Am 11.04.2023 um 22:43 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
https://weltordnung.de/Aktuell.html
Dort ist wieder ein neuer Text: "INUS-Bedingung", den ich heute auf die
Schnelle schrieb. Zerschmetternde Kritik ist erwünscht.
Diesen Text habe ich nun – neben anderen - auf „weltordnung“ gelesen und da gibt es,
zumindest aus meiner Sicht, nichts kritisch zu „zerschmettern“. Es sind Texte, die in
ihrer Art nahezu über ein Alleinstellungsmerkmal verfügen. Und da kommt mir Ingos Einwand
in den Sinn, wonach es nicht auf Worte (an sich) ankommt, sondern – wie bei aller
Begrifflichkeit – auf deren kontextuellen Bezug, der sich in ihrer jeweiligen Bedeutung
ausdrückt. Doch nur sehr selten lässt sich aus nur wenigen oder spezifisch verwendeten
Wörtern ein gesamtheitlich kohärenter Bezug zu einer umfangreichen Thematik herstellen und
ebenso ist es kaum möglich, einen Textbeitrag auf einzelne Wörter und deren spezifisch
zugeeignete Bedeutung zu reduzieren. Für mein Dafürhalten geht es immer auch darum, eine
Aussage, eine Argumentation so zu formulieren, dass deren ganzheitlicher Inhalt vermitteln
wird.
Wie Du, Joseph, in „weltordnung“ schreibst: „egal, ob es in einer Gruppe am Ende einen
Konsens gibt oder nicht, kann jeder Teilnehmer bei seinem Denken bleiben. Es ist fraglich,
ob die Gruppe mit oder wegen der Diskussion etwas gelernt hat.“, relativierst Du den Wert
eines gemeinschaftlichen Diskurses in der Dir zu eigenen eklektischen Wesensart; diese
ehrt Dich, da Du andere Meinungen grundsätzlich gelten lässt. Das führt jedoch
unvermeidlich dazu, dass man Diskussionen nie zu einem Ende, zumindest nicht im Sinne
einer hinreichenden Konvergenz bringen kann.
Ein Schwerpunkt Deiner Denkwelt scheint mir Dein stets auf Worte und Sprache gerichteter
Fokus zu sein, was natürlich sofort an Wittgenstein denken lässt und ich denke, dass
dieser Bezug natürlich äußerst bedeutsam für gemeinschaftliches Diskutieren ist.
Schließlich geht es bei Philosophie - in deren Rahmen sich unser Meinungstausch hier
bewegen will – um den auf Worte reduzierten Ausdruck dessen, wie wir die Lebenswelt und
die darüber hinausreichenden Phänomene jeweils sehen.
Doch, wie gesagt, kommt es dabei darauf an, Aussagen, resp. Argumentationen in einem
ganzheitlichen Bezug, d.h. Worte und Sätze im jeweiligen Kontext zu formulieren.
Du verwendest oft den Begriff „Universalargument“ und zerstreust damit gewissermaßen eine
vorgebrachte Argumentation. Selbst wenn diese nicht klar normativ, analogisierend oder
schlichtweg plausibel geführt wird, bzw. wie Ingo es ausdrückt, nicht dem
„Selbstkonsistenzverfahren“ Genüge leistet, sollte es möglich sein, im gegenseitigen
Wohlwollen eine Diskussion ohne Beharren auf das eigene „Rechthaben“, d.h. nicht in der
unbedingten Annahme über das bessere Argument zu verfügen zu führen, etwa im
Habermas’schen Sinne des „zwanglosen Zwangs des besseren Arguments“.
Wer sollte denn spontan entscheiden, welches vorgebrachte Argument (absolute) Gültigkeit
hat, wo doch nur selten eindeutige Faktenargumente zur Begründung einer Aussage resp.
Behauptung vorgebracht werden. Schließlich würde sich ein Thema schnell beenden lassen,
wenn dieses durch nachgewiesene Faktizität keiner Diskussion mehr bedürfen würde.
Doch nochmal kurz zum „Universalargument“, das als solches kaum hinreichende Aussage- bzw.
Überzeugungskraft haben kann, wenn es um dedizierte Begründungen einer Aussage bzw.
Behauptung als deren jeweils inhaltlich formulierte These geht. Insoweit hast Du absolut
recht, Joseph, wenn Dir eine Argumentation zu spezifisch – wie oft bei Ingo – auf einen
methodologischen Szientismus hinausläuft.
Die Lebenswelt ist eben nicht nur auf Naturwissenschaft resp. Mathematik zu reduzieren,
wobei ich durchaus bei meiner Ansicht bleibe, Natur ist in der Sprache der Mathematik
geschrieben oder meinetwegen „programmiert“, was nichts anderes bedeutet, als sich damit
der Logos hinter allem Geschehen von Welt und Kosmos aufweist.
Ingo spricht zu recht vom laufenden „aneinander vorbei schreiben“ und m.E. wird man dieses
hier in diesem Forum nicht überwinden können. Wie sollte man als Vertreter des Szientismus
jemals mit einer generalistisch, d.h. auch die Dinge jenseits der Wissenschaftlichkeit
betrachtenden Person zu einem Konsens oder auch nur zu hinreichender diskursiven
Konvergenz kommen?
Und es so schließt sich der Kreis zu Deinem o.a. Passus, Joseph, wonach es egal sei, ob es
in einer Gruppe am Ende einen Konsens gibt oder nicht und somit jeder Teilnehmer bei
seinem Denken bleiben kann, sowie fraglich sei, ob ein „Lernen“ in der Diskussionsgruppe
stattgefunden hat.
Ich denke jedoch, dass es bei derartigem Austausch gar nicht auf ein „Lernen“ ankommt,
sondern vielmehr um die Möglichkeit, sich seiner eigenen Denkwege bewußt zu werden, diese
verifizieren und ggf. korrigieren bzw. erweitern zu können.
Weil wir gerade beim Szientismus waren, fällt mir Kutschera ein, den wir hier schon
thematisiert hatten. Wer die Diskussionen hier verfolgt, wird sofort wissen, dass ich
dessen Thesen überhaupt nichts abgewinnen kann, zumal er Geisteswissenschaften, insbes.
die Philosophie überwiegend durch Protagonisten vertreten sieht, die lediglich einseitige
Spekulationen ohne faktischen Bezug verbreiten.
Nun gut, bei Metaphysik Faktizität im Sinne von messbarer, anfassbarer Realität zu
erwarten, bzw. einzufordern, kann einzig nur einem eindimensional angelegten - eben auf
pure szientistische Thesen i.w. ausschließlich biologische Fakten fixierten - Zeitgenossen
widerfahren.
So schräge mir Kutscheras Thesen auch aufscheinen, so sehr führen mich diese in eine
Denkrichtung, die ich früher nicht näher in Betracht gezogen habe und somit erweitere ich
mein Weltbild um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt, ohne diesen für mich zu gelten zu
lassen.
Somit sehe ich den Wert gemeinsamer Diskussion, so kontrovers diese bisweilen hier in
philweb auch geführt wird, der Mühe wert, dieses Forum nach Kräften aufrecht zu erhalten.
Einzig immer wieder mein Wunsch natürlich, es mögen sich viele weitere der hier
eingeschriebenen Personen daran beteiligen.
Es liegt eigentlich an uns, ein Stück weit der rastlos umtriebigen Lebenswelt mit ihrer
horrenden Reiz- und Informationsüberflutung zu entkommen, indem man Themenkreise auf ihren
wesentlichen Inhalt zu begrenzen und hier zu verarbeiten sucht. Leicht gesagt!
Bester Gruß in die Runde – zu später Stunde!
Karl
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