Am 29.08.2018 um 15:55 schrieb K. Janssen via Philweb:
Man weiß um die „Faulheit und Feigheit“, also die Manipulierbarkeit
des „Packs“ und befeuert auf beiden Seiten der politischen Extreme
Ressentiments und Feindbilder. Zurück bleibt allenfalls Dissoziation
und innerer Protest einer Gesellschaft, die solchermaßen ihrer
Gewissheiten, ihrer Vertrautheiten beraubt, ihren Halt, ihre
politische Mitte verliert.
Welch unheilvolle Aktualität diese Zusammenhänge in diesen Tagen
zeigt! Bisweilen bleibt es nicht beim inneren Protest.
Irgendwie komme ich (trotz meiner Abscheu vor Polit-Diskussionen) nicht
umhin, meine Eindrücke von den unrühmlichen Ereignissen der vergangenen
Woche auf diese Weise schreibend zu "verarbeiten". Ich ahnte es wohl als
ich Tage davor schrieb:
Die Dialektik des Fortschritts liegt immer in der Überschreitung von
Grenzen und dem Bewahren-Wollen des Erreichten. Das unausweichliche
Wechselspiel fortlaufender Differenzierung und Integration ist nur in
deren hinreichender Ausgewogenheit erträglich.[…] Und so führen auch die
Differenzierungsorgien … ideologisierter Intellektuellen-Cliquen (als
die Statthalter einer postmodernen Dominanzhierarchie) zu nichts anderem
als polarisierende Spaltung, Dissoziation und eben auch zu äußerem
Protest (diesmal vornehmlich einem Mord zufolge) von Teilen der
Gesellschaft.
Differenzierung im Kontext der augenblicklichen Gesellschaftskrise
(vornehmlich einer bundespolitisch inkompetenten Asylpolitik geschuldet)
geschieht auf unverantwortliche Weise in der Art von „Wir sind die
Guten, die moralisch Integeren - ihr seid das Pack“. Dieser penetrante
Moral-Sermon hat genau jene dumpfe Geister solcher Gesinnung angespornt,
die Ängste und Indiosynkrasien in der Bevölkerung zu wecken und zu
instrumentalisieren verstehen. Ängste und Bedenken, die sich zu allen
Zeiten als Folge von jeweils drastischen Umbrüchen in der
gesellschaftlichen Menschheitsentwicklung (aktuell eben die Flucht- und
Migrationsbewegungen) eingestellt haben.
Es geht also um Menschen, die (in großer Zahl) zu Menschen eines ihnen
fremden Kulturraumes kommen.
Wer auch nur einmal, sei es im Urlaub, auf Geschäftsreisen, wo auch
immer, mit Menschen aus anderen Ländern, Erdteilen zusammentraf, wird
untrüglich sogleich bemerkt haben: Es sind Menschen „wie ich selbst“.
Zwar sprechen sie andere Sprachen, doch schon bei der parasprachlichen
Kommunikation (Gestik, Mimik) ist die Sprachbarriere überwunden. Mit
„Händen und Füssen“, wie man so sagt, gelingt immer ein rudimentär
kommunikativer Austausch. Wer also vorurteilsfrei solches
Zusammentreffen mit Menschen anderer Lebensräume und Kulturen erlebt,
wird von einem Gefühl globaler Zusammengehörigkeit eingenommen. Einzig
aufgrund dieser Erkenntnis konnten m.E. Menschen in Kontakt kommen und
bleiben, wie es beispielsweise bei der Entdeckung nativer Volksstämme
durch sog. Eroberer (abgesehen von grausamen Überfällen gleich welcher
Nationen) oder später durch Forscher.
Fast immer jedoch gerät diese Gewissheit des Einsseins mit Menschen
verschiedenster Herkunft in den Hintergrund, wenn es zu konkreten
Handlungen, zu Tausch und Handel etc. kommt. Da tauchen dann oftmals
erhebliche Unterschiede ethnienspezifischer Eigenheiten auf.
Notwendigerweise. Um es mit C.G. Jung (sinngemäß) zu sagen: Wein zu
bestimmter Zeit, an bestimmtem Ort gereift wird sich unvermeidlich von
einem zu anderer Zeit und an anderem Ort reif gewordenen unterscheiden.
Die also zwangsläufig bisweilen erhebliche, geographisch und kulturell
bedingte Unterschiedlichkeit von Menschen wirkt sich im geschäftlichen
Bereich insoweit weniger kritisch aus, als man diverse Verhaltensformen
kennen- und damit umgehen lernt. Natürlich kommt es vor, dass
Geschäftsbeziehungen aufgrund nicht herstellbarer Kompromisse etc.
abgebrochen werden, nur führt das in der Regel zu keinen nennenswerten
Verwerfungen: eine Partei ist hier, die andere dort (meist tausende
Kilometer voneinander entfernt).
Unumgänglich anders sieht es aus, wenn Menschen aus fremden
Kulturkreisen, Weltregionen als Migranten oder unter Fluchtbedingungen
in‘s Land strömen. Da gilt zunächst: „nun sind sie halt da“, um es mit
den Worten der maßgeblich dafür verantwortlichen Person auszudrücken.
Hier wandelt sich das erste Gefühl vom Einssein aller Menschen schnell,
wo elementare Unterschiede oben beschriebener Art sichtbar werden. Und
zumindest jener Personenkreis, der unmittelbar im Kontakt mit
Flüchtlingen und Migranten zu stehen hat, bzw. sich als freiwilliger
Helfer entsprechend engagiert, wird unter gegebenen Umständen
desillusioniert oder gar frustriert sein, angesichts unlösbar
scheinender Probleme. Und es sind wirkliche Probleme vor Ort, in den
Städten, Gemeinden, Dörfern im Gegensatz zu den „Scheinproblemen“ die
vornehmlich auf bundespolitischer, parlamentarischer Ebene auf
unvorstellbar dieser Problematik abgehobenen Weise „behandelt“ werden.
Wenn es in gewissen Bevölkerungskreisen um Angst oder Abneigung
gegenüber Asylanten resp. Migranten geht, baut sich diese dort auf, wo
es (bundespolitisch allein gelassene) Kommunen nicht schaffen können!,
hunderte in Asylunterkünften gepferchte Menschen vernünftig auf ein
gesamtes Stadtgebiet bzw. dem urbanen Umfeld zu verteilen. Deshalb sind
Stadt- und Dorfplätze, öffentliche Parks, Bahnhofsviertel etc. von
Migranten bevorzugte Räume, wo sie sich „versammeln“. Verständlich,
anlässlich nicht nur als sog. Einzelfälle vorkommende Übergriffe und
Verbrechen, dass Frauen durch diese Parks und „Versammlungsräume“ kaum
mehr alleine ohne „mulmiges Gefühl“ (wenn überhaupt) gehen wollen,
während die EmpörtInnen der beschriebenen Szene sich in den noblen
Straßencafes bei Softdrinks und Eiskaffee über die Sachsen ereifern! Das
Sportcoupé in Sichtweite geparkt, die Wohnung sicher damit zu erreichen
im suburbanen Nobelviertel. Für mich sind es die neuen Pfaffen, voller
Doppelmoral und Überheblichkeit gegenüber dem „Pack“, von dessen
täglichen Sorgen um Familie, Schule, Arbeit, Einkünfte, magere Renten,
usf. sie unendlich weit entfernt sind. Eben diese EmpörtInnen tippen
Angstpostings in ihre dumm-treuen elektronischen Begleiter
(Smartphones), wonach sie es nicht mehr wagen, nach Ostdeutschland zu
fahren, da sie sich vor Rechtsradikalen fürchten. Unbedarft angesichts
wunderschöner Landschaften dort voll freundlicher Menschen; Nichts als
Scheinheiligkeit dieser intellektuell-ideologisierten ProtagonistInnen
des „political correctness“, der neuen Moral, die ihrerseits meist gut
situiert das Lied vom „Rechtsstaat“ und den Verlorenen dieser Welt jaulen!
So bringt ihr Lamentieren auch nichts als Spaltung, nichts als
Gegenströmung. "Links sein" geht anders! (um es in „Neusprech“
auszudrücken).
Es fehlt die Ehrlichkeit und der Mut (zufolge vor allem dieser
Doppelmoral der verbreiteten Ideologie des „pc“), um das Verhältnis
zwischen fehlendem Unrechtsempfinden, verabscheuungswürdigen Verbrechen
Asylsuchender und Migranten einerseits und vom Rechts- und
Sicherheitsempfinden der Bevölkerung andererseits, klar im Sinne von
Rechtsstaatlichkeit zu definieren und dementsprechend im Lebensalltag
umzusetzen. Es reicht definitiv nicht, immer wieder nur „Mitgefühl und
Bestürzung“ zu beteuern, wenn es zu erneuten Vorfällen und Verbrechen
mittlerweile allseits bekannter Art kommt.
Warum mangelt es partiell an Beweglichkeit, Ehrlichkeit und Mut der
politisch Verantwortlichen?
Womöglich ist es unserer (von mir zu anderer Thematik hier bereits
beschriebenen) Mentalität des Schwarz-Weiss-Denkens, des „ganz oder gar
nicht“, des absoluten Dafür und Dagegen, letztlich der „deutschen Enge
und Einfalt“ geschuldet (Nietzsche: Jenseits v Gut u Böse) ; ausgedrückt
auch durch das Kollektivsymbol vom „ganz schwerleibigen deutschen Volk“
in der Gestalt des Deutschen Michel.
Eine „Schwerleibigkeit“, die sowohl einen Großteil der Bevölkerung, wie
den Löwenanteil seiner parlamentarischen Vertreter auszeichnet. Eben
genau in der Art des von mir bereits geschriebenen Kant-Zitats: „[…]
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der
Menschen … gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so
leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem,
unmündig zu sein. [...]“
Schwerleibigkeit, Faulheit und Feigheit (in Bezug auf das Thema
verfehlter Flüchtlings- und Migrationspolitik) in heutiger
Begrifflichkeit ist die politische Unbeweglichkeit hinsichtlich
notwendig proaktiver Veränderungen (Aussitzen, „weiter so“, etc.). Das
eigentliche Dilemma jedoch ist nicht durch die von hinteren Bänken des
Parlaments postenbewahrend klatschenden Opportunisten verursacht,
sondern durch sehr „bewegliche“ Gestalten der oberen politischen Bühne,
die die Fäden gemäß ihrer Ideologie und Interessen ziehen. Wiederum ganz
in der Diktion eines Edward Bernays sind es Protagonisten dieser „sehr
flachen“ Dominanzhierarchie, deren „Ideen“ über wohlgesonnene Medien
massenhaft verbreitet werden. Den einen zur Doktrin, den anderen zum
(mittlerweile auch gewaltsamen) Widerspruch. Irrsinnige Spaltung der
politischen und gesellschaftlichen Landschaft; Ideologisch verhaftet
gegenseitige Blockaden, Gehässigkeiten, die wirklichen politischen
Fortschritt und dringenden Handlungsbedarf zur Lösung der
Flüchtlingskrise verhindern. Letztere zu bewältigen (Gewährung
wirklichen Schutzes, sowie Schaffung von realer Integrationsmöglichkeit
und damit gesellschaftliche Befriedung und letztlich natürlich auch
verantwortungsvolle Kontingentierung des Zustroms), muss anstatt
gegenseitig parlamentarischer Blockadehaltung ein gemeinsames Engagement
aller bundespolitisch Verantwortlichen wirksam werden, weit über ein
lapidares "wir schaffen das" hinausführend!
Die derzeit betriebene Politik hat jedenfalls insoweit nichts mit
Demokratie gemein, als sich überwiegende Teile der Gesellschaft nicht
mehr von dieser, ihren Alltagsproblemen weit enthobenen, Politikerszene
vertreten fühlen. All deren Beteuerungen von angeblicher Volksnähe (die
sich bestenfalls durch nahezu tägliche Präsenz in zur Überdrüssigkeit
ausgeuferten Talkshows, oder in törichten, aus Emotionen
augenblicklichen Geschehens heraus verfassten „Twitter-Messages“
darstellt) steht dort entgegen, wo sich breite Bevölkerungsschichten
(mitsamt kommunalpolitischen Vertretern, wie Landräte, Bürgermeister,
Ehrenamtliche und natürlich auch Polizei) von der Bundespolitik „allein
gelassen“ sehen und dieses auch konkret zutrifft.
Der Deutsche Michel, solchermaßen hilflos auf dem "Drahtseil seiner
Lebensführung" schwankend, wird nach rechts hinunterstürzen, wenn ihn
von links die „Entrüstungs-Stürme“ der politisch-korrekten,
moral-beflissenen Empörten treffen. Das Fangnetz einer politischen Mitte
unter ihm wurde entfernt. Der Aufschlag ist dumpf, so dumpf wie die
Gesinnung derer, die ihn dort aufzufangen suchten.
Bester Gruß in die Runde!
Karl