Am 10.04.2024 um 01:06 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Einer aus „Niemandsland“ hier interessiert sich sich sehr wohl für den von Dir
geschilderten Zusammenhang. Dieser ist jedoch nicht aus dem Stehgreif zu erfassen, aber
mit einiger Überlegung kann man dieser Vorstellung zumindest soweit folgen, dass sich
nicht einzelne Teilchen, sondern diese als Felder gebunden sich in ein Unendliches
ausdehnen. An der Bohmschen Mechanik orientiert, kann man sich bildhaft den “Transport“
der Teilchen als durch die Wellenfunktion geführt vorstellen. Das dadurch (ein umgrenztes
Gebiet betrachtend) aufgespannte“ Vektorfeld lässt sich durch eine skalare Feldfunktion
dann als (bewegtes) Potentialfeld abbilden. Dieses würde dann eine „Bohmsche
Bewegungsgleichumg“ sein.
Ziemlich abstrakt gerade diese Vorstellung für mich und wenn ich diese grad noch mit der
Diffusionstheorie verbinden wollte, muss ich erst mal darüber nachdenken (in Art heftiger
neuronaler Diffusionsprozesse).
Moin Karl,
Ausnahmen bestätigen ja die Regel und so interessiert sich tatsächlich jemand für den
Zusammenhang zwischen Gaussverteilung und Newtonpotential. Die entsprechende Integration
der Normalverteilung haben womöglich schon fortgeschrittene Schüler oder anfangende
Studierende als Übungsaufgabe zu lösen gehabt. Ich hatte mich in Verbindung mit Dirac’s
Bemerkung zu seiner Vorliebe des Spielens mit Gleichungen wieder daran erinnert.
Jedenfalls wäre aus der alltagsnahen Beschäftigung mit dem kollektiven Verhalten von
Massen oder mit dem einer Brown’schen Bewegung gleichenden Herumirren Einzelner in einer
Pluralität von Meinungen die Massen- und Individualpsychologie auch mathematisch
behandelbar. Und literarisch könnte mit der fiktionalen Behandlung der Wirklichkeit im
Möglichkeitssinn wieder zum Wirklichkeitssinn übergegangen werden, denn das
Newtonpotential ist ja erkenntlich an der Gravitationskraft.
Musil pflegte neben seiner Beschäftigung mit Relativitäts- und Quantentheorie Kontakte zum
Wiener- wie zum Berliner-Kreis und ist als Wortspieler ausgehend vom Wirklichkeits- zum
Möglichkeitssinn gelangt. Der mit Musil bekannte von Mises leitet 1912 seine Untersuchung
ÜBER DIE GRUNDBEGRIFFE DER KOLLEKTIVMASSLEHRE mit den Worten ein: „Während die Gaußsche
Fehlertheorie auf dem Gebiete, für das sie ursprünglich geschaffen war, dem der
Ausgleichung geodätischer Messungen, heute noch unumstritten herrscht, hat sich anderwarts
das Bedürfnis nach einer weitergehenden Analyse der Ergebnisse wiederholter Beobachtungen
geltend gemacht. Man mag das Gaußsche Fehlergesetz wie immer begründen, es stellt doch nur
den idealen Typus einer Verteilung von Messungsergebnissen dar. Der Statistiker aber hat
das natürliche Bestreben, gerade die Abweichungen der Wirklichkeit von dem Idealfall
systematisch zu durchforschen.“
Gemäß MoE lässt sich „der Möglichkeitssinn geradezu als die Fähigkeit definieren, alles,
was ebensogut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das,
was nicht ist.“ (vgl. Mail vom 4.4.24). Seinem Nachlass folgend ging Musil auch von der
Chemie aus: „Große Ideen sind ein Spezialfall der Katalysatoren. ... Enzyme und
Katalysatoren hängen eng mit dem Möglichkeitssinn zusammen. ... Gleichnisse sind ein
Sonderfall davon. Sie tragen nichts zur Wirklichkeit bei, aber sie kurbeln an. ... Das
sich Verflüchtigen u. Zerstreuen des Geistes besagt soviel wie, er ist der oberste
Katalysator seiner Natur nach.“ Der Geist als Katalysator der Wirklichkeit? Die Metaphorik
lässt mich natürlich an Goethes Wahlverwandtschaften denken, der allerdings noch nichts
von Katalysatorchemie (ab 1835) wusste und sich lediglich auf die Affinitätstheorie
chemischer Reaktionen seiner Zeit bezog. Wie er wohl mit Bezug auf die Quantenchemie seine
Wahlverwandtschaften geschrieben hätte?
Mir ist bisher kein Roman bekannt geworden, der alltagsbezogen etwa einen Spieler auf die
Gravitation schließen ließe. Dostojewskis Klassiker dazu leuchtet die Bessenheit im
Gefühlsleben seines Protagonisten aus und Julie Zeh behandelt in ihrem Roman zur
Spieltheorie die Rivalitäten in der Schule. Wobei die Spieltheorie via Evolution immerhin
über das Leben auf der Erde hinauszuweisen vermag. Darüber hat sie leider noch keinen
Roman vorgelegt. Bezug nehmen könnte sie auf „Homo Destructor“ von Werner Bätzing. Warten
wir es ab …
IT