Hallo Waldemar,
wenn du meine Ausführungen falsch findest, gehst du in der Praxis von dem aus, was du
theoretisch bestreitest. Nein, das ist kein rhetorischer Trick, sondern zeigt, wie
fundamental diese Kategorien in der Sprache sind. Es gibt auch andere Wahrheitsbegriffe -
mir ist z. B. "Die Wahrheit kann nicht in Sätzen gelehrt werden" eingefallen -
aber darum dürfte es hier nicht gehen.
Natürlich beziehen sich Aussagen ihrer Form nach auf Gegenstände, häufig auf mehr oder
weniger konkrete Situationen, die ruhig auch frei erfunden sein können.
Mit der "Frage", ob der Apfel "an sich" eine Farbe "hat"
oder ob sie "im Auge des Betrachters" liegt oder "situativ in ihm
entsteht" (so viele Anführungszeichen gibt es gar nicht, wie ich hier zur Markierung
hoch problematischer Ausdrücke brauche) hat das nichts zu tun. Die empirischen Bedingungen
des Sehens werden natürlich nicht bestritten.
Grüsse, Claus
Waldemar Hammel via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> schrieb:
Am 20.10.2016 um 15:37 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
Wenn man Wahrheit als eine Eigenschaft von Sätzen auffasst - ....
lieber claus,
wahrheit kann keine "eigenschaft eines satzes" sein, denn
- begriffe wie wahrheit, schönheit, usw sind abstrakte platonische universalia, oder
sprachlich ausgedrückt, reflexionstermini = versubstantivierte adjektive, die keine bezüge
haben = das wort "schön" kann sich auf ein konkretum x beziehen, das ist
schlüssig, aber "schönheit (an sich)" bezieht sich auf nichts konkretes.
- und entsprechend kann ein satz x im hinblick (bezogen) auf eine situation y
"wahr" sein (oder unwahr, halbwahr, usw), das ist: "wahr" ist keine
eigenschaft des satzes x, sondern "wahr" entsteht daraus, dass und falls ein
satz x sich auf ein y bezieht.
dem satz x ohne einen konkreten bezug lässt sich keine eigenschaft zwischen
wahr-....-unwahr zuschreiben.
schematisch:
satz-x < wahr bis unwahr > bezug (referens),
die eigenschaften w/f entstehen erst aus dem bezug eines satzes auf etwas, auf ein
referens.
mit physik hat das insoweit zu tun, als eigenschaften stets aus wechselwirkungen
"emergieren" = eigenschaften werden von wechselwirkungen erzeugt.
bedeutet: die vermeintlich AN dingen wahrgenommenen eigenschaften, sind garnicht an/in den
dingen, sondern ihnen nur nach wechselwirkungen als vermeintlich dauerhaft
beigelegt/aninterpretiert.
wenn ich wahrnehmungs-wechselwirkung und kontext ausblende, kann ich zb sagen "da ist
ein roter apfel" (und ist auch da, wenn ich nicht hingucke usw).
in wahrheit ist der apfel, mit eigenschaft "rot", aber nur in den folgenden
kontexten da:
- wenn er vom spektrum sonnen licht beleuchtet wird
- wenn ich ihn mit menschenauge betrachte, das für die frequenz xy sensibel ist
ein insektenauge mit uv empfindlichkeit wird im sonnenlicht den für mich roten apfel
vielleicht violett sehen, ein im sonnenlicht-spektrum für meine augen roter apfel ist in
rotem licht für meine augen: weiss, in grünem licht: schwarz, etc
bedeutet: die eigenschaft "rot" ist keine dem apfel eingeborene eigenschaft,
sondern entsteht als eigenschaft, als semantik, aus der wechselwirkung
"apfel-licht-augen".
und genauso entstehen auch die eigenschaften von sätzen ...
(ein satz, der sich nicht auf einen kontext bezieht, hat keinerlei über ihn hinaus
weisende eigenschaften).
der begriff "eigen-schaft" ist irreführend, weil er die wechselwirkungen- und
kontexte- relevanz der entstehung des vermeintlich
"(einem objekt) eigenen" ausblendet.
ich grüße Dich,
wh
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