Am 17.04.2024 um 15:32 schrieb waldemar hammel über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
hallo karl,
na, überlege mal selbst mit,
wir haben unvermeidlich "einen doppelten knick in unserer optik" bei der
wahrnehmung der realität, wahrnehmung = primär, an der nachgeordnet dann unser denken,
überlegen, und dafürhalten hängt:
(erweiterter radikaler konstruktivismus)
Ja genau darum geht es mir ja in meiner Kritik gegen den Konstruktivismus. Eher sollte ich
sagen, nicht gegen Konstruktivismus als eine gültige Form von Erkenntnistheorie an sich,
da dieser ja vom Grundsatz her nicht zu leugnen ist.
Soweit diese Theorie davon ausgeht, dass Wahrnehmung von Lebensrealität immer zunächst
eine „Konstruktion“ des Gehirns/ZNS und damit die Möglichkeit einer subjektiv falliblen
Inferenz der wahrgenommenen Gegenständlichkeit gegeben ist, kann es kein gültiges Argument
gegen diese Aussage geben.
Lebenspraktisch wirkt sich solchermaßen konstruierte Perzeption jedoch nur selten negativ
aus, da die subjektive Wahrnehmung und darauf basierende kognitive Konstruktion letztlich
durch das soziale Umfeld eines Menschen objektiviert wird.
Einzig in Betrachtung solipsistisch angelegter Persönlichkeitsmerkmale kommt es zu
bisweilen pathologischen Wahrnehmungsverzerrungen, wie etwa Wahnvorstellungen in Form von
unzutreffender Interpretation der Lebensumwelt. Dramatisch für Betroffene, gleichermaßen
für die mental kranke Person, wie für Menschen in deren direktem Umfeld ist, dass erstere
ihre irrige Interpretation, als eine objektiv gültige annehmen und diese Position nicht
selten radikal vertreten.
Mag nun sein, dass Du, Waldemar, aus Deiner Berufszeit in der Forensik durch derartige
Erlebnisse geprägt bist. Diese Art von fehlerhafter Wahrnehmung des Lebensumfelds wirkt
sich jedoch keineswegs in der Alltagsgesellschaft aus. Wenn es in letzterer um
Wirklichkeit, resp. Wahrheit geht, kommt diese zutage, modulo der Mechanismen, die
politisch zu deren Unterdrückung, bzw. Verfälschung angelegt sind, wie das für autoritär
geführte Gesellschaften der Fall ist.
Konstruktivismus, einerlei in welcher Ausprägung, ist nur dann gesellschaftskritisch
relevant, wenn er sich in ausschließlich kognitiver Selbstbezogenheit (Egomanie,
Megalomanie) darstellt. Da denke ich mit Grauen an anstehende Wahlen in Übersee. Mildere
Formen pipolorarer psychischer Störungen finden sich aller Orten.
Dass der Mensch bei kognitiven Perzeptionsprozessen immer zunächst eine mentale
Konstruktion ausführt, wird durch das gesellschaftliche Umfeld relativiert und somit wird
ein ggf. radikales zu einem relationalen, üblicherweise gesellschaftsverträglichen
Konstrukt. In der Summe gemeinschaftlicher Wahrnehmung verliert sich die Fallibilität
subjektiver kognitiver Konstrukte. Das bezieht sich jedoch nur auf Gegenständlichkeiten
und nicht auf diverse Weltauffassungen.
KJ
PS: Nun, Dein Apfel-Beispiel. Einmal mehr. Morgen esse ich einen Apfel und mir kommt es
dabei nicht in den Sinn, während ich ihn wasche und das Kerngehäuse heraus schneide,
dieser im Planckzeit-Tempo um beliebige Plack-Längen gealtert ist. Einzig, wenn er so
verschrumpelt und seine Schale unansehnlich ist, denke ich, dass er nicht mehr jung und
frisch ist, schäle ihn ab und das im KJ-Tempo :-)) Das heißt ja nicht, dass die
mikroskopische Sicht auf dieses Geschehen uninteressant ist, aber womöglich ebenso
alltagsfern, wie der Gedanke an Millionen Bakterien auf der Arbeitsplatte meiner Küche,
seien diese hilfreich oder einfach nur eklig.
zu Deinen anderen Punkten komme ich später