Claus Zimmermann schrieb zu einem Zeigen auf einen Himmelskörper:
"... geht aber natürlich nicht hervor, was dieser Himmelskörper für eine
Masse hat, ob es darauf Leben gibt etc. Das ist beim Wort "Bewusstsein"
m.E. auch nicht anders."
Dass es beim Wort "Bewusstsein" nicht anders ist, ist korrekt.
Die zeigende Definition kann genügen. Das Wort "deiktisch" nutze ich
nicht so gerne.
Als Gegenbeispiel gebe ich jedoch das Kellergeistproblem an:
Eine Mutter geht mit ihrem Kind in den Keller. Das Kind fragt mit großer
Angst: "Sind da keine bösen Geister?" Die Mutter antwortet: "Nein, es
gibt dort ganz sicher keine."
Derjenige, der logisch denkt, kann der Mutter entgegnen: Wenn du Geister
negierst, dann sind sie für dich genauso möglich wie dem Kind. Schon mit
dem Nutzen, Benutzen eines Wortes gibt es schon etwas, denn jedes Wort
hat einen beschreibenden Charakter.
Ein zweites Gegenbeispiel ist der Spunk der Pippi Langstrumpf.
Es muss also nicht das geben, wofür ein Wort steht, oder wofür ein Wort
verwendet werden kann, sogar sinnvoll verwendet werden kann. Im von
Claus Zimmermann genannten Fall wird das Wort "Bewusstsein" ganz korrekt
benutzt, ich sage dann, dass es im ungenauen Sinne benutzt wird.
(
http://weltordnung.de/ungenau.htm) So kann der Nothelfer statt zu sagen:
"Er tritt nicht mehr, obwohl er vorhin aggressiv war." (genau)
"Er bewegt sich nicht mehr, obwohl das Herz noch schlägt." (genau)
usw.
"Er ist nicht mehr bei Bewusstsein." (ungenau, zeigt trotzdem auf etwas
Genaues) Bei diesem Satz scheint doch ein Kenner zu sprechen, der genau
weiß, was Bewusstsein ist. Das muss hier auch mal beachtet werden, und
zwar, dass ein Wort gerade genau genommen werden will, obwohl es ungenau
verwendet wird. Allein dem Fachmann wird die Verwendung erst recht
erlaubt. Und hier haben wir ja nur Fachleute.
Gerade hier kann die Benutzung des Wortes Bewusstsein sinnvoll sein,
obwohl bei der Benutzung keine Definition vorliegen muss, so wie Claus
Zimmermann es schrieb, wenn ich es richtig verstanden habe.
Die Antwort des Claus Zimmermann: "... könnte ... die Frage, was unter
dem Wort verstanden wird und was man dann sinnvoll sagen kann und was
nicht, weiterhelfen."
"könnte", ja.
"was man sinnvoll sagen kann" ... ist da kein Zirkel, oder ist das nicht
zu viel verlangt, insbesondere hier in der Liste? Oder: Was man in ein
Wort hineinsteckt, kann man auch wieder heraus holen (vielleicht
umgangssprachlich ironisch gesagt).
Es könnte ja auch sein, dass nichts "sinnvoll" dazu gesagt werden kann,
wie z.B. zum Kellergeist oder zum Spunk. Oder aber es könnte auch gesagt
werden: Jetzt ist das Wort da, und nun müssen wir uns mit ihm
herumplagen, sogar hier in der Liste.
Dass es darum geht, zu fragen, wie, wo, warum das Wort ein erstes Mal
bei der Person auftrat, das kann auch eine psychologische Frage sein.
Auch die Frage, warum dieses Wort der Person oder gar vielen Personen in
einer kleinen oder großen Gruppe so wichtig geworden ist. Gerade bei
einem philosophisch Geschulten Unvernunft oder gar Irrationalität als
vorhanden zu vermuten ist eine andere Möglichkeit. Ich tendiere dann
lieber zur Möglichkeit des Nicht-Verstehens eines Wolfgang Stegmüller,
die ich in meinem Text "Chaos in der Sprache" beschrieb.
Übrigens kam gerade hier unten schon das Problem zwischen Definition und
Begriff zum Vorschein. Wo sind die entsprechenden Abhängigkeiten? Ich
will der Frage noch nachgehen.
Hoffentlich hat niemand gelacht als er bei mir hier oben das Wort
"Fachleute" las. Ich will schließlich auch mal recht haben, obwohl ich
kein Fachmann bin.
Joseph Hipp
weltordnung.de
Am 26.09.20 um 18:04 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
[Philweb]
Welches Teil am Himmel gemeint ist, wird entweder bestimmt, indem man darauf zeigt oder
indem man einen durch Zeigen oder eine Ortsangabe definierten Namen verwendet. Aus der
Definition geht aber natürlich nicht hervor, was dieser Himmelskörper für eine Masse hat,
ob es darauf Leben gibt etc. Das ist beim Wort "Bewusstsein" m.E. auch nicht
anders. Es muss im Prinzip definiert werden wie ein Verkehrszeichen. Allerdings ist die
Definition wie so oft in der Umgangssprache nicht so eindeutig und nicht abgeschlossen. Wo
klar ist, was gemeint ist - z.B. "Ist der Patient bei Bewusstsein?", "Ist
Ihnen eigentlich bewusst, daß...?" - stellen sich keine philosophischen Fragen. Wo
sie sich stellen, könnte meiner Vermutung nach die Frage, was unter dem Wort verstanden
wird und was man dann sinnvoll sagen kann und was nicht, weiterhelfen. Man wundert sich
dann nicht mehr über dieses besondere Wort, sondern darüber, daß man es überhaupt anwenden
kann, wenn bei der Erklärung am Ende doch an ein "du weisst schon" appelliert
werden muss. (Wozu dann das ganze? Weil eine selbstgebastelte Sprache ganz andere
Ausdrucksmöglichkeiten bietet als natürliche Zeichen, von einem Leben ohne Zeichen und
Gesten ganz zu schweigen.)
Natürlich geht aus der Definition aber nicht hervor, unter welchen Umständen man etwa das
Bewusstsein verliert.
Grüsse, Claus
Am 26. Sep. 2020, 17:00, um 17:00, Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>
schrieb:
[Philweb]
Am Mo., 21. Sept. 2020 um 02:27 Uhr schrieb Claus Zimmermann via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Sollte man wegen "Scheu vor
Definitionen" alles im Ungefähren lassen
und
nicht bei Bedarf nachfragen, wie was gemeint ist?
Das wollte ich nicht gemeint haben.
Natürlich ist es manchmal notwendig, einen Begriff zu klären. Aber auf
die Frage "was ist Bewusstsein?" mit einer Definition zu antworten,
scheint mir irgendwie falsch.
Das ist so, als würde man auf die Frage "was ist das da für ein
seltsames Teil am Himmel?" mit einer Definition antworten.
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http://lists.philo.at/listinfo/philweb
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