Am 19.09.2020 um 03:29 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
In heute populär gewordenen spirituell angelegten Deutungen der Quantenphysik wird die
Objekt-Subjekt Trennung als zu überwindende Illusion beschrieben; hingegen wird eine
„alles mit allem verbundene Einheit beschworen. Dabei übersieht man, dass diese Trennung
essentiell notwendige Voraussetzung für jegliches Leben ist. Theologisch betrachtet ist
Leben nur außerhalb des EINEN, also nur in Differenz möglich. Biblisch, metaphorisch
aufgezeigt durch der Verstoßung aus dem Paradies, gewissermaßen „in die Welt geworfen“
(Heidegger).
Hi Karl,
Deine Deutung der Paradiesgeschichte kannte ich noch nicht. Dass wir aber stets
sowohl-als-auch sind, in die Natur eingebunden und zugleich selbststabilisierend von ihr
getrennt, ist wesentlich eine Frage der jeweiligen Quantität. Wir stoffwechseln,
interagieren und kommunizieren miteinander. Warum können wir es nicht dabei belassen und
uns auf die offene Zukunft hin entwerfen, in der wir ja noch zu leben haben werden? Warum
immer diesen gewaltigen Ballast an Vergangenheit mitschleppen? Das mag den Historiker
begeistern, die historisch-faktische Genese aber, geht darüber hinaus und - wirft die
Leiter weg, wenn sie erklommen ist (um mit Wittgenstein zu reden).
Religionen und Ideologien halten doch selten, was sie versprechen, da es sich um viel
Gerede und wenig Inhalt handelt. Husserl wollte zu den Phänomenen zurück, Wittgenstein zur
Sprache und Hilbert zum Formalismus. Dieses ganze belanglose spirituelle Brimborium um die
Quantenphysik z.B. wird im Kern um zwei mathematische Gleichungen geführt, die aber kaum
jemand zu verstehen trachtet. Je weniger die Menschen wissen, desto mehr müssen sie
glauben, pflegte mein Opa zu sagen.
Zurückkommend auf den hier erörterten
Leib-Seele-Dualismus, der in seiner stringenten Interpretation von zwei getrennten
Substanzen im Körper, als eben diesem und einem reinen Geist (Homunkulus) ausgeht, würde
ich diese (für die zu Descartes Zeiten verständliche) Fehleinschätzung dahingehend ändern,
dass sehr wohl Geist im Körper wirkt; nur eben nicht als darin isolierte Substanz, sondern
per Geist-Körper-Interaktion. Wenn man dieses prozessuale Geschehen von üblich
metaphysischer Betrachtung resp. Auslegung auf die subatomare Ebene bringt und dabei
vornehmlich feldtheoretische Aspekte einbezieht, kommt man zu einer der Jetztzeit
angemessenen Sichtweise dieser Zusammenhänge. Aus prozessphilosophischer Sicht wird die
o.a. ontologische Differenzstruktur durch funktional prozessuale Relation zwischen Körper
und Geist im Sinne einer ständigen Weiterentwicklung, also einer Art Optimierung durch
stetes Werden (Werden vor Sein) letztlich überwunden.
Egal ob Subjekt-Objekt, Leib-Seele, Körper-Geist, Werden-Sein, Welle-Teilchen und wie die
vielen Gegensätze alle heißen mögen; es sind bloße Sprachkonstrukte für Zuspitzungen, die
als Karikaturen taugen mögen, aber keinen Erkenntnisgewinn haben. Was fehlt ist eine
Synthese aus Umgangssprache und Mathematik. Wie Lehrbüchern der Entwicklungspsychologie zu
entnehmen ist, können Kinder bereits folgern und zählen bevor sie zu sprechen beginnen.
Was läuft dann schief mit dem vielen Gerede, dem sie fortan ausgesetzt sind? Ich habe den
familiären und kulturellen Ballast, der mir einst aufgeladen wurde, bis heute nicht
ablegen können. Warum fangen wir immer wieder erneut davon an und orientieren die Kleinen
nicht besser auf ihre Zukunft?
Hier nun kommt die Frage in‘s Spiel, ob und wie die
Funktion dieser Interaktion (bidirektionaler Informationstransfer) zwischen Körper und
Geist (abseits hinlänglich bekannter metaphysischen Deutungen) weitestmöglich unter
naturwissenschaftlichem Aspekt zu erklären wäre. Mein Ansatz dazu liegt (wie ich es hier
bereits angeführt habe) in der Betrachtung feldtheoretischer Zusammenhänge. Der
menschliche Körper, als unverbrüchlicher Teil von Materie- und Kraftfeldern, befindet sich
mit diesen in permanenter funktionaler Wechselwirkung.
Körper und Geist? Warum nicht klarer von Physik und Mathematik sprechen; denn darum geht
es doch bei den Quanten und Feldern. Und so komme ich auf meine Frage nach der Paarbildung
von Elementarteilchen aus Licht zurück. Was passiert dabei eigentlich? Wieso werden
plötzlich aus einem neutralen hinreichend energiereichen Lichtstrahl Spiralbahnen von
massiven und geladenen Teilchen detektierbar? Weil es die Dirac-Gleichung vorhersagt? Im
Labor eine mathematische Struktur nachgebildet wird wie sie einstmals in der Frühzeit des
Universums vorherrschte und heute noch in Sternen und schwarzen Löchern vorkommt?
Es sind eigentlich nur zwei wesentliche Annahmen innerhalb der richtigen mathematischen
Struktur, die so weitreichende Folgen haben: die Teilchenenergie muss positiv sein und die
Wahrscheinlichkeit dafür, dass es überhaupt etwas gibt gleich eins. In den Worten
Feynman's: "If we insist that particles can only have positive energies, then you
cannot avoid propagation outside the light cone. If we look at such propagation from a
different frame, the particle is traveling backwards in time: it is an antiparticle. Then,
looking at the idea that the total probability of something happening must be one, we saw
that the extradiagrams arising because of the existence of antiparticles and pair
production implied Bose statistics for spinless particles. When we tried the same idea on
fermions, we saw that exchanging particles give us a minus sign: they obey Fermi
statistics.’’ Und schon haben wir zwei Materie- und zwei Teilchensorten …
Es grüßt,
Ingo