Am 08.11.2022 um 03:07 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Wesentlicher Inhalt meines Informations-Statements ist an Feynmans „it‘s all about atoms“
angelehnt.
Strophen aus Feynmans Gedicht „stand at the seashore, alone, and start to think“ bilden
mir die „Brücke“ von seinem auf mein Statement: …
Atome als Träger von Information: Tanzende Muster von Atomen, DNA, Protein, Atome mit
Bewusstsein; das ist nichts anderes als Information, die Materie in Form bringt.
Feynman hätte genausogut sagen können: it‘s all about information. Da ist nichts mit
Propaganda!
Moin Karl,
ich liebe schöne Gedichte und auch das Feynman’s kannte ich natürlich schon,— aber das ist
Literatur. Wie wird daraus Wissenschaft? Und warum hätte Feynman sagen können: it‘s all
about information? Weil er so wie Spinoza dachte, der „Gott“ und Natur ja gleich
definierte? Weil er das Quantencomputing auf den Weg brachte? Womöglich war ihm aber die
Physis im grandios erlebten Meeresrauschen am Strand naheliegender, da direkter fühlbar.
Mir fällt dazu natürlich wieder Woody Allen ein: "Human beings are divided into mind
and body. The mind embraces all the nobler aspirations, like poetry and philosophy, but
the body has all the fun“. Feynman war ja auch Lebemann, aber mit seinem Gesamtwerk bin
ich noch nicht durch. Das Projekt zu Feynman’s Weltsicht liegt bei mir auf Halde.
Informationstragende Photonen wechselwirken mit
Materie, wie das Feynman in seiner Arbeit über light-matter-interaction beschrieben hat.
Neben QED vermittelt die Quantenchromodynamik (QCD mit Gluonen als Energieträger) als
Theorie der starken Wechselwirkung zwischen Quarks noch eher die Bedeutung von Information
durch Farbcodierung.
Neben diesen in ihren Einzelheiten doch sehr komplex theoretischen Überlegungen, Thesen
und Hypothesen stellen sich über den üblichen Alltag hinaus denkende Menschen Fragen, wie
diese Aussagen zu einem hinreichend gesamtheitlichen Weltbild (ohne Anspruch auf die
illusionäre TOE) gefügt werden könnten. Dahin führen verschlungene Wege. Wege, die
gelegentlich immer nur von Genies wie Feynman beschritten werden können und davon auf
verständliche Weise berichten können. Nur gelegentlich entwickelt sich ein Formalismus
(den Du stets forderst) wie z.B das Feynman-Diagramm.
Nein, so etwas wie das Feynman-Diagramm meine ich nicht mit Formalismus, vielmehr den
Formalismus des Standardmodells, aus dem die den Feynman-Diagrammen zugrunde liegenden
Näherungen zur Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeiten bei den WW hergeleitet werden.
Bei Kastner ist es die bis in die 1940er Jahre zurückreichende Absorbertheorie
Wheeler/Feynman’s, auf die sie sich bezieht. Wäre das nicht auch ein Ansatz für Dich?
Synergetik „it‘s all about synergetics“ als
grundlegender denn Information zu sehen, verbietet sich selbstredend!
Schlichtweg, weil Synergetik kein genuines Prinzip ist, wie Information als entropisches
Prinzip (zur Minimierung von Unwissen), sondern die Theorie der Wechselwirkungen von
Elementen komplexer nichtlinearer Systeme. Sie befasst sich mit dynamischer,
selbstorganisierenden Strukturbildung, wobei Phasenübergänge durch intrinsische
Ordnungsparameter gesteuert sind. Diese Ordnungsparameter sind an die Entropie des
betrachteten Systems und damit an Informationsmuster gebunden, also ist Information der
Synergetik prinzipiell vorgängig.
Das zeigt sich auch im Bereich der Neurowissenschaften bei der gesamtheitlich
systemischen Betrachtung (Synergetik) physischer wie psychische Grundfunktionen (Motorik,
Perzeption, Gedächtnis, Entscheidungsprozesse, etc.), die allesamt als neuronale
Informationsverarbeitung zu sehen sind.
Es kommt also auf die Definitionsebene an. Information als aktionsprägendes Prinzip
bestimmt die Struktur von Systemelementen (z.B. des Gehirns/ZNS), ein aus diesen Elementen
gebildetes Gesamtsystem ist dann unter dem Gesichtspunkt der Synergetik zu betrachten.
Ich hatte das Motto "it‘s all about synergetics“ ja nur hypothetisch angeführt, weil
es mir plausibler als das vage Umschreiben von Information erscheint. Aber machen wir
ruhig weiter damit. Zunächst einmal ist die Synergetik ein Teilgebiet der Theorie
Dynamischer Systeme und befasst sich mit den Dynamiken in der Nähe von Übergangsbereichen,
die ebenso grundlegend für die Kosmologie, die Biosphäre, die Menschheit, das Gehirn — und
Bewusstsein sind. Dabei verwendet sie auch Extremal- und Optimierungsverfahren in den
jeweiligen Bereichen für Materie, Energie, Information, Wahrnehmung, Sprache, Gesellschaft
u.a. Die jeweils wohl definierte Information bildet in der Synergetik nur einen Teilaspekt
und ist nicht grundlegend.
Zu Deiner Frage nach der Quelle meines Bezugs auf
C.F.v. Weizsäcker „Das VIELE im EINEN und vice versa“: Weizsäcker beschreibt diesen
Zusammenhang in mehreren Schriften und auch Vorträgen.
Konkret habe ich das in seinem Buch „Die Einheit der Natur“ hier vorliegen. Er schreibt,
wie ich eben nachgelesen habe, nicht von Verschränkung, sondern von Wechselwirkung.
Nun hast Du mich indirekt wieder auf diese Spur gebracht und muss mir den Abschnitt
nochmal durchlesen. Es ist immer wieder verwunderlich: Selbst sicher geglaubte Erkenntnis,
die man vor Jahren zu haben schien, relativiert sich, fällt bisweilen sogar in sich
zusammen, wenn man sich erneut damit beschäftigt.
Das geht jedem Menschen so, aber Erinnerungstrübungen werden natürlich verstärkt durch
Weltsichtbeschränkungen. Auch deshalb ist es mir wichtig, mit Fachausdrücken nicht
beliebig umzugehen. Die von Schrödinger 1935 eingeführte Verschränkung hat eine präzise
Bedeutung zunächst nur in der Quantenmechanik. Natürlich kann man sie metaphysisch auf
eine Nichtlokalität der Natur erweitern und speziell im Leben wie im Bewusstsein
verwirklicht sehen. Aber je spekulativer es wird, desto wichtiger werden die Formalismen
und Experimente.
Wittgenstein ist mir als „Umganssprachler“ näher, denn
als Logiker und Bohm (was war da noch mit ihm? -
Du sagst, „Bei der Dekohärenztheorie handelt es sich um eine Anwendung der QM, in der
Bohmschen Mechanik bspw. kommt sie nicht vor,“
Nun, das mag mit der Unvollständigkeit der QM zusammenhängen, von der auch Bohm ausging.
Ich sehe seine Führungswelle nicht als Einzelwelle, sondern als Feld in Superposition
residierend, aus dem sich zu jeder Zeit, an jedem Ort eine Dekohärenz ergeben kann, die
dem Gesamtfeld keinen Abbruch tut. Admirabilis transitus a potentia ad actum. Leibniz‘
auf Aristoteles zurückgehende Entelechie (Kraft des metaphysischen Punktes als Monade) und
damit sind wir wieder bei Metaphysik angelangt: Dir zum Missfallen, mit zum Wohlgefallen.
Damit bestätigst Du nur, dass es sich bei der Dekohärenztheorie um eine Interpretation
(unter vielen anderen) handelt. In der Formulierung Dürrs der Bohmschen Mechanik als bloße
Statistische Mechanik kommt die Dekohärenztheorie auch nicht vor. Man kann mit ihr
arbeiten, aber sie ist nicht grundlegend.
Ja, im Gegensatz zu Detlef Dürr gelangen wir mit David Bohm in die Metaphysik — ebenso wie
extensiv mit Barad, aber nur marginal mit Kastner. In Verbindung mit der von Galtung 1969
eingeführten strukturellen Gewalt ist mir gerade aufgefallen, dass er bei der Gewalt mit
der Unterscheidung von latenter und manifester Gewalt ein ähnliches Bild wählte wie das
Kastners vom Eisberg. So wie die Absorbertheorie der Quantenmechanik latent ist bzw. der
aktualen Welt die Quantenwelt, ist im Kosmos, dem Leben, dem Menschen stets die Gewalt
latent. Das ist naürlich eine krude Analogie, lohnt es aber, weiter bedacht zu werden.
Dabei ginge es von Wheeler/Feynman über Cramer und Kastner bis hin zu Barad und Galtung —
womöglich geradewegs hinein in den synergetischen Übergang von der Auto- in die
Informationsgesellschaft.
IT