Jetzt möchte ich doch eine kurze Antwort auf diesen Beitrag von Dir, Ingo, geben. Wie ich
angedeutet habe, wollte ich mich einmal mehr mit dem Zeitbegriff beschäftigen und meine
Gedanken dazu hier in philweb diskutieren.
Doch grade mal so eben über Zeit schreiben zu wollen, würde kaum über den alltäglichen,
vagen Zeitbegriff mit all seinen tausendfach beschriebenen, allseits bekannten
Ausdeutungen hinausreichen; darüber muss man auch gar nicht mehr nachdenken und schon gar
nicht schreiben.
Wirklich interessant wird die Betrachtung des Zeit-Phänomens, wenn man Zeit ähnlich dem
Teilchen-/Wellendualismus zum einen granuliert, zum andern als quasi unendliches Kontinuum
ansieht. Raumzeit (RZ) erscheint im Alltagsempfinden - wie eben die Zeit an sich - als
gleichförmig und kontinuierlich, wenngleich Raum und Zeit vom Gehirn jeweils separat
wahrgenommen werden. Dennoch ist RZ granuliert und somit auch die Zeit; Finkelstein
bezieht sich offenbar darauf, insoweit er ein Zeitquant einführt; lediglich dessen
Dimension übersteigt sehr deutlich die der Plancklänge (wie ich‘s zuletzt hier ausführte)
und damit rückte sein Thesenpapier wieder in den Hintergrund.
In dieser Richtung über Zeit nachzudenken lohnt sich also, sofern man überhaupt Interesse
daran hat.
Vieles, was ich über Zeit hier diskutieren wollte, hast Du in diesem Beitrag schon
angeführt und es ist angebracht (sofern das Thema interessiert), diesen nochmal genau zu
lesen. Das will ich in nächster Zeit (sic!) tun, davor liegt jedoch noch ein Berg anderer
Aufgaben, den ich unbedingt etwas abtragen muss.
Beste Grüße! - Karl
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Am 29.01.2022 um 13:57 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
So wie es Du hervorhebst meinte ich es nicht. Mich nervt das ständige Wiederholen. Alles
kann diskutiert werden, aber nicht dogmatisch-propagandistisch immer wieder. Mir geht es
um Erkenntnisfortschritt, Weiter- und Zusammendenken. Nimm als Beispiel Thomas, der auch
der umgangssprachlichen Bedeutungsvielfalt verfallen ist, uns aber nicht ständig mit
Sprüchen behelligt, vielmehr ab und an einmalig auf seine weiteren Untersuchungen hinweist
einschließlich derer, die ihn inspiriert haben, wie zuletzt z.B. "Time, space, and
events in language and cognition: a comparative view.“
Mit seinem "new polycontextural model of biopsychosocial interaction“ tue ich mich
allerdings schwer, obwohl "no pseudo-dimensionality of time, no empty space“ auch mit
vielen mathematischen und physikalischen Ansätzen vereinbar ist. Eine
"Topic-dependent resolution“ gibt es ebenfalls in dem Roman „Die Schuldlosen“ und
Ebenenverfeinerungen auch in der Q-Sprache des "deep quantum models“ Finkelsteins
(siehe unten).
… Also würde ich gerne Gedanken, Ideen über
„Zeit" resp. zum Zeitbegriff
hier im Forum mit anderen austauschen, selbst wenn sie unausgegoren sind
und eigentlich sein müssen – ansonsten wir Anwärter für einen Nobelpreis
wären.
Das Problem der Zeit passt gut zum Thread; denn Zeit lässt sich ja schon aus dem nächsten
Schritt hin zum Fortschreiten verstehen, um so zu einem Zeitverständnis von Übergängen
zwischen Zuständen bis hin zum Prozess zwischen Ereignissen einschließlich der
Kontinuumsübergänge zu gelangen . Peter Janich ist in seiner „Protophysik der Zeit“ 1980
ähnlich alltagsbezogen vorgegangen, um schrittweise und zirkelfrei die Uhrzeit zu
konstruieren ohne Physik bereits vorauszusetzen. Und 1996 hatte er für „Die Konstitution
der Zeit durch Handeln und Reden“ argumentiert. Über seinen alltagspraktischen Zugang zur
Zeit haben wir uns hier in der Runde bereits wiederholt ausgetauscht.
Neu aber ist, wie Finkelstein in DEEP QUANTUM TIME nach der Zeit fragt:
https://fqxi.org/community/forum/topic/367
"What is time?“ Eine hier und in der Philosophie allgemein häufig gestellte Frage.
Davids Antwort: "I describe, at a quantum level of detail, a still greater isotropy —
or symmetry, as physicists call it, which can mean either a bilateral symmetry or a
rotational one.“ Und "Q, the language of these deep quantum models, is a quantum
synthesis of the fractal and the continuous: A network just like Q grows out of every
element of Q, and yet Q can be continuously rotated about the plane of any two monads in
Q. Any dyad — product of two monads — defines such a rotation.“ Mit zu strukturierenden
Zuständen oder Ereignissen anzufangen scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein; der die
gesamte Physik basieren könnte und nicht nur eine Teiltheorie. Was aber stets gefordert
werden muss, ist die Vereinbarkeit mit den empirisch gehaltvollen Standardtheorien. Und
daran hapert es in fast allen unorthodoxen Zeitvorstellungen, die mir untergekommen sind.
Im Gegensatz zu Janichs meth. konstr. top-down—Ansatz geht Finkelstein selbstkonsistent
bottom-up vor, was für Philosophen zumeist nicht akzeptabel ist. Zwischen dem
technikbasierten Ansatz Janichs und dem fundamentalphyiskalischen Finkelsteins liegen die
vielen umgangssprachlich vieldeutigen Zugänge zum Zeitverständnis auf dem weiten Feld
zwischen Zeitgefühl und Uhrzeit. Dabei vergeht die Zeit ja nicht nur, sie entsteht auch
ständig zwischen Vergangenheit und Zukunft. Aus der wirklichkeitsbezogenen Erinnerung
heraus orientieren wir uns an unserem Lebensentwurf im Möglichkeitsraum unseres
Bewusstseins. Daran anknüpfend gibt es so viele Zeiten wie Menschen und in jedem Menschen
wiederum schaffen viele molekulare und zelluläre Oszillationen ihre je eigenen Zeitmaße,
die eingestimmt schwingen in dem circadianischen Rhythmus unserer Anpassung an die
Lebensbedingungen hier auf der Erde. Das Zusammenwirken all dieser oszillierenden Vorgänge
im Organismus ist noch weitgehend unerforscht. Eine vage Ahnung davon ist uns lediglich im
Zeitgefühl gegeben.
Aber das alles sind bloß Äußerlichkeiten; denn das Geheimnis liegt ja in dem allen
Zeitmaßen zugrunde liegenden Wandel, der Veränderung, die durch Zeit bloß gemessen wird.
Mit Längenmaßen vergleiche ich die vorgefundenen, erbauten oder sich bildenden
Raumausdehnungen, in denen ich mich bewege und mit Zeitmaßen die Veränderungen, die sich
stets in mir wie in der Natur von selbst vollziehen. Dieses Naturgeheimnis des (am kurzen
menschlichen Leben gemessenen} ewigen Wandels in allem ist es, das beunruhigt und
herausfordert. Dass Zeitmaße aus Selbstbezüglichkeiten heraus entstehen können oder dass
es sich schlicht um eine allem innewohnende Seinsverfassung handeln soll, lüftet das
Geheimnis nicht; denn einfach angenommen werden kann das Werden des Seins nicht, die
Verbindung müsste sich schon als notwendig und nicht nur möglich erweisen. Ontologische
Logiker werden sich vielfach daran versucht haben,— aber wer sind die eigentlich? Ich habe
in den philosophischen Ontologien und Zeitlogiken den Überblick verloren.
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