Am 28.01.2022 um 01:58 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Eigentlich sind es ja nur ein paar Zeilen, mit denen Du, Ingo, Deinen
Unmut über Beiträge hier zum Ausdruck bringst; doch diese haben‘s in
sich und so müsste ich mir ausreichend Zeit nehmen, um darauf adäquat
antworten zu können. Doch diese Zeit kann ich augenblicklich nicht
aufbringen und möchte daher vornehmlich auf einen Punkt eingehen,
nämlich den der unvermeidlich unterschiedlichen Bildungswege von Menschen.
Hi Karl,
über unsere unterschiedlichen Bildungswege war ich im Vergleich mit Waldemar schon
mehrfach eingegangen und hatte ihn bspw. mit den in den Anfangssemestern immer wieder
selbstherrlich auftretenden Besserwissern, Wichtigtuern und Selbstdarstellern verglichen,
die aber aufgrund ihrer Selbstüberschätzung selten die Prüfungen bestehen. Diesmal spitzte
ich die Situation weiter zu, weil er sich indirekt auch noch als „kreativ“ bezeichnete, so
dass mir sogleich die sogenannte Kreativwirtschaft in den Sinn kam, wo die oben genannten
Aufschneider meinem Eindruck nach hauptsächlich unterkommen, wenn man von dem ständig
produzierten Schwachsinn in Werbesprüchen auf ihre Urheber schließt.
… Grundsätzlich möchte man doch meinen, „gelernt
haben“ würde bedeuten,
etwas auch verstanden zu haben. Dennoch denke ich, gibt es da einen
erheblichen Unterschiede. ...
… Also gilt doch einmal mehr: die Art und Weise, wie Menschen sich Wissen
aneignen und sich daraus einen gewissen Bildungsstand erarbeiten, ist
notwendigerweise sehr unterschiedlich; Dabei ist es mit purer Ansammlung
von Wissen, eben ohne diesbezüglich tieferes Verständnis und damit ohne
hinreichende Inferenzbildung nicht getan.
Die Diskrepanz, die Du im Studium zwischen Lernen und Verstehen erfahren hast, kam bei mir
kaum vor, da es schon seit Kindertagen mein Anliegen ist, die Welt verstehen zu wollen.
Das begann mit dem erinnerten Staunen des etwa Vierjährigen über die Eisblumen damals an
den Fensterscheiben — und führte mich natürlich geradewegs in die Physik. Als Underdog war
mein Bildungsweg allerdings sehr weit von der Volksschule bis in die Uni, aber immer
wollte ich mehr wissen und verstehen, was dahinter steckte. Als Schüler bei den Zeichnern,
als Zeichner bei den Ingenieuren, als Ingenieur bei den Physikern.
Dabei beschränkte sich das FH-Studium hauptsächlich auf Wissenserwerb und dem technischen
Funktionieren und war entsprechend leicht zu bewältigen. Meine Verstehensbemühungen
betrieb ich nebenher. An der Uni dann endlich ging es tatsächlich ums Verstehen, ums
Beweisen und Experimentieren. Denn wie begründet war das Wissen und warum funktionierte
etwas? Ein Durchmogeln im Labor oder durch Übungen und Klausuren war nicht möglich, da die
Ergebnisse der Experimente direkt kontrolliert wurden, Lösungen der Übungen vorgetragen
werden mussten und jeder Kurs bzw. Studienabschnitt auch mit einer mündlichen Prüfung
abschloss.
Die Frage bleibt also: Sollte man eigene Ideen (und
seien sie noch so
unausgegoren) hier diskutieren können/dürfen oder muss man sie, um nicht
in Schwafelei zu verfallen, schlichtweg für sich behalten?
So wie es Du hervorhebst meinte ich es nicht. Mich nervt das ständige Wiederholen. Alles
kann diskutiert werden, aber nicht dogmatisch-propagandistisch immer wieder. Mir geht es
um Erkenntnisfortschritt, Weiter- und Zusammendenken. Nimm als Beispiel Thomas, der auch
der umgangssprachlichen Bedeutungsvielfalt verfallen ist, uns aber nicht ständig mit
Sprüchen behelligt, vielmehr ab und an einmalig auf seine weiteren Untersuchungen hinweist
einschließlich derer, die ihn inspiriert haben, wie zuletzt z.B. "Time, space, and
events in language and cognition: a comparative view.“
Mit seinem "new polycontextural model of biopsychosocial interaction“ tue ich mich
allerdings schwer, obwohl "no pseudo-dimensionality of time, no empty space“ auch mit
vielen mathematischen und physikalischen Ansätzen vereinbar ist. Eine
"Topic-dependent resolution“ gibt es ebenfalls in dem Roman „Die Schuldlosen“ und
Ebenenverfeinerungen auch in der Q-Sprache des "deep quantum models“ Finkelsteins
(siehe unten).
… Also würde ich gerne Gedanken, Ideen über
„Zeit" resp. zum Zeitbegriff
hier im Forum mit anderen austauschen, selbst wenn sie unausgegoren sind
und eigentlich sein müssen – ansonsten wir Anwärter für einen Nobelpreis
wären.
Das Problem der Zeit passt gut zum Thread; denn Zeit lässt sich ja schon aus dem nächsten
Schritt hin zum Fortschreiten verstehen, um so zu einem Zeitverständnis von Übergängen
zwischen Zuständen bis hin zum Prozess zwischen Ereignissen einschließlich der
Kontinuumsübergänge zu gelangen . Peter Janich ist in seiner „Protophysik der Zeit“ 1980
ähnlich alltagsbezogen vorgegangen, um schrittweise und zirkelfrei die Uhrzeit zu
konstruieren ohne Physik bereits vorauszusetzen. Und 1996 hatte er für „Die Konstitution
der Zeit durch Handeln und Reden“ argumentiert. Über seinen alltagspraktischen Zugang zur
Zeit haben wir uns hier in der Runde bereits wiederholt ausgetauscht.
Neu aber ist, wie Finkelstein in DEEP QUANTUM TIME nach der Zeit fragt:
https://fqxi.org/community/forum/topic/367
"What is time?“ Eine hier und in der Philosophie allgemein häufig gestellte Frage.
Davids Antwort: "I describe, at a quantum level of detail, a still greater isotropy —
or symmetry, as physicists call it, which can mean either a bilateral symmetry or a
rotational one.“ Und "Q, the language of these deep quantum models, is a quantum
synthesis of the fractal and the continuous: A network just like Q grows out of every
element of Q, and yet Q can be continuously rotated about the plane of any two monads in
Q. Any dyad — product of two monads — defines such a rotation.“ Mit zu strukturierenden
Zuständen oder Ereignissen anzufangen scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein; der die
gesamte Physik basieren könnte und nicht nur eine Teiltheorie. Was aber stets gefordert
werden muss, ist die Vereinbarkeit mit den empirisch gehaltvollen Standardtheorien. Und
daran hapert es in fast allen unorthodoxen Zeitvorstellungen, die mir untergekommen sind.
Im Gegensatz zu Janichs meth. konstr. top-down—Ansatz geht Finkelstein selbstkonsistent
bottom-up vor, was für Philosophen zumeist nicht akzeptabel ist. Zwischen dem
technikbasierten Ansatz Janichs und dem fundamentalphyiskalischen Finkelsteins liegen die
vielen umgangssprachlich vieldeutigen Zugänge zum Zeitverständnis auf dem weiten Feld
zwischen Zeitgefühl und Uhrzeit. Dabei vergeht die Zeit ja nicht nur, sie entsteht auch
ständig zwischen Vergangenheit und Zukunft. Aus der wirklichkeitsbezogenen Erinnerung
heraus orientieren wir uns an unserem Lebensentwurf im Möglichkeitsraum unseres
Bewusstseins. Daran anknüpfend gibt es so viele Zeiten wie Menschen und in jedem Menschen
wiederum schaffen viele molekulare und zelluläre Oszillationen ihre je eigenen Zeitmaße,
die eingestimmt schwingen in dem circadianischen Rhythmus unserer Anpassung an die
Lebensbedingungen hier auf der Erde. Das Zusammenwirken all dieser oszillierenden Vorgänge
im Organismus ist noch weitgehend unerforscht. Eine vage Ahnung davon ist uns lediglich im
Zeitgefühl gegeben.
Aber das alles sind bloß Äußerlichkeiten; denn das Geheimnis liegt ja in dem allen
Zeitmaßen zugrunde liegenden Wandel, der Veränderung, die durch Zeit bloß gemessen wird.
Mit Längenmaßen vergleiche ich die vorgefundenen, erbauten oder sich bildenden
Raumausdehnungen, in denen ich mich bewege und mit Zeitmaßen die Veränderungen, die sich
stets in mir wie in der Natur von selbst vollziehen. Dieses Naturgeheimnis des (am kurzen
menschlichen Leben gemessenen} ewigen Wandels in allem ist es, das beunruhigt und
herausfordert. Dass Zeitmaße aus Selbstbezüglichkeiten heraus entstehen können oder dass
es sich schlicht um eine allem innewohnende Seinsverfassung handeln soll, lüftet das
Geheimnis nicht; denn einfach angenommen werden kann das Werden des Seins nicht, die
Verbindung müsste sich schon als notwendig und nicht nur möglich erweisen. Ontologische
Logiker werden sich vielfach daran versucht haben,— aber wer sind die eigentlich? Ich habe
in den philosophischen Ontologien und Zeitlogiken den Überblick verloren.
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