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Am 04.06.2021 um 01:21 schrieb waldemar_hammel
<wwr.hammel(a)gmail.com>om>:
Am 03.06.2021 um 22:42 schrieb Karl Janssen:
(ich hatte noch lehrer-physik, gymnasium
mittelstufe und oberstufe, die bezweifelten die existenz von atomen !)
In welchem
Bundesland bist Du denn zur Schule gegangen; oder hattest Du „Interimslehrer“ der
unmittelbaren Nachkriegszeit?
bundesland NRW,
naturwissenschaftliches gymnasium,
zeit: 70ger jahre
und sexta bis untertertia hatten wir -in der tat- fast nur lehrer,
die dem wk-2 mehr oder weniger beschadet entronnen waren,
- einer hatte knalltrauma und meinte deshalb immer, hinter seinem rücken würde er
ausgelacht, weshalb er uns ständig anschnauzte
"feixen sie hier nicht rum" und klassenbucheinträge "im dutzend"
schrieb
- ein anderer machte unterricht, indem er fast das ganze schuljahr nur über seine
russische kriegsgefangenschaft erzählte,
- einer (deutschlehrer) fing mitten im unterricht an zu beten und/oder zu weinen, er
brachte uns das ev. kirchenlied "befiehl du deine wege ..." bei,
weil, das hätte ihm in russ.gefangenschaft das überlebenkönnen gesichert, und würde auch
uns ...
Nun ja, so waren diese Zeiten: die einen waren noch vom Krieg gezeichnet, die anderen
haben den gesellschaftlichen Umbruch eingeleitet. Die einen waren oftmals vom
unmittelbaren Frontgeschehen traumatisiert, die andern brüllten in den Hörsälen
Mao-Parolen und weitere dieser Nachkriegskinder übten sich in freier Liebe uns lasen
Hesse, Böll, Grass, Bachmann; oder eben Max Frisch; „Mein Name sei Gantenbein“ las ich
als erstes Buch von ihm, Homo Faber hat mich dann vollends zum Ingenieur gemacht (nein -
nicht in Gänze, da meine zweite Seele der Philosophie zuneigt und meine „Grundausbildung“
eher humanistisch geprägt war.
„Vollends“ schien mir das geflügelte Wort in Horkheimer/Adorno‘s „Dialektik der
Aufklärung“ zu sein, worüber wir hier vor Jahren diskutierten.
Nun doch nochmal kurz zurück zu den Kriegsveteranen als Nachkriegslehrer. War deren
Verhalten (wie Du es schilderst) nicht allzu verständlich, da sie von den schrecklichen,
unmittelbar erlebten Gräueln der Kriegshandlungen in ihrer Seele (und nicht selten auch
körperlich) verletzt waren?
Der von mir geschätzte und hier öfter zitierte D. Bonhoeffer (von den Nationalsozialisten
ermordet) hat in diesen schrecklichen Zeiten das Lied „Von guten Mächten wunderbar
geborgen“ komponiert (Du wirst Dich vielleicht daran erinnern). Im Kern hat Paul Gerhardts
„befiehl du deine Wege“ die gleiche psychologische Auswirkung auf Menschen, die in
persönlich oder auch kollektiv erlebten, sehr schwierigen Lebensphasen nun mal Halt in
Gott oder eben allgemein in einer Religion suchen. Das können oder wollen Atheisten und
deren Gleichgesinnte Andersdenkenden und Andersfühlenden nicht zugestehen, da fehlt es
schlichtweg an Toleranz und Nachsicht.
- einer war wohl bei den nazis gut gestellt gewesen,
der erzählte uns schuljahrlang , warum hitler so schlecht garnicht war,
- am liebsten war mir herr zylinski, der war scharfschütze gewesen, und erzählte uns,
statt bio-unterricht, schuljahrlang seine heldentaten,
und ich sehe mit zylinski noch heute deutsche panzer durch die endlosen gelben
sonnenblumenfelder der ukraine walzen,
und einige seelisch-kriegsversehrte mehr, die als kaputte kreisel um die eigene achse
taumelten ...
Ja eben genau dieses, wie wahr und tragisch zugleich!
Einzelschicksale ihrer von vielen Schrecken und Leid geprägten Zeit und ich möchte mir
nicht ausdenken, wie wir WVs „Wohlstandsvernraucher“ (benannte Joseph uns nicht in der
Weise?) fühlen und handeln würden, sollten wir Gleiches zu erleben haben.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
aber interessant: gleichzeitig war wk-2 usw im
geschichtsunterricht zu dieser zeit kein thema, kam nicht vor
--
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