Hallo!
Entschuldigt die Verzögerung.
Ich habe mir den Text von Andre Fuhrmann noch mal überflogen und ihn
zuvor vollständig durchgelesen. Im Wesentlichen muss ich den folgenden
Kritikpunkt bringen:
- Der Text macht in der Hauptsache das Missverständnis, den Begriff
der "positiven Eigenschaft" irgendwie als moralisch oder ästhetisch
positiv zu werten. So ist er aber nicht gemeint. Erst im Anhang wird
das korrekt verstanden. Positiv als eine Eigenschaft, die keine
Verneinung einschließt.
- Es scheint, dass Leibniz die Idee hatte, unsere Welt als die
Vereinigung möglichst vieler denkbarer Aussagen ohne Widersprüche
aufzufassen:
https://wiki.philo.at/index.php?title=Bertrand_Russell_%C3%BCber_Leibniz_(K…
Ethischer Perfektibilismus. Es ging Leibniz also nicht um Reduktion
des Leidens und dergleichen, sondern größtmögliche Entfaltung des
"Seins":
https://plato.stanford.edu/entries/leibniz-ethics/
Allerdings bin ich da zunehmend unsicher, ob nicht ich es bin, der
Blödsinn denkt, wenn ich offenbar die Auffassung eines unbestreitbaren
Genies wie Gödel gegen mich habe.
Interessant scheint mir daher die Anmerkung im Anhang. Dort wird die
Konsistenz der Vereinigung möglichst vieler Prädikate dadurch
gewonnen, dass ein Modell dafür angegeben wird - ein "Zeuge", der alle
diese Prädikate erfüllt.
Ich muss aber zugeben, dass ich die Redewendung "Abschluss unter
Wahrheitsfunktion" nicht verstanden habe. In meinen Notizheft ist dies
abgeschrieben und unterstrichen. Ich habe hier noch die Bemerkung
gefunden, ob nicht vielleicht Gödels Gott eine Variante von
Wittgensteins Sohn sein könnte (Wittgenstein hätte Kinder haben
können, ergo muss es mindestens ein Ding X geben, das sein Sohn hätte
sein können).
Die Diskussion, ob die "godlichkeit" == "Göttlichkeit" ist, scheint
mir irrelevant. Relevanter scheint mir die Diskussion, ob denn "der
Gott der Philosophen" gleich ist zu dem des Alten oder Neuen
Testamentes.
Wie auf Seite 361 des Papers angemerkt, scheint das sog. Beckerprinzip
demnach von <>[]A -> []A geschlossen werden darf, nicht klar.
Es ist nicht der Punkt, dass es mit diesen Punkt irgendwelche Probleme
an sich gebe, aber es scheint mir irgendwie willkürlich zu sein. So
als ob man den Begriff der Notwendigkeit auch anders formalisieren
könnte. Wie ich schon mit Hinweis auf Spinoza schrieb, muss die Idee,
dass einfach alles Notwendig folgt nicht zwangsläufig eine Widerlegung
sein.
Die Modaloperatoren fassen wir ja analog zu den Quantoren auf. ~All(x)
P(x) = Ex(x) ~P(x), so dass Modelle über die Zuganglichkeitsrelation
für "mögliche Welten" definierbar sind. Übrigens nicht erst seit
Kripke, der in der Zeit, in welche ich dieser Antwort schuldig blieb,
verstarb, sondern auch von Hrn. Lorenzen in einem Papier "Zur
Begründung der Modallogik" (S. 95) in der Januarausgabe der
Zeitschrift "Archiv für mathematische Logik und Grundlagenforschung"
des Jahres 1954. (Aus dem Gedächtnisse.)
Die vereinfachte Axiomatik am Ende des Schreibens ist interessant und
ich müsste tiefer darüber nachdenken.
Die Unterschiedlichkeit der Notation und Terminologie bereitet mir
Schwierigkeiten, was wohl auch auf meine intellektuellen
Unzulänglichkeiten zurückzuführen ist. Etwa heißt es in manchen
Büchern "Adjunktion" in manchen "Disjunktion".
Vielleicht ist mir etwas entgangen?
Mit tiefer Scham ob meiner Unzulänglichkeit,
Der Ratlose
Am Sa., 19. März 2022 um 18:36 Uhr schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 19.03.2022 um 15:57 schrieb Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com>om>:
Mit anderen Worten:
Gödels Gottesbeweis ist mehr als nur eine Kuriosität, sondern für eine bestimmte Art des
Atheismus, die hier im Westen sehr verbreitet ist, eine Herausforderung.
Hi RF,
geht es genauer? Welche wie bestimmte Art des Atheismus meinst Du und worin soll die
Herausforderung des Gödelschen Gottesbeweises bestehen? Und warum sollte ein sich für
Logik interessierender Atheist etwas gegen einen logischen Gott haben? Der bleibt doch so
formal wie das aktual-Unendliche, taugt zum Denksport oder Spiel mit, zur Einsicht in
Zusammenhänge oder dem Verständnis von Axiomen, gilt aber nicht konstruktiv geschweige
denn im Alltag.
Haben wir darüber nicht schon wiederholt hier in der Runde geschrieben? Erst der
Informatiker Benzmüller konnte Gödels Beweis durch Nachrechnen berichtigen und
nachvollziehbar machen. Und so sehe ich es umgekehrt als ein Problem der axiomatischen
Theologie an, dem Anspruch Leibnizens gerecht werden zu wollen, von einer Möglichkeit auf
eine Notwendigkeit zu schließen:
ANDRE FUHRMANN, „Existenz und Notwendigkeit, Kurt Gödels axiomatische Theologie“ ist hier
klickbar:
https://user.uni-frankfurt.de/~afuhrman/downloads/GoedelExistenzNotwendigke…
Ich nehme an, Du kennst Fuhrmanns Untersuchung zu „Existenz und Notwendigkeit“ von 2005.
Dort axiomatisiert er die Modalitäten „möglich“ und „notwendig“ bzgl. möglicher Welten
derart, dass er Leibniz und Gödel gerecht zu werden vermag.
Für die meisten Gläubigen dürfte ein Logott so belanglos sein, wie das vielfach zur
Floskel verkommene „Friede sei mit euch!“ eines Christen wie Kyrill im Pakt mit Putin.
Dies nur, um auf den Thread zurückzukommen.
IT