Am 11.03.22 um 18:46 schrieb Ingo Tessmann:
an Habermas scheinst Du einen Bären gefressen zu
haben.
Ja, das stimmt, ich lache mich gerade zu Tode, hoffentlich höre ich bald
auf zu lachen.
Zurück zu Habermas. Im Gegensatz zu seiner
historisch-genetischen
Begründung der Universalpragmatik hatte ich einmal inspiriert von
Lorenzen an eine Begründung via Ideationsverfahren gedacht. Die steht
aber bis heute — wie noch so vieles — auf meiner to-do-List. Wie man
(auch kulturübergreifend) vom Dissens zum Konsens kommt, wirst Du doch
schon häufig selbst hin- bzw. mitbekommen haben, nehme ich an. Das ist
normale kommunikative Alltagspraxis. Wie lebst Du denn?
Ich lebe im ständigen Streit mit allen und allem, vom privaten bis zum
theoretischen Bereich, deine Bemerkung ist bei mir völlig an der
richtigen Stelle. Ich bin zur Zeit an der Frage der Trennung, die
Sigmund Freud zwar ins Licht stellte, aber sie trotzdem nur sehr
spärlich anging, bei ihm ging es um die Ablösung. Hier sind schon mal
nebenbei vier Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Emanzipation
hier der Absatz: Geglückte Emanzipation
https://de.wikipedia.org/wiki/Individuation
https://de.wikipedia.org/wiki/Abl%C3%B6sung_(Psychologie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Postadoleszenz
und dem ist dann die Vergemeinschaftung entgegen zu stellen. Das nur als
Antwort auf deine Frage oben. Sehr wenig hat diese Sache sogar mit dem
ewigen Frieden zu tun, aber immerhin.
Wie in der dynamischen Spieltheorie Kooperation aus
Konkurrenz hervorgehen kann, wird es erst recht in dynamischer Kommunikation möglich sein,
aus Dissens Konsens zu erlangen. Vorausgesetzt natürlich, dass es friedfertig und
gewaltfrei zugeht. Landwehr bezieht sich in seinem Buch zum diskursiven Wandel bspw. auf
einen gesonderten politischen Kommunikationsraum. Aber warum sollte der nicht auch in
hinreichend angepasster Kommunikation aufgehen können?
Warum sollte er denn darin aufgehen?
Mir
scheint das Geschreibe von einem „Kommunikationsraum“ bloß aufgeblasen, es handelt sich
schlicht um menschliche Kommunikation, auch in der Politik.
Ja und nein, einverstanden. Ich gehe nicht von Kommunikation aus,
sondern von dem Einzelnen. Stell dir vor, du findest eine Person, die
sich dir annähern will. Sagst du dann: Wir wollen die Kommunikation, die
Freundschaft fördern. Wir wollen die Gemeinschaft, die Liebe, die
gemeinsamen Gefühle pflegen? Ich habe nichts dagegen, wenn du so tust.
Es ist eine Vorgehensweise. Der oder die andere könnte dann sagen: Ich
will dich nicht wegen irgend einem Geist zwischen uns, sondern wegen
etwas anderem. Was sagst du dann?
JH: Die Mittel-Zweck-Denken ist überholt. Das sage ich
mal, ohne es hier zu beweisen. Jede Sache steht für sich. Wo gibt es in der Natur Mittel
und Zweck oder Ziel? Die Wurzel das Mittel für den Baum? Das Bein ein Mittel für das Tier?
Oder in der Technik? Das Rad das Mittel für das Auto? In der Physik: Die Temperatur das
Mittel für die Verbrennung?
IT: Wie schön, jetzt haben wir einen Dissens: JH: Jede Sache steht für sich. IT: Nichts
steht für sich, alles hängt mit allem zusammen. Konsens zum Dissens: Jede Sache steht
näherungsweise für sich.
Einverstanden, nach Hegel oder schon nach Kant?
Dass es in der Natur weder Zwecke noch Ziele gibt,
schließt nicht aus, dass Menschen sich kommunikativ Zwecke und Ziele setzen können.
Politik setzt Zwecke und Technik stellt die Mittel bereit. Weil alles mit allem
zusammenhängt, sind Mittel-Zweck-Beziehungen in der Politik natürlich stets nur mehr oder
minder grobe Näherungen, ebenso wie Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Technik. Amüsiert
darüber war ja schon Goethe; ist doch die Realität fast immer eine Parodie der Idee.
Gleichwohl können Beine, Räder oder Autos Mittel für Fortbewegungen sein. Und ein Mittel
für Verbrennung ist Sauerstoff.
Da steckt viel Wahres in dem Absatz.
Gegen Pandemien hilft impfen, impfen, impfen.
Kaum bin ich auf der Straße, schon läuft mir einer mit einer Spritze
nach. Obwohl ich weder Querer noch Paniker bin.
Gegen Kommunikationsdefizite hilft lernen, lernen,
lernen.
Schön wär's. Dann würde ich sofort damit anfangen.
Also die Mittel-Zweck-Diskussion habe ich leider übergangen,
entschuldige. Ich kann diese leider nicht fortsetzen, hoffe sie
irgendwann aber nachholen. Vielen Dank vorerst schon für deine
Anregungen. Bis zum nächsten Mal, wenn ich wieder auf JH grundlos
eindresche.
JH