Am 24.08.2024 um 17:19 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Noch eine ernste Frage: Hat Rudolf Clausius die Entropie entdeckt oder erfunden.
Offensichtlich wird mit ihr gerechnet, und zwar wäre "die aktuelle Welt" ohne
diese Berechnungen eine andere. War die Entropie ein Verdienst der Mathematik, eine
sprachliche Angelegenheit, eine Beschreibung, ein Fundstück, eine Heuristik? Sicher kein
Ergebnis der rechten oder linken Politiker. Clausius' Entropie war weniger spektakulär
als Einsteins Zeit- und Raumsache: den einen kennt jeder, den anderen nicht. Vielleicht
denkst du hier an Statistik und Stochastik, aber das würde mich nur verwirren und von der
Sache abbringen. Ich werde die Frage auch mal in Wikipedia stellen.
Hi JH,
Aus der Physikgeschichte habe ich Clausius als Urheber der Entropie in Erinnerung
behalten. Seine Originalarbeit dazu ist heute frei verfügbar. Anlässlich seines 200.
Geburtstages widmete das Physik Journal ihm 2022 einen Artikel. Darin heißt es: „Clausius
referierte bereits 1844 über Emile-Benoît Clapeyrons Arbeit von 1834 über die
„bewegende Kraft der Wärme“ („Mémoire sur la puissance motrice du feu“) und fand damit
ein Thema, das ihn mit seinen bahnbrechenden Arbeiten von 1850 und 1865 zum Begründer des
Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik und Entdecker der Entropie machen sollte.“
Und weiter: „Clausius hat später immer wieder betont, wie wichtig es für ihn war, diese
erste thermodynamische Arbeit so auszuführen, dass sie keiner mikroskopischen Hypothesen
bedurfte, was auch Basis für ihre große Allgemeinheit wurde. Das war ihm offenbar 1850
sehr bewusst – genau wie Sadi Carnot 1824 seinen (idealen) Kreisprozess unabhängig von
jeglicher praktischen Umsetzung formuliert hatte. Im gleichen Sinne unterschied Clausius
schon 1850 sehr deutlich zwischen (idealen) reversiblen und (realen) irreversiblen
Vorgängen.“
Clausius knüpfte also an Carnot an, der einen Kreisprozess entwickelt hatte, der nicht nur
für die Dampfmaschine, sondern für Wärmekraftmaschinen schlechthin gilt. Nebenbeibemerkt:
Mir wurde erst kürzlich klar, warum im Zuge der industriellen Revolution der Zylinder im
Bürgertum in Mode kam; spielt er doch auf den Zylinder der Dampfmaschine an. Heute ist er
durch das multifunktionale Smartphone ersetzt worden.
Aber weiter im Text: Spätestens seit 1854 war Clausius klar, dass man dS = dQ / T „als
vollständiges Differential ansehen musste, aber es fiel ihm offenbar schwer, dessen
Bedeutung zu verstehen sowie die Unterschiede von reversiblen und irreversiblen Prozessen
mathematisch korrekt zu formulieren.“ 1865 schrieb er über die Anwendung der
Hauptgleichungen der mechanischen Wärmetheorie: „Sucht man für S einen bezeichnenden
Namen, so könnte man, ähnlich wie von der Größe U gesagt ist, sie sey der Wärme- und
Werkinhalt des Körpers, von der Größe S sagen, sie sey der Verwandlungsinhalt des
Körpers. ... , damit sie unverändert in allen neuen Sprachen angewandt werden könne, so
schlage ich vor, die Größe S nach dem griechischen Worte η tropη, die Verwandlung, die E
n t r o p i e des Körpers zu nennen. Das Wort Entropie habe ich absichtlich dem Worte
Energie möglichst ähnlich gebildet, …“ Abschließend dann die beiden legendären Sätze: 1)
Die Energie der Welt ist constant. 2) Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu.
Noch was: KJ hat gerade den Betreff geändert, wobei
dieser ja schon ausgiebig vorher besprochen wurde. Könnte ihm geraten werden, einen
anderen zu setzen? Oder gar keinen? Es bleibt sowieso kaum jemand bei der Sache, und
selten gründlich.
Ich hatte bereits einen verallgemeinerten Hinweis auf die Gewalt gegeben, aber keine
Reaktion erhalten. Und was schrieb ich? Der zwanghaften Kohärenz in abgeschlossenen
Systemen steht die freie Dekohärenz in offenen Systemen gegenüber. Dazu passt auch der
Versklavungstheorem, des kürzlich verstorbenen Hermann Haken. Genügend verallgemeinert
können wir also bei der Sache bleiben.
IT