01.2022 um 21:46 schrieb K. Janssen via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
… Jedenfalls ging es in diesem
Gödel-Wettbewerb um Zeitreisen und damit um die Frage, ob diese
überhaupt, also grundsätzlich möglich sind. Und auch bei dieser Frage
kommt es auf die (Zeit-)Dimension an.
Hi Karl,
Gödel war Mathematiker und in der Mathematik kommt es nur auf die Formalismen an. In
seinem rotierenden Universum sind im Rahmen der ART Zeitreisen möglich und er hatte zur
Verblüffung seines Freundes Einstein 1949 den Beweis dazu geführt in: "An example of
a new type of cosmological solution of einstein's field equations of gravitation.“ In
der Physik geht es neben den Formalismen auch um die Experimente und danach leben wir
nicht in einem Gödel-, sondern in einem Einstein-Universum.
Darüber hinaus kann man natürlich romanhaft über Zeitreisen schreiben, Romane werden dann
aber meistens so vieldeutig wie es die Umgangssprache ist. Um den Faden wieder mit dem
Tread zu verbinden, kann man es besser zu machen versuchen als die vielen Phantasten. Das
hat jedenfalls Broch besonders in seinem Roman „Die Schuldlosen“ gemacht; denn wer nur so
daherredet gleicht eher einem Schlafwandler; der dann überrascht erwacht, wenn er sich
nach dem Schritt über die Klippe im freien Fall befindet. So lässt sich auch der Gang der
Menschheit spätestens seit „Die Grenzen des Wachstums“ von vor 50 Jahren deuten; denn nach
wir vor schlafwandeln fast alle Menschen so weiter.
Nun doch endlich zurück zur Zeitreise meiner
Krippenfiguren. Mein Sohn
schlüpfte in die Rolle des Laplaceschen Dämon und klebte in mühseliger
Kleinarbeit die Figuren wieder zusammen. Man muss schon sehr genau
hinsehen, um die Bruchstellen zu erkennen. Es war also eine hinreichend
erfolgreiche Zeitreise für das Christkind samt seiner Elternteile und
all seinen Bewunderern, gleich ob Mensch oder Tier. Offensichtlich war
der Komplexitätsgrad dieses Unternehmens noch hinreichend zu
beherrschen; diesen für mich erschreckenden Film konnte man also
rückwärts abspielen, es war quasi ein Spiel mit Materie. Doch gibt es
ein Spiel mit Zeit - eben diese rückwärts laufen zu lassen? Welche Rolle
spielt Zeit an sich? Wie gesagt, dazu werde ich vielleicht in Kürze hier
schreiben, wohl wissend, dass dieses eigentlich unnötig ist, da in all
den Jahrtausenden bisher und besonders noch in diesen Zeiten
abertausende Seiten darüber geschrieben wurden. Und wiederum - wie
gesagt: man muss sich aus diesem "Gestrüpp" erdrückender Fachliteratur
befreien, um abseits dieses unzähligen Schriftguts eine hinreichend
plausible Antwort (für sich und vielleicht sogar für andere) zu finden.
Da bin ich gespannt, wie Du befreit vom Fachwissen bloß umgangsprachlich irgendetwas über
„Zeit“ schreiben wirst, das über Alltagsbanalitäten hinaus gehen wird. Hinsichtlich
Deines Krippen-Missgeschicks empfehle ich Dir den Roman „Maxwells Dämon“ von Steven Hall
(falls noch nicht gelesen). Der geht darin auch der Frage nach, woher denn wohl der Engel
und der Ochse zur Krippe gelangten. War da womöglich ein Dämon im Spiel? So wie der Dämon
in der Lage ist, Gasmoleküle zu sortieren, gelingt ihm natürlich auch das Sortieren von
Buchstaben, so dass er sogar hinter „Gottes Worten“ in der Bibel stecken könnte.
Befreit vom Fachwissen halte ich es auch für müßig, über geometrische Punkte zu
fabulieren. Seit Hilberts Buch „Grundlagen der Geometrie“ von 1899 betreiben die meisten
Mathematiker Geometrie axiomatisch. Und danach sind geometrische Objekte schlicht das, was
den Axiomen genügt. Eine kommentierte Ausgabe hat Klaus Volkert 2015 bei Springer
veröffentlicht. Darin befindet sich auch Hilberts vielzitierte Bemerkung: „Man muss
jederzeit an Stelle von „`Punkt, Gerade, Ebene'‚ `Tische, Stühle, Bierseidel'
sagen können.“
Die Minderheit der methodischen Konstruktivsten hält natürlich nichts vom Axiomatizismus
und Lorenzen bspw. „ideiert“ ja Punkt, Gerade und Ebene aus den Ecken, Kanten und Flächen
von hinreichend gut bearbeitbaren Gegenständen, um dann von den Herstellungsmängeln
absehen und in der Theorie nur noch von Punkten, Geraden und Ebenen reden zu können. Aber
darüber haben wir uns bereits vielfach in dieser Runde ausgetauscht — und ich wundere mich
über die offensichtlich umgreifende Vergesslichkeit und die zunehmenden
Wiederholungszwänge. Vergreisen wir hier vielleicht?
IT