Am 21.11.2020 um 09:44 schrieb Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Meine Frage lautet: Könnte es sein, dass wir hier das Ende des alten
demokratischen Prinzips sehen, also der Legitimation herrschaftlichen
Handelns durch eine Berufung auf die reale oder scheinbare Zustimmung
der Beherrschten, hin zu einer "Expertokratie" oder "Technokratie",
in
der die Legitimation von herrschaftlichen Handlungen aus der
"Expertise" von bestimmten Organen folgt?
Hi Rat Frag,
Expertokratie vs. Volksvertretung? In der Parteiendemokratie ist das Parlament zunächst
einmal weniger Volks- als vielmehr Parteienvertretung, da es die Parteien sind, die die
Kandidaten bestimmen. Unabhängige Kandidaten wären möglich, sind aber Ausnahmen.
Andererseits sind es nicht die Experten, sondern die Lobbyisten, die den größten Einfluss
auf die Gesetzesvorlagen haben. Das Ende des demokratischen Prinzips sehe ich also nicht
in der Expertokratie, sondern in Lobbyismus und Parteienherrschaft.
In meiner Vision von einer Gelehrtenrepublik spielen Expertengremien natürlich eine
herausragende Rolle, da ihre Entscheidungen rational erfolgen und anhand der öffentlich
zugänglichen Beschlüsse und Begründungen nachvollzogen werden können. Pfaffen und sonstige
Ideologen zähle ich natürlich nicht zu den Experten. Ebenso haben Parteienherrschaft und
Lobbyismus in einer Gelehrtenrepublik keinen Platz, werden doch hauptsächlich
Eigeninteressen verfolgt, in den Parteien zumeist offen, bei den Lobbyisten stets
verdeckt.
Es grüßt,
Ingo