Am 07.02.2023 um 19:33 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 07.02.23 um 18:34 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
mich langweilen ja bloß deskriptive Wortspiele, interessanter finde ich mathematische
Analysen zu Wortspielen oder ideologischen Streitereien, wie sie in der quantitativen
Soziodynamik vorgenommen und damit auch empirisch testbar gemacht werden. Siehe bspw.
"A model of ideological struggle“ unter
https://arxiv.org/abs/0906.4962
Gut gedacht, aber dann müsstest du sich mit den Sätzen langweilen, die schon in der
kurzen Beschreibung stehen:
A general model for opinion formation and competition, like in ideological struggles is
formulated. The underlying set is a closed one, like a country but in which the population
size is variable in time.
zweimal "like", dieses Wort nutze ich kaum. Das würde ich schreiben, wenn ich
sagen würde: Krieg ist wie ein ideologischer Streit, die unterliegende Figur ist wie ein
Land, aber ....
A general model for opinion formation and competition ... klingt das nicht nach Sokal?
Hi JH,
die Sache fängt nicht mit der Zusammenfassung, sondern mit der Einleitung an und darin
wird zunächst einmal Bezug genommen auf vorangegangene Arbeiten und inwieweit die eigene
darüber hinaus geht. Und am Ende dann die Schlussfolgerungen und wie sie fortgeführt
werden könnten. Im Gegensatz zum eigenen Geschreibe haben mathematische Modelle den
Vorteil, dass ihre Parameter in empirischen Studien mit den gesellschaftlichen
Verhältnissen abgeglichen werden können. Sokal hatte das viele Geschreibe über
Quantentheorien und ihre Erweiterungen parodiert. Der Quantengravitation gegenüber ist die
soziodynamische Meinungsbildung mathematisch trivial und alltagsplausibel wie empirisch
testbar.
Wenn eine Sache schon so anfängt, das langweilt dich
also nicht, kannst du die fragwürdigen Wörter dort so einfach überspringen? Und danach
berechnest du, ok, die Rechnungen mögen korrekt sein, aber ist die Grundlage nicht schon
eine Spielerei? Ist es nicht so wie beim Gottesbeweis des Gödel? Die Voraussetzungen
werden übersprungen, es wird gerechnet, und dann? Oder wie beim Libet-Experiment, bei dem
zwar vielleicht nur Adam-Riese-Mathematik vorkommt? Aber immerhin Mathematik, und hoch
komplizierte Gerätschaften, die nur mit Hilfe von Mathematik gebaut werden konnten. Bald
habe ich eine neue Religion: Mathematik, oder ich sage: The underlying set is a closed
one, like mathematics in which ... (irgend was Beliebiges).
Wie Du oben zitiert hast, habe ich nichts gegen Wortspiele. Falls überhaupt sinnvoll, sind
sie für mich aber nur der Anfang. Und natürlich kann Mathematik zur Ideologie werden.
Habermasens Aufsatzsammlung „Technik und Wissenschaft als Ideologie“ von 1968 war schon
damals Diskussionsthema. Und 2020 hat ja Thomas Piketty mit „Kapital und Ideologie“ die
Ideologiekritik hinsichtlich der Ungleichheit fortgeführt. Auf meinen Vorschlag zu einem
Thread „Ideologiekritik“ von 15.1.23 hat es keine Reaktionen gegeben. Du mahnst
unbeantwortete Mails an, ich nicht.
Abwertungen mache ich keine, nur zeige ich auf, ich
werte das, was Personen mit den Wörtern Religion, Politik, Mathematik denken, nicht mit
einem "bloß" ab. Wenn es deskriptive Wortspiele gibt, interessieren dich dann
präskriptive? Auch nicht, ok. Was hat das Interesse einer Person mit den Sachen zu tun? Ob
sie gelangweilt oder depressiv wird, wenn sie vor einigem ihr Unbekanntem heult. Was
spielt das eine Rolle, was ist das für ein Sprachspiel? Sind das keine bloß deskriptive
Wortspiele? Es mag interessant sein, wenn jemand etwas interessant findet, einverstanden.
Ich danke dafür, dass ich schwafeln durfte, und du das bis hierher lesen konntest, und
hoffe, dass du nicht an die Decke fliegst, oder gelangweilt umfällst.
Das Interesse einer Person hat natürlich mit der Sache zu tun. Habermasens Arbeit
„Erkenntnis und Interesse“ erschien ebenfalls 1968. Dein Interesse gilt den Worten und
Sätzen der Umgangssprache, meines darüber hinaus den Formeln und Theoremen der Mathematik
und Realwissenschaften. Ich halte Dich für einen in sich selbst kreisenden
Sprachideologen. Mir sind die nichtsprachlichen Sachen wichtiger und insofern bleiben mir
Wortspiele bloß ein Anfang. Ich will mich aber nicht weiter wiederholen …
IT