Am 16.08.2017 um 18:38 schrieb waldemar hammel
<waha3103x(a)googlemail.com>om>:
>> Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wird gern ideologisch wie moralisch
ausgeschlachtet, um Menschen zu diskreditieren, besonders in Deutschland mit seiner
faschistischen Vergangenheit. Noch heute werden z.B. Mütter dafür kritisiert, wenn sie ihr
Berufsleben nur kurz unterbrechen und ihr Kind sogleich in die Krippe geben. Einer
rationalen Ethik folgend, lässt sich schwerlich eine Pflicht dafür begründen, dass und wie
sich Eltern um ihre Kinder zu kümmern haben. Abtreibung, Babyklappe, Adoption, Kinderheim,
Kinderkrippe, Kindergarten, Kindermädchen oder Vollzeiteltern sollten neutral als
gleichermaßen mögliche Handlungsweisen von Eltern akzeptiert werden.
ich bin, schon erzählt?, auf meine alten tage per
erberei noch bauer geworden, hof von 1899, und da muss ich entsprechend nun auch rustikal
denken und welt-erleben. und wenn ich nun zb meine hühner beobachte, dann muss ich
erwähnen, dass meine natürlich ungebildeten hennen ihre küken selbst betreuen und nicht
etwa hier in bad kreuznach, krankenhaus marienwörth, ihre küken in der babyklappe
verschwinden lassen. warum machen die das? natürlich ein argument "hühner sind
blöd".
aber dann lese ich, dass biologisch viel mehr dahintersteckt, indem es passungen zwischen
eltern und brut gibt, biochemische usw., die nicht wirklich und vollkommen ersetzbar sind
(es wäre denn, mit vielleicht höchstem technischem aufwand), sodass die brut auf
unterschiedlichste weisen, auch subtile, krüppelt, falls der eltern-brut connect gekappt
wird.
falls dies zutrifft, und ich persönlich zweifle nicht daran, sind hühner halt doch nicht
blöd.
ich will natürlich aber modernerweise niemandem ein "von hühnern lernen"
zumuten, denn der mensch ist ja völlig frei in seinen vor intelligenz triefenden
entscheidungen und seiner ebenbild-gottes-heit, zumal ja auch ein huhn keinesfalls abbild
gottes sein kann.
andererseits gehts ganz kalt und unemotional um freiheitsgrade, die THD-wise über
wechselwirkungs-widerstände hinweg besetzt werden können oder halt nicht. da nutzt alle
intelligenz nix, da diese nicht aussen vor, sondern selbst auch teil dieses spiels ist.
machen wir also ein gedanken-experiment und stellen (anonyme) behältnisse auf, die wir
(als fake) unterschiedlich ausflaggen:
behälter A = kinder zur adoption, behälter B = kinder für heim, behälter C = kinder zum
schmerzfreien töten, behälter D = kinder zum qualvollen töten, behälter E = kinder zum
materiellen fleisch-recyceln, behälter F = kinder zum ersticken, behälter H = kinder zum
ersäufen, behälter I = kinder zum "einfach nur entsorgen" ...usw
ich gehe jede wette ein, dass nach ablauf einer zeitspanne ALLE behälter in
unterschiedlichen mengen mit menschen-kindern belegt sein werden.
daraus folgt, dass es aus sehr guten gründen gesellschaftliche absprachen gibt, also
rahmenbedingungen in form von sozialen/juristischen/ethischen/usw übereinkünften, wie mit
der kopplung eltern-kinder umgegangen werden soll.
natürlich sind ethiken, moralen usw setzungen. und diese setzungen sind zu großen teilen
historisch bedingt, also traditionell, konventionell, aber sie sind einst aus ganz
pragmatischen und realitätsbezogenen erwägungen hervor gegangen (ursache=>wirkung), und
will man moralen/ ethiken verändern, genügt es nicht, ihre inhalte einfach umzuschreiben,
sondern man muss die kontexte abklopfen, auf denen sie basieren, ob diese kontexte noch
gültig sind, und falls ja, in welcher weise und wie weitreichend, wenn man nicht blind und
ahistorisch agierend ganz ohne böse absichten hinter "vorgestern" zurückfallen
will.
Hi Waldemar,
meiner Herkunft und meines Bildungsganges nach neige ich intuitiv zum Naturalismus,
insofern kann ich Dein unnachgiebiges Beharren darauf ein Stück weit nachvollziehen.
Philosophisch reflektiert handelt es sich aber auch beim Naturalismus nur um eine
Ideologie, um "falsches Bewusstsein“. Damit haben wir wieder den Bogen zum
Bewusstsein schlechthin gezogen. Ich schmeiße nicht alles voreilig in einen Topf, sondern
unterscheide mindestens vier Ebenen voneinander, nämlich die des physischen Bewegens von
den Lebensvorgängen, den psychischen Verhaltensschemata und den rationalen
Handlungsweisen. Ausgehend von der Vielfalt der Thermostatistiken werden die
Möglichkeitsräume bis hin zu den Handlungsalternativen der Akteure im Kapitalismus
zunehmend kleiner.
In zivilisierten Ländern unterliegen die Handlungsweisen der Menschen den Menschenrechten,
die allerdings auch noch dem Naturalismus nachzukommen scheinen. Denn in Art. 16,
Abschnitt 3 heißt es: „Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und
hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.“ Das „Naturrecht“ vergangener
Jahrhunderte scheint noch immer nachzuwirken. Dabei wissen wir unterdessen aus der
Biologie, dass der Mensch von Natur aus Kulturwesen ist. Sein mehrschichtig
ausdifferenziertes Großhirn ist einmalig unter allen Lebewesen auf der Erde und eröffnet
ihm Möglichkeitsräume, die auch die von Dir (als fake) erwähnte Faschismus-Statistik
beinhalten. Aber das ist kein Argument gegen die von mir hervorgehobenen (und ansatzweise
schon in Deutschland ermöglichten) Handlungsalternativen zur Kinderbetreuung.
Der Rekurs auf „natürliche Grundeinheiten“, dem Du mit Deinem unpassenden (und wohl nur
ironisch gemeinten) Hühner-Beispiel ebenso das Wort redest, ist kein angemessener
Ausgangspunkt für die philosophische Reflexion über Mensch, Familie, Staat und
Gesellschaft. Und natürlich bestimmt eher das Sein das Bewusstsein (als umgekehrt), so
dass ein methodischer Kulturalismus oder der durch Habermas in seiner Theorie
kommunikativen Handelns aufgehobene historische Materialismus eher den Rahmen abgibt für
ein Verständnis des Menschen als Hühnerhof und THD. Ebenso wie Sein und Bewusstsein stehen
dabei Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse im Widerstreit und so gibt es z.B. im
Wahlprogramm der Liberalen neben dem Schutz der Familie immerhin den Ansatz zur Förderung
von so etwas wie „Verantwortungsgemeinschaft“. Und bei den jungen Liberalen ist zu lesen:
„Wir plädieren für Gleichbehandlung aller Formen des Zusammenlebens. Die bisher
privilegierte Ehe soll durch die Verantwortungsgemeinschaft ersetzt werden, in der
beliebig viele Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht Verantwortung füreinander
übernehmen können.“ Wer hätte das gedacht?
Es grüßt,
Ingo