Moin, moin Ingo,
wir schreiben nicht aneinander vorbei, wir schreiben gegeneinander an! Ich habe überhaupt
keinen Grund, bewusst Deiner Argumentation auszuweichen oder davon abzulenken, ebenso
nicht von meiner Meinung bzgl. Ganteförs Aussagen, etwa dieser, dass der Ökosozialismus
Freiheit und Wohlstand der Gesellschaft bedrohen würde.
Von diesbezüglicher Bedrohung würde ich jedoch nicht sprechen wollen, eher von einem
Öko-Diktat, wie beispielsweise restriktive Einschränkungen von Gemeinschaftsessen, wie
Kantinen-, Schul- oder Kitaspeisung, reduziert auf ausschließlich vegane Kost. Hier
reicht gesunder Menschen- oder Hausverstand hin, um eine vernünftig ausgewogene Ernährung
sicherzustellen, die nicht notwendigerweise fleischlos sein muss, modulo ethischer
Erwägungen hinsichtlich der damit verbundenen Züchtung und Tötung von Tieren. Für mein
Teil könnte ich mir letzteres Tun nicht vorstellen, also laufe ich Gefahr, einer
Doppelmoral aufzusitzen, oder eben auch einer Art Selbstgerechtigkeit, wie Du diese mir
ohnehin vorhältst. Mea culpa, also.
Weitaus entscheidender ist m.E. die jeweils persönliche Einstellung und der Wille für ein
allgemein umweltverträgliches Handeln im Alltag.
Natürlich hat sich gezeigt, dass ein alleiniger Appell an die Gesellschaft zu
umweltbewusstem Verhalten nicht hinreicht, um konkrete, zeitnahe Abhilfe hinsichtlich der
Klima- und Umweltverträglichkeit zu erreichen. So sind staatliche Eingriffe im Sinne
entsprechender Vorgaben und Gesetze weiterhin zwingend erforderlich, wenngleich
Deutschland mittlerweile zum diesbezüglichen Vorbild geworden ist.
Wer von uns weltweit, z.B. beruflich unterwegs ist, wird augenscheinlich erfahren, wie es
mit globalem Umweltschutz bestellt ist. Wenn man von fossilem Imperium als
hauptverantwortliche Instanz für Umweltzerstörung spricht, sollte man dabei u.a. nicht die
diesbezüglich verheerende Auswirkung des aktuellen Kriegsgeschehens übersehen. Für jede
angefeuerte Rakete könnten hinsichtlich des CO2-Abdrucks tausende Autos mit sog.
umweltfreundlicher Antriebs-Technologie bewegt werden.
So bliebe mir - trotz aller Selbstherrlichkeit - gar nichts anderes übrig, als in
Waldemars Lamento über den Menschen als missratene Kreatur einzufallen und jeden Tag auf‘s
Neue mich meiner eigenen Verantwortung für umweltverträgliches Handeln bewusst zu machen:
Möglichst wenige Nutzung fossiler Energie, wohl wissend, dass ich trotz PVA am Dach, trotz
E-Auto, trotz Fahrradnutzung oder Fussmärschen in die Stadt, trotz Minimierung von
Elektroverbräuchen durch moderne Hausgerätschaften usf. keinen konkret messbaren Beitrag
zur Minderung des weltweiten Energiebedarfs leisten kann. Denken und handeln jedoch
tausende, gar Millionen Menschen in diesem Sinne, würde das durchaus einen nennenswerten
Beitrag zur Minderung von Umweltbelastungen bedeuten und wäre somit definitiv mehr Wert,
als das jämmerliche Be- und Anklagen des fossilen Imperiums, als hätte man selbst nicht
nach Kräften davon profitiert, zudem dessen Ende ohnehin absehbar ist.
Eigenverantwortliches Handeln ist gefragt, unbenommen der nicht erschöpfend geklärten
Frage nach dem falliblen Wesen des Menschen, angelehnt an Kants berühmte vier Fragen: „Was
kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Philosophie pur (sic! Waldemar).
Eigenverantwortliches Handeln, nicht mehr - nicht weniger. Und wenn Ganteför nun mit
seinen Beiträgen dazu ermuntern, resp. aufrufen kann, sollte man ihn nicht einem
Populisten gleichsetzen.
Leicht daher gesagt sind diese Appelle und sogar halbwegs leicht umsetzbar für all jene
aus gut situierten Gesellschaftsschichten; Leute, die sich ihr Fleisch beim Bio-Metzger,
ihr Gemüse beim Biomarkt und sonstige Nahrungsmittel aus der Bio-Truhe der Diskounter
besorgen und dafür beträchtliche Summen ausgeben können. Typische Grünen-Wähler würde ich
sagen und hoffen, dass sie nicht allzu verächtlich auf jene herunterblicken, die ihre
Schnitzel aus der Supermarkttruhe kaufen müssen, um wenigstens einmal die Woche Fleisch
für die Familie zu haben. Für mein Teil bräuchte ich gar keines, wenngleich es gut
zubereitet durchaus munden kann.
Das sind nun geschilderte Gegensätze hiesiger Wohlstandsgesellschaft, doch wie verhält es
sich mit den breiten, augenscheinlich gut genährten Mittelschichten vornehmlich der
globalen Industriegesellschaften? Ist diese Klientel unweigerlich Antreiber und Teil des
fossilen Imperiums? Oder ist es doch mehrheitlich der weltweite Bevölkerungszuwachs, denn
alleine die für Afrika prognostizierte Wachstumsrate von 3,5% wäre fatal für das Weltklima
und Ganteför hat somit recht, wenn er vom Problem der Überbevölkerung spricht.
Anstieg der Weltbevölkerung und Klimaerwärmung sind selbstredend unmittelbar verknüpfte
Faktoren. Es ist eben längst nicht mehr nur der durch „Fossil-Junkies“ in den
Industriestaaten verursachte Anstieg der globalen CO2-Emissionen, sondern (neben
abertausender Methangas furzender Rinder zur Versorgung der Grillfleisch-Enthusiasten)
auch der durch ungehemmtes Bevölkerungswachstum in sog. unterentwickelten Ländern bedingte
Ressourcenbedarf.
Von den Gefahren dieses Wachstums hatten wir bereits zu Schulzeiten in den 1970ern gewusst
(Club of Rome: „The Limits to Growth“ is the nontechnical report of their findings. The
book contains a message of hope as well. The authors state that: “The challenge of
overshoot from decision delay is real, but easily solvable if human society decided to
act,” meaning that forward looking policy could prevent humanity from overshooting the
aforementioned planetary limits.) Zitat Ende.
Ich kann mich an einen derzeit in English zu schreibenden Aufsatz erinnern: Pollution,
through air and water contamination and other sources is harming mankind and world…and so
on. On and on.
Was hast Du, was hat Waldemar, was haben ich und andere hier seither getan, um diesem
Desaster entgegenzuwirken, warum fangen wir jetzt erst mit dem Wehgeschrei an, wo es
reichlich spät, vielleicht zu spät ist, das Ruder herumzureißen? Ist das nicht pfaffenhaft
scheinheilig, nun das fossile Imperium zu geisseln und dabei zu übergehen, dass unsere
Generation sehr gut mit dem Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre gelebt und dieses bis
heute fortgetrieben hat?
Kürzlich habe ich den Vorwurf aus der GenZ gegenüber dieser unserer Generation vernommen,
wir wären im Begriff, ihnen eine zerrüttete Welt zu übergeben. Nun, diesem Anwurf ist
leicht zu begegnen:
Früher wurde jeder rostige Nagel zum Wiedergebrauch gerade geklopft, man ging zum Bauern
mit der Milchkanne und in den Wald, um Beeren zu pflücken. Es wurden Windeln gewaschen
anstatt Tonnen gepemperten Plastikmüll anzuhäufen, es wurde das Bier in Krügen von der
Wirtsschänke geholt und das Wasser aus der Hausleitung oder dem Gartenbrunnen getrunken
und nicht in Plastik-Bündel gepackten Flaschen vom Getränkemarkt geholt. Es wurde Joghurt
als gestöckelte Milch im sonnengefluteten Fensterbrett angesetzt, anstatt als industriell
hergestelltes Milchprodukt in Plastikbechern zu kaufen. Und so weiter und so fort… Nix is
mit diesbezüglichem Bashing der Baby-Boomer und hoffentlich auch nicht mit ideologisch
verirrten Protagonisten linksgrüner Heilsbringermentalität, die mit wirklich ernst zu
nehmender Ökologie nichts gemein hat.
KJ
Am 07.04.2025 um 14:41 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Moin Karl,
und wieder lenkst Du ab. Ich hatte die Unwahrheit klar benannt, nach der Verarmung,
Deindustrialisierung und Wehrlosigkeit die Folge des Budget-Modells sein soll. Zudem
werden Deutschland und Kalifornien als an Macht und Geld orientierte Klimaorthodoxe
bezeichnet. Das gilt allerdings für fast alle Unternehmen im Kapitalismus. Aber wieviel
Macht und Geld hat das fossile Imperium im Vergleich mit Nachhaltigkeitsförderern? Und auf
die Frage warst Du auch nicht eingegangen. Ganz zu schweigen vom Unsinn der Merzschen
Energiepolitik. Was macht es für einen Sinn, ständig aneinander vorbei zu schreiben?
IT
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