Am 12.03.22 um 18:52 schrieb Ingo Tessmann:
Am 12.03.2022 um 16:01 schrieb Joseph Hipp via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Watzlawick habe ich versucht, vor einigen Wochen wieder anzugehen, leider bringt er mich
nicht weiter, obwohl ich sehr an ihm hänge. Er hat einen Wühltisch hinterlassen, der
schwer in Ordnung zu bringen ist, so denke ich, du kannst anders dazu denken, das ist in
Ordnung. Schon der Satz oben ist für mich als Form nicht in Ordnung. Wer ist
"Man", was ist nicht nicht? Du kennst ja meine Ersetzungsmethode:
Man kann nicht nicht vorwärts gehen.
Man kann nicht nicht reden.
Ein Stein kann nicht nicht da sein.
Hi HJ,
mit umgangssprachlichen Wortspielereien kannst Du fast alles ad absurdum führen, aber was
bringt das? Denn Computer können das viel besser. Könnte Watzlawick nicht einen
zutreffenden Kern in den menschlichen Lebensäußerungen getroffen haben? Positiv
ausgedrückt kommunizieren wir zeitlebens, stehen in Verbindung mit Allem. Das war ja meine
Gegenthese zu Deiner isolationistischen These: Nichts steht für sich, alles hängt mit
allem zusammen. Kommunikation kann zunächst einfach für „im Zusammenhang stehen“ stehen.
Dann kann man spezifizieren und bspw. fragen, was steht wie mit wem in welchem
Zusammenhang? Da wären wir schon fast bei der Universalpragmatik.
Ingo hat mehrere Baustellen geöffnet. Die erste will ich angehen:
Universalpragmatik, anscheinend gefiel dem Jürgen Habermas dieses Wort
nicht, so dass er ein anderes vorschlug, nämlich Formalpragmatik. Ok,
hier es kursiert noch das vorherige Wort.
https://de.wikipedia.org/wiki/Universalpragmatik
Sie „hat die Aufgabe, universale Bedingungen möglicher Verständigung zu
identifizieren und nachzukonstruieren“. Es wurde also irgendwann ein
Wort hergestellt, und dann wurde explizit gesagt, dass diesem Wort eine
Wissenschaft gegenüber steht, und dass diese Erklärungen hergibt. Also
z.B. die Erklärung eine Krieges. So wie Sigmund Freud derzeit das Wort
Psychoanalyse herstellte.
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Baustelle zu betreten: Zuerst soll es
Sprechakte geben. Der Unterschied zwischen Sprechen und Tun wird damit
verschmiert. Und nachher wird er dann wieder mit Sätzen aufgehoben,
schwer für mich zu verstehen, und ob das hilft?
Inhaltsaspekt der Aussage: (Aussage und Kommunikation oder Tat?) Putin
hat also ausgesagt "Krieg". Das war sein lokutionärer Akt. Ok, ein Akt
war zu einer gewissen Zeit etwas anderes, aber ich passe mich an, z.B.
erster, zweiter, dritter Akt eines Schauspiels, oder Akt in der Kunst,
oder eine Aktion vs. Passion, oder Akte in einer Aktentasche
(
https://de.wikipedia.org/wiki/Akt). Also ein Wort, das ziemlich
vielseitig nutzbar ist. Lokutionärer Akt. Ich stehe vor einem schwer zu
verstehenden Fremdwort. Hat irgend ein Politiker gesagt: Der lokutionäre
Akt des Wladimir Putin als Teilakt war: Krieg. Nun lerne ich, dass es
noch einen Teil des Aktes gibt, nämlich den illokutionären Akt, bei
Habermas die illokutionäre Kraft. Ich staune. Aber Staunen ist ja der
Anfang der Philosophie, so will man mir zu glauben geben. Also die
zweite Frage: Hat da irgend ein Politiker gesagt: Bei Putin war das Wort
Krieg, einerseits lokutionär, dh. er hat es gesagt, und nun noch dazu
illokutionär, also mit der Kraft (der Waffen, der Soldaten?), und gerade
durch dieses Illokutionäre soll ich verstehen, dass das ein
kommunikatives Handeln ist. Komisch, ich habe noch nie so gedacht. Aber
ok, ich versuche es. Ach ja, ich konnte es noch nicht verstehen, es
fehlt noch der dritte Teil des Aktes, nämlich das strategische Handeln.
Ich habe schon Schwierigkeiten mit dem Wort Akt, das weitere Teile hat.
Bei mir kommt immer der erste Akt, dann der zweite, usw. Aber dass ein
Akt Teile hat, das ist für mich schon schwer. Mit dem Illokutionären
soll ich denken, dass Putin ein Ziel verfolgt und strategisch denkt und
vorgeht. Das wird wohl stimmen. Oder dass er versucht, die Soldaten
richtig aufzustellen. Oder will er eine "bestimmte Wirkung beim
Gesprächspartner hervorbringen"? Also wäre den Politikern zuzutragen,
doch bitte auf diese Wissenschaftler zu hören, und auch mal eine
wissenschaftliche Sprache zu sprechen. Putin hat den Akt Krieg begonnen,
lokutionär, illokutionär, perlokutionär. Ich finde die Reihenfolge
wirklich sagenhaft. Womöglich eine Dreieinigkeit. Und das soll alles mit
Kommunikation zu tun haben. Für mich ist das ein Babylonismus hoch drei,
mehr nicht. Nicht einmal Immanuel Kant hat sich so hochgesteigert.
Sollte Austin-Searle-Habermas sich doch einmal einig werden und zurück
kommen, und zuerst die Politiker von ihrer Sprache überzeugen, so wie es
die Covid-Spezialisten es bei Bedarf versuchen. Aller Anfang ist schwer,
aber sie haben es noch nicht einmal angefangen. Ich habe kein einziges
Mal das Wort im "Diskurs" der Politiker gehört, von den Wörtern, die
gerade dort angebracht sein sollen, wo kommuniziert und gekriegt wird.
Komisch ist das für mich jedenfalls. Dann gehe ich davon aus, dass dort
etwas Erlernbares hergestellt wurde wie die Homöopathie, die Astrologie
und andere Systeme von Wörtern, Sätzen, Texten, die wirklich nicht im
Handumdrehen gelernt werden können. Und dass dann Professoren gebraucht
werden, die das alles lehren, versteht sich. Mischformen von Wissen,
Halbwissen, Unwissen, Falschwissen gibt es überall. Deswegen nehme ich
statt Wissen lieber das Wort "Gelerntes". Ein Kern Wahrheit kann überall
stecken. Eine Mischform ist z.B. auch "in der Psychoanalyse". Sigmund
Freud wurde vorgeworfen, dass seine Wissenschaft nicht ohne seine Person
dargelegt werden kann, und dass es deswegen nicht so recht eine
Wissenschaft sein kann. Das Wort "Universal" vor eine Sache zu stellen
hilft oft. Universal-Reinigungsmittel, Universalheilmittel (Panazee),
und Religionen wollen möglichst universal angenommen werden.
Hier habe ich nur über einen Teilaspekt der Universalpragmatik
nachgedacht, mich auch gegen Teile dieser versündigt. Und doch würden
mir auch andere Teile vermutlich mehr Probleme schaffen als lösen. Statt
des Wortes Akte wird schließlich auch das Wort Handeln benutzt, was
gegen die Eineindeutigkeitsregel zwischen Wort und Sache verstößt. Nur
wird auch dann das eine mit dem anderen verschmiert: teleologisches
Handeln, so als wäre das eine Einheit. Das ist eine beliebige
Vorgehensweise. Auch wenn ich zwei grundverschiedene Sachen zusammen
füge, kann ich es auch anders tun, etwa mit "handelnde Teleologie", nur
als Beispiel. Und wieso normenreguliertes Handeln wo doch meist das eine
auf das andere zeitlich folgt. Auch deswegen ist diese Art
Zusammenfügung zusätzlich ein Konstrukt mit einem Übergehen der
Kausalität. Pläne werden aufgezeichnet, dann realisiert. Was vorher
gedacht wurde, ist etwas anderes. Ein Plan kann auch nach Blick auf eine
Sache hergestellt werden. All das muss nicht gleichzeitig gedacht werden
und schon gar nicht amalgamiert werden. Und wie ist es mit dem
unregulierten Handeln, dem irrationalen Handeln? Wurde es vergessen?
Hier würde gerade Paul Watzlawick kritisch eingreifen. Oder wurde er
vergessen? Das schien hier jedoch nicht so.
Diese Frage
"Wie hilft ein Wort allein?" und Umgebung will ich weiter bearbeiten. Für Links
bin ich dankbar. Ich vermute, dass auch RFs Betreff "Die Sprache Kants" in
dieselbe Richtung geht. Denn wo Sprache ist, sind Wörter, Sätze, Texte.
Ein Wort in seiner Umgebung? Damit bist Du doch schon mitten im obigen Zusammenhang; denn
einzelne Wörter gibt es ebenso wenig wie einzelne Menschen. Wörter bestehen aus Buchstaben
eines Alphabets und bilden einen grammatikalisch geordneten Wortvorrat. Sie werden von
Menschen innerhalb des Universums, ihrer weitestgehenden Umgebung, verwendet. Hast Du
schon einmal ein (ungewöhnliches) Wort in Umlauf gebracht und verfolgt, was daraus
geworden ist?
Als Physiker fällt mir natürlich sogleich eine Analogie Deines Ansinnens ein, nämlich die
Untersuchung der Bewegung einer Probeladung im elektrischen Feld. Eine Ladung in ihrer
Umgebung. Was passiert mit dem Feld, wenn sie sich bewegt? Wie wirkt das Feld auf sie
zurück? Je genauer ich das zu verfolgen vermag, desto besser muss das Experiment
abgeschirmt sein. Physiker treiben die Objektisolierung einschließlich ihrer
mathematischen Formulierung sehr weit, so weit wie Du mit Wörtern und Menschen nie kommen
wirst.
So wird es wohl sein.
Den Absatz oben beginnend mit "mit umgangsssprachlichen .." des Ingo
habe ich im Detail zusätzlich bearbeitet, ich will jedoch hier nicht zu
viel schreiben und niemanden beschwafeln. Ich bleibe dabei: Die Kritik
an Sätzen mit "nicht nicht" ist nicht so einfach als Wortspielerei
abzutun. Ich habe Watzlawick gerne, aber es ist mir sehr schwer, bei ihm
die Spreu vom Weizen zu trennen. Andererseits liegt mit "der
Universalpragmatik" keine Relativitätstheorie vor. Vielleicht kann man
beispielhaft sagen: "die Universalpragmatik" hat eine Aufgabe von
Personen bekommen, und sie haben dann selbst fragwürdige Antworten
gegeben, sie sammelten Sätze aus scheinbar zusammen passenden Bereichen,
"die Relativitätsheorie" steht für Antworten auf Fragen, die von
Personen gefunden wurden, wobei es auch ohne Namen bei den Antworten
bleibt. Bei Mathematik ist es auch so.
Joseph