Lieber Ingo,
Danke für Deine Denkanstöße!
Du schriebst:
So ähnlich könnte metaphorisch auch über die Quanten-Kohärenzen geschrieben werden. Der
sprachliche Übergang von Semantischer oder Systemenergie zu einer Kraft ergäbe in der
Physik allerdings keinen Sinn; denn Kraft und Energie können nicht gleichgesetzt werden,
da zumindest die konservative Kraft als räumlicher Gradient potentieller Energie definiert
ist. Und die über ein Zeitintervall integrierte Kraft wird ja Kraftstoß genannt.
Hierzu wie immer verkürzt: Die Bedeutung der Begriffe energeia und dynamis hat sich seit
aristotelischer Zeit und thomistischer Nutzung grundlegend verändert: energeia hieß die
Verwirklichung, der actus - ganz im Gegensatz zur dynamis alias potentia. Der Begriff
potentielle Energie hätte daher in vor-descartschen Zeiten Verwirrung ausgelöst….
Versuchsweise in Deine Sprache übersetzt wäre dann die „Kraft" die Verwirklichung des
als DCP zugrundeliegenden Potentials, genannt potentielle Energie.
Die Systemenergie in unserem Modell ist eine potentia, eine Gestaltungs-dynamis, die
ausgeübte physikalische Kraft ist die energeia, die Verwirklichung. Dabei ist der
physikalische Kraft- und Energiebegriff Inhalts-gewichtet, während bei uns von vornherein,
indem wir immer Interaktionen als Element haben nicht der Kern, sondern „Kern und Schale“,
Innen und Außen, Text und Kontext im Blick sind.
Und weitere durch Dich angeregte Anmerkungen:
Die Raumposition (in Bezug auf den abstrakten, zunächst als leere Form gedachten Raum)
wird vom positionierten Gegenstand und diesem als leer angenommenen Raum her gedacht. Raum
und Inhalt interagieren über ihre teilbaren Aspekte, ausgedrückt in ebenfalls teilbaren,
ganz allgemein verwendbaren algebraischen und numerischen Markern.
Diese Beschreibung auf der allgemeingültigen Ebene ist für diese Ebene korrekt, sie hebt
aber nicht darauf ab, das nicht teilbare, nicht allgemeine, sondern besondere, einmalige,
jeweilige „Innen“ und Überhaupt-als aus sich heraus, von „Innen“ bestimmtes Etwas-Dasein
zu beschreiben.
Eine Struktur und ihre Jeweiligkeit, Spezifität, Besonderheit, als ein etwas Eigenes Sein
kann über die das Allgemeine vermittelnden Schnittstellen des allgemeinen Raumes und
seiner auf diesen allgemeinen Raum bezogenen Marker des in diesem Raum Fokussierten nicht
erfasst werden. Eine Bewegung, in Begriffen des allgemeinen Raumes aufgefasst kann ein
„Objekt“ in ein Ensemble von Jeweiligkeiten (und nicht nur von Raumpunkten) so
hineinbefördern, dass es nicht nur die abstrakte Punktemenge vergrößert, sondern auch die
Struktur, als das jeweilig-besondere Zusammen als Menge, als jeweilige Ganzheit, als
Struktur umgestaltet. Diese Struktur interagiert mit inhaltlich besonderen Elementen und
Mengen dieser im Sinn von jeweiligen anderen Strukturen auf eine von ihrem Inhalt, ihrer
Jeweiligkeit als Potenzial mitbedingten Weise. Hier ist der „Raum“ nicht mehr als zunächst
allgemein, nicht besonders, nicht gesondert anzunehmen, sondern als Aspekt einer
inhaltlich bestimmten Struktur. Er agiert als gefülltes Gesamt, wobei die Füllung nicht
aus einem beziehungslosen Nebeneinander von Elementen besteht, sondern aus solchen
Elementen mitsamt ihren präsentierten SASAs, das heißt mitsamt ihren spezifisierten
Beziehungen zueinander. Diese wiederum lassen sich gedanklich in Mitteilung, Empfang und
Einarbeitung von Information gliedern, wobei die Einarbeitung auf der Strukturebene das
künftige Struktur-Sein und damit die Potenzial-Ebene betrifft. Die Strukturebene ist somit
Potenzial und dessen Verwirklichung in einem.
Das Konzept der physikalischen potentiellen Energie betrifft das Vermögen, eine
Ortsveränderung im abstrakten Raum und auf der leeren Zeitachse vorzunehmen. Es betrifft
nicht das Vermögen, an einer Strukturgestaltung teilzunehmen, als der Bildung einer intern
und extern Beziehungs-spezifisierten jeweiligen Ganzheit.
Wieder auf die Ganzheit einer Tonfolge bezogen: hier fragt der physikalische Zugang die
allgemeinen teilbaren Aspekte ab, die, wie der Begriff „allgemein“ sagt allen Tönen
gemeinsam sind: ein Zeitpunkt des Auftretens gemessen in einer universellen Zeitskala,
eine Frequenz, gemessen in einer universellen Schwingungen pro Zeiteinheit-Skala,
Tonstärke, ebenfalls gemessen in einer universellen Skala, mittels Fourier-Analyse zu
differenzierender Teilfrequenzen, Reichweite des Frequenzfeldes gemessen in einer
universellen Raumskala etc. Die Bezogenheit des Tones auf die „gefüllte“ Umgebung, die
Abgabe, Aufnahme und Einarbeitung des Tones gemeinsam mit erinnerten (das heißt, in die
Speicher alias Potenziale verbrachten) Tönen, der Bezug dieser „Deutung“ zu weiteren, im
zu Grunde liegenden Speicher als Potenziale verfügbaren Erinnerungen, ihr Bezug zum
räumlichen, sozialen und „seelischen“ Kontext, all das bezieht sich auf teilbare Aspekte
höheren Grades an Jeweiligkeit, also solche, die Augenblicks- und Kontext-spezifisch sind
bzw. den Ton und die Tonfolge über Aspekte (SASAs) ihrer Augenblicks- und
Kontext-spezifischen, jeweiligen, vom „Innen“, dem „Gehalt“ mitgeprägten, den „Sinn“ der
Interaktion erzeugenden „Seite“ erfassen.
Natürlich kann man auch eine halb-quantitative Skala an Grad der Jeweiligkeit aufstellen.
Der eine Extrempol ist das nicht teilbare, daher nicht abzubildende, tiefste Jeweilige des
individuellen, zunächst unbezogen gedachten „puren“, existenziellen, ursprünglichen bloßen
und einfachen Selbst-Seins. Der andere Pol ist das „Allgemeinste“, jenseits jeder und über
jeder Individualität und jedem individuellen Sein liegende Allgemeine als Universal-SASA,
als mit allem teilbare Aspekthaftigkeit, die auf Grund ihrer das Allgemeinste erstellenden
Struktur an der Strukturierung von Allem einen Anteil hat. Über diese aus dem
Zwischenbereich heraus ebenso wie das andere Extrem extrapolierten Äußersten kann nichts
ausgesagt werden, weil jedes hierfür gebrauchte Wort schon zu viel der Spezifisierung und
Bindung an Jeweiligkeit und dessen Sinn bedeuten würde.
Und zum Konzept, wie Energie im allgemeinen, das heißt im physikalischen Sinn allgemein
die Potenziale zur Strukturbildung - wieder im Allgemeinen gesprochen, nicht auf die
individuell-existenzielle Jeweiligkeit gemünzt unterstützt und hierbei die Bildung von
individuell gefüllter Zeit (individuelles Zeiten) und gefülltem Raum in Lebewesen - auch
in Begriffen der Autopoiesis beschrieben - ermöglicht:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/transcript.9783839423004.47/…
Rudolf Stichweh
Autopoiesis ist eine Beschreibung von Autonomie.
—> abgegrenzte Verweisungszusammenhänge erzeugen geteilten Sinn, geteilte Bedeutungen.
Die auto-poiesis verdankt sich einer Bevorzugung von Aspekten als SASAs von verwirklichten
DCPs. Neu ist lediglich die durch Eigen-Timing und Eigen-Räumen ermöglichte
durchgehaltene Bevorzugung bestimmter Aspekte, nicht die Aspekthaftigkeit /
SASA-haltigkeit von Verwirklichungen von DCPs und das im Erfolgsfall einer Orchestrierung
vorauszusetzende wechselseitige „Verstehen“ der SASAs als solche bzw. als solches.
Was durch Lebewesen neu ins Spiel gebracht wird, ist somit nicht das Verstehen und die
stimmig-sinnhafte Konvergenz, sondern das Raum-Schaffen, das ursprünglich in Form von
Grenzflächen angestoßen wurde.
Als wahrscheinlicher Antrieb gelten thermische und chemische Gradienten heißer Quellen im
Meeresboden.
Wiki
Ein alternatives Szenario für die frühe Evolution des Lebens wurde daher seit Anfang der
1980er Jahre von Günter Wächtershäuser
<https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_W%C3%A4chtersh%C3%A4user> entwickelt, der
für seine alternative Theorie schnell die Unterstützung des Philosophen Karl Popper
<https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper> gewinnen konnte. Danach wäre das Leben
auf der Erde an der Oberfläche von Eisen-Schwefel-Mineralen entstanden, also Sulfiden
<https://de.wikipedia.org/wiki/Sulfide>, die sich heute noch durch geologische
Prozesse an Tiefsee-Vulkanen bilden, zur Frühzeit der Erde noch wesentlich häufiger
aufgetreten und wohl auch auf vielen Exoplaneten
<https://de.wikipedia.org/wiki/Exoplanet>, Exo-Monden und Planemos
<https://de.wikipedia.org/wiki/Planemo> (Objekt planetarer Masse) vorhanden sein
müssen. Auch in unserem Sonnensystem wird bei einigen der größeren Monde der Gasplaneten
<https://de.wikipedia.org/wiki/Gasplanet> unter der Eisschicht ein
extraterrestrischer Ozean
<https://de.wikipedia.org/wiki/Extraterrestrischer_Ozean#Eismonde> vermutet.
Der große Vorteil dieses Konzepts gegenüber allen anderen Theorien ist, dass damit
erstmals die Möglichkeit besteht, die Bildung komplexer Bio-Moleküle an eine
kontinuierlich verfügbare und verlässliche Energieversorgung zu koppeln. Die Energie kommt
durch die Reduktion <https://de.wikipedia.org/wiki/Reduktion_(Chemie)> von Schwefel
in Eisen-Schwefel-Mineralen wie Pyrit <https://de.wikipedia.org/wiki/Pyrit> (FeS2)
mit elementarem Wasserstoff <https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoff> (H2)
zustande (Reaktionsschema <https://de.wikipedia.org/wiki/Reaktionsschema>: FeS2 + H2
⇌ FeS + H2S) und liefert genug Energie, um eine präbiotische Ammoniaksynthese
<https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4biotische_Ammoniaksynthese> und auch um
endergone <https://de.wikipedia.org/wiki/Endergon> Synthesereaktionen für monomere
Bausteine von Biomolekülen und für deren Polymerisierung anzutreiben. Ähnlich wie Eisen
<https://de.wikipedia.org/wiki/Eisen>-Ionen bilden auch andere Schwermetall-Ionen
mit Schwefelwasserstoff <https://de.wikipedia.org/wiki/Schwefelwasserstoff>
unlösliche Sulfide <https://de.wikipedia.org/wiki/Sulfid> (siehe
Schwefelwasserstoffgruppe
<https://de.wikipedia.org/wiki/Schwefelwasserstoffgruppe>).
Soviel als mein Wort zum Samstag (womit ich nicht damit drohen will, dass ein noch
längeres Wort zum Sonntag folgt - wobei das, was Karl für mich sehr einleuchtend
beschreibt vielleicht mit dem oben beschriebenen Pol des Allgemeinsten zusammenhängt: als
die das Allgemeinste erstellende Struktur, die an der Strukturierung von Allem einen
Anteil hat)
Viele Grüße und Danke Allen für die anregende Diskussion,
Thomas
Am 02.08.2024 um 21:21 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 02.08.2024 um 02:56 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at <mailto:philweb@lists.philo.at>>:
In diesem gefüllten und aus seiner Fülle lebenden
Zeitraum erzeugt die Konsekution eine „semantische Achse“, die das parallel und
sequentiell Ganze, z. B. einer Melodie oder eines Gedichts oder einer Erzählung
charakterisiert.
Mit dem sich entlang dieser „semantischen Achse“ für jedes neue Leben auftuenden
subjektiven (oder eben Eigen-) Raumzeitwürfel zeigt sich somit subjektive Bedeutung und
somit ein Sinngehalt jedes Lebens. Daher ist Leben keinesfalls sinnfrei oder dem puren
Zufall unterworfen, denn immer gilt: „Zufall und Notwendigkeit“, wie das hier kürzlich
auch unter dem Aspekt von Kohärenz (Zufall) und notwendiger Dekohärenz (Notwendigkeit)
erwähnt wurde.
Moin Karl,
ich hatte am 29. Juli an JL geschrieben: „Als Ökoliberaler versuche ich, Freiheit und
Notwendigkeit zusammenzudenken. Sartre dominierte die Freiheit, mit der Natur wusste er
nichts anzufangen. Einstein war weniger beschränkt, wie Pais in seiner Biographie
hervorhebt: ”Er war der freieste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Er verstand
besser als alle vor oder nach ihm, Invarianzprinzipien zu erfinden und statistische
Schwankungen anzuwenden.“ Einstein verstand es offensichtlich in seinem Leben, zugleich
persönliche Freiheit zu erstreben und der Naturnotwendigkeit zu folgen.“
Menschliche Freiheit profitiert von Zufall und Notwendigkeit in der Natur gleichermaßen.
Den Myriaden von Zufällen ihrer Herkunft folgend versuchen Menschen ihrem fortdauernden
Leben Sinn zu verleihen. Wie Du darüber hinaus zu „dem Aspekt von Kohärenz (Zufall) und
notwendiger Dekohärenz (Notwendigkeit)“ gelangst sehe ich nicht, habe aber vielleicht was
überlesen.
Kohärentes Licht wird bspw. mit einem LASER erzeugt, aber nicht zufällig, sondern
technisch erzwungen und der Lasertheorie folgend notwendig. Die Dekohärenz des Laserlichts
erfolgt dann außerhalb des LASERs, aber zufallsverteilt diffus. Beim Vermessen des
Mondabstandes kommen trotz der großen Entfernung des Mondes, der Signalabschwächung durch
die Atmosphäre und den Beugungseffekten an den Reflektoren die Laserpulse noch sagenhaft
genau messbar wieder auf der Erde an: "The Apache Point Lunar Laser-ranging Operation
(APOLLO) has been collecting lunar range measurements for 15 years at millimeter
accuracy.“
https://arxiv.org/abs/2304.11174 <https://arxiv.org/abs/2304.11174>
Aber Lichtwellen mit festen Phasenbeziehungen, die definitionsgemäß auch als kohärent
bezeichnet werden, meinst Du wohl nicht, sondern die Quanten-Kohärenz bis hin zur
Verschränkung. In der Theorie der Dekohärenz werden ja im Anschluss an die
Ensemble-Interpretation der reinen Zustände die Kohärenzen genannten
Außerdiagolalkomponenten des Dichteoperators einfach Null gesetzt. Erklärt wird der
Kollaps damit aber nicht, geschweige denn seine Notwendigkeit. Was hast Du Dir also bei
Deiner notwendigen Dekohärenz gedacht? Dass reine Zustands-Ensembles einer unreinen
Umgebung ausgesetzt faktisch zerfallen?
Die algebraische Diagonalisierung einer Matrix zur Auszeichnung reiner Zustände in der
Physik ebenso wie die Faktorenanalyse in der Stochastik entsprechen mathematisch ja der
Hauptachsentransformation in der Geometrie. Und ich frage mich dabei, ob auch Thomas sich
bei der seiner angenommenen Konsekution einer „semantischen Achse“ von der anschaulichen
Geometrie hat inspirieren lassen. Verständlicher würde mir seine auch Systemenergie
genannte „Semantische Energie“, wenn er sie nicht nur bruchstückhaft, sondern einmal
stringent folgerichtig präsentierte.
Thomas schrieb: „Semantische oder System-Energie ist somit die zurückgreifende, um sich
greifende und vorausgreifende Kraft einer Melodie, eines Gedichts, eines Systems als
Ganzer und als Ganzem, zusammengesetzt aus der Dynamik als Kohärenz-Konvergenz seiner
dynamischen Elemente. Es ist die Kraft ein der Aufnahme, Realisierung und Fortschreibung
je eines Systems, in der Zukunftsgestaltung als System.“ So ähnlich könnte metaphorisch
auch über die Quanten-Kohärenzen geschrieben werden. Der sprachliche Übergang von
Semantischer oder Systemenergie zu einer Kraft ergäbe in der Physik allerdings keinen
Sinn; denn Kraft und Energie können nicht gleichgesetzt werden, da zumindest die
konservative Kraft als räumlicher Gradient potentieller Energie definiert ist. Und die
über ein Zeitintervall integrierte Kraft wird ja Kraftstoß genannt.
IT
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