Lieber Ingo T.,
ich freue mich sehr, dass Du Dich mit dem Informationsmodell des Physikers unserer Gruppe
befasst. Sein genialer Trick besteht darin, Information nicht statisch, spndern als
Vorgehen (als Veränderung) aufzufassen. So ist Zeit von vornherein in ihr enthalten, und
auch Arbeiten, Tätig Sein statt bloßem Sein. Dazu gehört auch „Miteinander Arbeiten“,
indem Impulse verarbeitet und im eigenen Handeln berücksichtigt werden. Durch das im
Deuten und Interagieren und Berücksichtigen Erarbeitete wird ein Gehalt, ein Inhalt, eine
Deutung und jeweilige Bedeutung geschaffen – die Information enthält sie, anders als im
ohne Bedeutung auskommenden Shannonschen Modell.
Sein Trick beruht auf dem Einführen von etwas, das er Eigenschaft nennt, und das wie ein
still bereitliegendes Programm, wie Wissen, wie eine Quelle, ein Potenzial wirkt, wenn es
verwirklicht wird. Wir haben es provider of dynamic coherence genannt. Und es mit der
zeithaltigen Potenzialität bei actus- und potentia Differenzierung identifiziert.
Was bei Bevier als geforderte Identität des vermittelnden Zustandes dargestellt ist, kann
als Ergebnis einer Feststellung, dass es eben identisch sei aufgefasst werden. Die
Feststellung lautet dann: „passt“. Ohne jede geistige Tätigkeit kann dieses ganz im
Geschehen enthaltene Deuten jedem Schloss in Bezug auf einen Schlüssel zugesprochen
werden. Damit ist die stillschweigend integrierte Hermeneutik im Spiel.
Dann habe ich versucht, dem Stiften sequentieller und paralleler Kohärenz als im Handeln
enthaltenes Stiften von Sinn und Bedeutung noch durch pseudo-räumliche Bebilderung
Ausdruck zu verleihen. Das war dann die Idee des „Kreisens“ von Abfolgen und
Gleichzeitigkeiten um ein „virtuelles Thema“, den „Inhalt“ alias momentan erzeugten Sinn.
Was in dem Bild fehlte, war die Berücksichtigung von Zufall und Entropie, und die ist im
Shannonschen und Fisher-Vorgehen mitgedacht. Bayes-Statistik kann auch mit
Auftretenswahrscheinlichkeiten in Verbindung gebracht werden. Diesem Dazwischenfunken von
Zufall und entsprechende Informations- und Kohärenz-Unterbrechung versuche ich in dem
pseudo-räumlichen Bild Ausdruck zu verleihen, indem die Spirale immer wieder in das Meer
des Zufalls eintaucht – das ein Meer der Möglichkeiten einschließlich Wachstum,
Erweiterung und Untergang ist.
So viel auf die Schnelle,
Danke noch einmal für Dein Mit- und Weiterdenken,
Thomas
Am 04.05.2025 um 16:16 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 04.05.2025 um 11:52 schrieb Dr. Dr. Thomas
Fröhlich über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at
<mailto:philweb@lists.philo.at>>:
Meine „Elemente“ sind aber nicht Zeichen und
nicht Information, sondern jeweilige Informationsverarbeitungen. Sie leben eine
Perspektive und können „denken“, sie sind selbst tätig, semi-autonom, sie nehmen wahr,
deuten, ordnen ein. Sie sind dem Zufall ausgesetzt, und – aus zwei- oder mehrgliedriger
Interaktion bestehend – in diesem Ausgesetztsein auch von Diskontinuität alias zeitlicher
Endlichkeit bedroht.
Moin Thomas,
ich hatte Dich vor Jahren einmal gefragt, ob so wie die Physik aus der
Fischer-Information die Medizin aus der Informationsmathematik (IM) von Bevier entwickelt
werden könne. D.h. jetzt: Wie werden die jeweils tätigen Informationsverarbeitungen in der
IM behandelt? „Das über physikalische Wechselwirkungen verknüpfte Universum ist dabei
für jede Informationsverarbeitung die oberste Ebene einer komplexen Hierarchie von
Eigenschaften, deren Verhalten zusammen die im Raumzeitpunkt der Informationsverarbeitung
chaotisch wirkenden Eingangssignale produzieren und damit das erzeugen, was Realität
genannt wird. Jeder beobachtete, sprich irgendwann gemessene Wert w aus W ist oder war
Wert dieses Universums, also ein realer Wert. Deshalb wird diese generelle Zuordnung
Universalzuordnung genannt.“
Ich frage mich dazu, wie Eigenschaften sich Verhalten und damit Realität erzeugen können?
Meinem Verständnis nach, werden Eigenschaften qualitativ durch Worte oder quantitativ
durch physikalische Größen bezeichnet.
Weiter ist bei Bevier zu lesen: „Da jede Informationsverarbeitung endlich ist gegenüber
einem gigantischen Universum, steht sie einer faktisch unendlichen Anzahl von
(Teil-)Eigenschaften gegenüber, bei der ihr nur die eigenen Ziele eine Auswahl auf eine
machbare Anzahl von Transformationen ermöglichen, die sie aus dem Angebot an
Eingangssignalen in einer annehmbaren Zeit aufnehmen und verwerten kann.“ Und: „Wert- und
Schrittsegmente sind in der Praxis des Alltagslernens räumlich und zeitlich realisiert.
Das Wertsegment entspricht dabei einem Raum-Ausschnitt, den die Informationsverarbeitung
überblicken kann, das Schrittsegment einem Zeitfenster der Beobachtung.“
Auch hierzu frage ich mich, wie Informationsverarbeitung etwas überblicken kann? Zudem
werden Wert- und Schnittsegmente räumlich und zeitlich realisiert. Das gewährleisten
Transformationen und Protokolle:
„Die Definition der Länge erfüllt für eine Menge {Xz} zusammenhängender
Transformationen die mathematischen Anforderungen an eine Distanzfunktion (Metrik), sodass
diese mit der Länge d zu einem metrischen Raum (Xz; d) wird.“ Und: „Die Folge von Anfangs-
und Endwerten der aufgetretenen Wertveränderung des Wertsegments für das vorgegebene
Schrittsegment heißt Protokoll, die zugehörige Folge der Wertveränderungen heißt Messung,
der übereinstimmende Index k der beiden Folgen Schritt, die Richtung von k Zeitpfeil.“
Im Ansatz heißt es dazu: „Ziel jeder Messung ist es, die Information im beobachteten
Raumzeit-Ausschnitt der Realität zu evaluieren, deshalb wird folgender Ansatz gewählt: Die
gemessenen Transformationen werden als Teile der Transformationsketten eines Netzes
angesehen.“ Dazu denke ich an die gerade in Verbindung mit den causets erwähnten
Hasse-Diagramme. Und so siehst Du das oben ja auch. Aber wie geht es weiter hinsichtlich
der Heilkunst Medizin?
In der Physik wird die Fischer-Information auf die Wahrscheinlichkeits-Amplitude für die
Störung bei einer Einzelmessung bezogen, um dann extremal behandelt werden zu können; denn
das Ziel einer Messung ist es, die Information I über das physikalische System zu
maximieren. Wird die im System gebundene Information mit J bezeichnet, geht es um eine
Informationsübertragung von J nach I. Extreme Physical Information (EPI) meint dann: K = I
− J = extrem. bzw. I − kJ = 0. Mit K wird die physikalische Information bezeichnet und k
meint die Effizienz der Informationsübertragung.“ So exakt wie in der Physik geht es in
der Medizin nicht zu, aber wäre nicht auch hinsichtlich der Diagnose an ein
Extremalverfahren zu denken? Und werden derartige Verfahren nicht bereits KI-unterstützt
eingesetzt?
Und noch eine kulturkritische Überlegung, die
sich nicht auf dieses Forum, das eine rühmliche Ausnahme darstellt bezieht, sondern einen
für mich erkennbaren allgemeinen Trend darstellt: in diesem allgemeinen Trend gilt sich in
abstrakte Höhen zu schwingen und sich in solchen Welten zu bewegen als moralisch zulässig
und begründet, wenn diese Abstraktionen ausgehend von der streng und vieles ausschließend
vorstrukturierten Basis der Mathematik und Physik erfolgen. Sie sind sozusagen von
vornherein wohlriechend, so schräg sie auch sein mögen. Erfolgen sie aber von einer
nicht-mathematischen und nicht-physikalischen Basis, gelten sie sofort und von vornherein
als anrüchig, übel und nach Schwefel riechend, bodenlos, nicht zu bedenken und keiner
Bearbeitung würdig
Janich hat ja mit seinem methodischen Kulturalismus eine Synthese aus
Naturalismus und Kulturalismus versucht. Zudem bilden meinem Eindruck nach die analytisch
Philosophierenden eine Minderheit gegenüber der mehrheitlich literarischen Philosophie.
Insofern kann ich Deiner kritischen Überlegung zum allgemeinen Trend kaum folgen.
IT
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