Hallo Ingo,
Daß "nichts immer gilt", liegt meiner Meinung nach daran, daß wir einen Satz,
der der äußeren Form nach auch eine Feststellung sein könnte, nur dadurch gegen
Falsifizierung immunisieren können, daß wir ihn als Definition behandeln. Da damit nichts
behauptet wird, ist weder etwas zu beweisen, noch zu widerlegen.
In welche Kategorie der simple Satz "auf Blitz folgt Donner" fällt, wäre ihm
also nicht anzusehen, sondern durch die Testfrage zu entscheiden, ob eine Widerlegung
zugelassen wird. Wenn das der Fall ist, scheint es sich mir um eine Aussage über ein
erfahrungsgemäss regelmässiges Zusammentreffen von Ereignissen zu handeln.
Ähnliches scheint mir für alle weiteren Beobachtungen und Begriffsbildungen bei der
gründlicheren Erforschung des Phänomens zu gelten.
Da sehe ich die Berechtigung des Satzes "an allem muss gezweifelt werden", denn
wer Zweifel nicht zulässt, sagt in der Regel nicht "ich behaupte ja gar nichts",
sondern beruft sich auf höhere Einsicht.
Die Möglichkeit und Berechtigung des Zweifels bedeutet aber nicht, daß wir uns nicht auf
Schritt und Tritt nach diesem immer falsifizierbaren Erfahrungswissen richten würden.
Selbst Klimaskeptiker tun das, solange es ihnen nicht politisch gegen den Strich geht.
Claus
Am 2. Jan. 2020, 16:44, um 16:44, Ingo Tessmann <tessmann(a)tu-harburg.de> schrieb:
Am 29.12.2019 um 19:27 schrieb Claus Zimmermann
<mail(a)clauszimmermann.de>de>:
Wie kommst du darauf, daß das ironisch gemeint gewesen wäre? Denken
wir an
(Neben-)Wirksamkeitstests bei Medikamenten oder
Unschädlichkeitestests bei Medikamenten. Da probieren wir nicht ein
bisschen rum und sagen dann: wird schon stimmen! Und das begleitet uns
ja durch den Alltag. Wir würden nicht den Bürgersteig betreten, wenn
wir die Befürchtung hätten, darin unterzugehen wie im Wasser. Ich sage
sicherheitshalber, daß das nicht ironisch gemeint ist. Für ein Baby
ohne Lebenserfahrung ist das nicht selbstverständlich. So
selbstverständlich, daß jeder, der es erwähnt, für nicht ganz dicht
gehalten wird, wird es, wie Hume betont, erst durch wiederholte
Erfahrung und Gewöhnung.
Aber wie wir wissen ist eine sinnvolle Hypothese
falsifizierbar. Oder
unm Zusatzbedingungen zu ergänzen wie "Medikament M wirkt
nicht bei
Blutgruppe B".
Hi Claus,
wie ich auf Ironie kam, meinte ich erläutert zu haben und so kann ich
mich nur wiederholen: „`Immer, wenn-dann' gilt nicht einmal in der
Physik, geschweige denn in der Soziologie. Ausnahmen bestätigen die
Regel und zwischen dem sicheren und dem zufälligen Ereignis liegt das
weite Feld der Wahrscheinlichkeit. Neben der Verlässlichkeit oder der
Wahrscheinlichkeit einer Korrelation geht es vor allem darum, ob
überhaupt eine echte bzw. mehr als nur formale Korrelation besteht.
Hinsichtlich des Gültigkeitsbereichs eines wenn-dann-Satzes ist sein
Beweis wesentlich.“
Nichts gilt immer, wir haben es aber immer mit Näherungen zu tun in den
empirischen Wissenschaften. Aus Erfahrung und Gewöhnung gewonnene
Selbstverständlichkeiten können scheitern. Und auf dem Gehweg kann ich
unerwarteter Weise untergehen, wenn ich in ein nicht gesichertes
Bohrloch mit Wasser tappe. Philosophen mögen sich auf die
Alltagserfahrung verlassen, Wissenschaftler hinterfragen und
problematisieren sie. In meiner aufmüpfigen Jugendzeit zitierte ich
gerne den Jugendverführer Sokrates und den Zweifler Descartes mit dem
Satz: „An allem muss gezweifelt werden“.
Es grüßt,
Ingo