Am 20.10.2019 um 19:17 schrieb Rat Frag:
Am Mo., 23. Sept. 2019 um 17:53 Uhr schrieb Claus
Zimmermann
<mail(a)clauszimmermann.de>de>:
Die Verwendung von Zeichen, denen wir ihre
Bedeutung nicht ansehen, muss
mit Zeichenerklärungen anfangen. Diese gelten in der Regel im Gegensatz
zu Erfahrungssätzen unbedingt und ausnahmslos und das ist kein Problem,
weil wir mit ihnen ja nichts behaupten, sondern etwas bestimmen. Wenn du
also Ausnahmen von der Definition der Verneinung und der Zuschreibung
von Wahrheitswerten zulassen möchtest, zeigt das, daß du die Definition
aufgegeben hast oder auf bestimmte Gegenstandsbereiche einschränken
möchtest.
Ich denke, du siehst das vielleicht von der falschen Perspektive.
Es geht nicht darum, wie die Negation definiert wird, sondern darum,
welche Auswirkungen es geht, wenn eine Aussagen sowohl als wahr als
auch als falsch bewertet wird.
Bevor man nach Auswirkungen fragt, müsste erklärt werden, was das
überhaupt bedeutet. Den Wahrheitsgehalt des Satzes "das ist rot"
überprüft man, indem man den Gegenstand ansieht und dann feststellt
"stimmt" oder "stimmt nicht". Nur weil nur eine dieser beiden
Möglichkeiten zutreffen darf, kann dieser Satz leisten, was er soll,
nämlich Ersatz für den eigenen Augenschein zu sein.
Nicht unverständlich wäre es dagegen, auf die Zuschreibung von
Wahrheitswerten zu verzichten. Dann kann man nach den Auswirkungen
fragen. Sie bestehen meiner Meinung nach darin, daß die Sprache sehr
viel weniger mit unserem Leben, z.B. Augenschein, zu tun hat. In einem
Kalkül oder wenn man es im Labor mit Gegenständen zu tun hat, die nicht
wahrgenommen, sondern nur gemessen werden, kann man das machen und muss
es vielleicht sogar. Für die Aussagen über die Messergebnisse gilt dann
aber wieder, dass sie einen bestimmten Wahrheitswert haben. Sonst hätten
sie keinen Informationsgehalt für den Kollegen, der nicht selbst
gemessen hat.
Du scheinst
hier nicht von der Geltung der Regel (siehe oben) zu reden,
sondern von ihrer Brauchbarkeit.
Ich bestreite natürlich nicht, dass es gewisse formallogische Systeme
gibt, genau so funktionieren.
Und der Haken scheint mir zu
sein, daß man aufpassen muss, daß man sich nicht in Worten oder Taten
selbst widerspricht, ohne es zu bemerken. Aussagen die unproblematisch
sind, wenn sie über andere gemacht werden, könnten so problematisch
werden, wenn man sie über sich selbst macht.
Ich sehe das Problem, aber es scheint mir nicht das zentrale Problem
mit meinem Argument zu sein, oder?
Ich hatte dich so verstanden oder missverstanden, daß du die Paradoxa
als Beispiele für Sätze mit nicht eindeutigem, quasi oszillierenden
Wahrheitswert anführen wolltest. Mein Einwand war, daß man in diesem
Fall wirklich mal sagen kann, daß nicht sein kann, was nicht sein darf,
weil man, wenn es sich um die Bedeutung von Zeichen handelt, in der
Position des Gesetzgebers ist. Das ist nicht gegeben, so dass man auch
mal etwas anderes vorfinden könnte, sondern gemacht.
Die Paradoxa scheinen mir wie gesagt, dadurch zustande zu kommen, daß
man durch die Selbstbezüglichkeit in einer Doppelrolle auftritt und so
einem Satz, ohne es zu bemerken, als Hütchenspieler wider Willen und
Wissen verschiedene Wahrheitswerte zuschreiben kann, was als Formfehler
sofort auffiele, wenn man mit *einer* Zunge reden würde.
Claus