Am 29.04.2024 um 13:42 schrieb ingo mack über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
grau in grau ist alle theorie
viel schneller geht es ohne sie
hierzuland so scheint's gescheiter
kommt man mit Gefasel weiter
Hi IM,
seriöse Theorie wie Hakens Synergetik, die sowohl mathematisch als auch empirisch fundiert
ist, ist natürlich mühsam und zeitaufwändig nachzuvollziehen, stimmt dafür aber und
belohnt mit Einsichten in die Zusammenhänge über mehrere Organisationsebenen hinweg.
Autopoiesis ist ein Schlüsselbegriff in der
soziologischen Systemtheorie
von Niklas Luhmann, ...
Autopoiesis mag ein Schlüsselbegriff sein, aber was mehr als begriffsgymnastisches Gefasel
kommt in der aufgeblasenen Systemtherorie Lehmanns dabei raus? Von empirischem Gehalt ganz
zu schweigen. Aber ähnlich ging es bereits bei Maturana zu, obwohl schon Goethe die
Selbstorganisationsfähigkeit von Organismen in seinen naturwissenschaftlich Schriften
hervorhob. Lesenswert dazu ist die Übersicht von Reiner Penter: GOETHES
NATURWISSENSCHAFTLICHE METHODE - ZUR EINHEIT VON NATUR UND FORSCHER.
„Goethe will ein Naturverständnis, das aus der Gegenwart der Erscheinung selbst die
Erscheinung verstehen kann. Er will nicht den Grund des Vorhandenen woanders suchen als in
dem Gegebenen selbst.“ Aufgrund seiner Abneigung gegen Mathematik hat er es leider nicht
vermocht, aus der empirischen Selbstorganisation heraus selbstkonsistente Theorien zu
entwickeln. Aber auch Maturana und Luhmann blieben bloß qualitativ vage.
Maturana weiter gedacht haben cognitive scientist Francisco J. Varela, philosopher Evan
Thompson, and psychologist Eleanor Rosch in their book "The Embodied Mind: Cognitive
science and human experience.“ Daraus hervorgegangen ist ein Forschungsprogramm:
„Embodiment und Enaktion: Ein neuer Ansatz in den empirischen Humanwissenschaften.“
Wolfgang Tschacher schreibt dazu im Abstract seines gleichnamigen Artikels:
„In den empirischen Humanwissenschaften erhält zunehmend der Ansatz des Embodiment und
des Enaktivismus Gewicht. Diese Perspektive betont die Tatsache, dass Psyche und Sprache
stets in einen Körperbezug eingebettet sind, und kognitive Prozesse in ständiger
sensomotorischer Wechselwirkung mit der Reizumwelt stehen. Diese paradigmatische
Neuorientierung löst derzeit die kognitivistische “Computermetapher” des Geistes ab,
wobei die wechselseitigen (reziproken, bidirektionalen) Wirkungen zwischen Kognition,
Umwelt und Körper in den Fokus des Interesses rücken.“
Im empirischen Bezug treffen sich Enaktivismus und Synergetik. Auf das HKB-Modell hatte
ich bereits in der Mail an Claus hingewiesen. (Ausführlich behandelt wird es in Hakens
„Principles of Brain Dynamics“). Damit ist mathematisch und empirisch die aufgezeichnete
und erlebte Fingerkoordination im Wechselspiel mit den Neuronennetzen verständlich.
"Modeling inter-human movement coordination: synchronization governs joint task
dynamics“, betiteln Alexander Mörtl et al. ihre Arbeit, bei der ich sogleich an den DCP
denke, den uns Thomas wiederholt qualitativ nahe zu bringen versucht hat.
Mörtel et al. heben hervor: "In an experiment, the hand trajectories of ten human
dyads are recorded. Governed by a dynamical process of phase synchronization, the
participants establish in-phase as well as anti-phase relations. The emerging relations
are successfully reproduced by the attractor dynamics of coupled phase oscillators
inspired by the Kuramoto model.“ Yoshiki Kuramoto hat sein Modell ursprünglich zum
Verständnis der musterbildenden chemischen Wellen entwickelt in: "Chemical
Oscillations, Waves, and Turbulence: This book is intended to provide a few asymptotic
methods which can be applied to the dynamics of self-oscillating fields of the
reaction-diffusion type and of some related systems. Such systems, forming cooperative
fields of a large number of interacting similar subunits, are considered as typical
synergetic systems. Because each local subunit itself represents an active dynamical
system functioning only in far-from-equilibrium situations, the entire system is capable
of showing a variety of curious pattern formations and turbulencelike behaviors quite
unfamiliar in thermodynamic cooperative fields.“
leider hat Niclas Luhman schon vor einiger Zeit den
Löffel abgegeben,
über den "wir"seit Beginn an balbiert werden,
aber dieser Artikel enthält einige wesentliche Dinge, die auf einfache
Art und Weise "zeitlos" das Innenverhältnis
von Kommunikation treffend beschreibt.
Wie mit bloßer Begriffsgymnastik das „Innenverhältnis von Kommunikation treffend“
beschrieben worden sein soll, erschließt sich mir nicht.
IT