nix da mit "nur kurz ausprobieren" :)) Wir sind froh, endlich wieder von
Dir zu hören! Und das bei diesem Beitrag, den es erst einmal genau zu
lesen und zu überdenken gilt.
Grüß Dich bestens! - Karl
Nico Paechs grundsätzliche Endzeit-Ausführungen würde
ich evtl. versuchen, mit einer Rehabilitation des von ihm als Gegenmodell genannten,
vielgeschmähten Ablaßhandels zu unterlaufen. Denn genau das war ja der eigentliche,
tiefere Sinn des Tauschs Geld gegen Sündenerlaß: ein kleiner, überschau-, aber
kontrollierbarer Zeitgewinn angesichts einer eschatologischen (das Lebens- und
Weltzeitende implizierenden), aber dann doch nie so ganz gewissen Untergangs-Bedrohung.
Die psychologisch schlicht unpräzise und unterkomplexe Unterstellung dabei ist doch, daß,
wer er sich von seinen Sünden "freikauft", deswegen danach einfach kreuzfidel
munter weiter sündigt, daß man also nur Scheinverzicht treibt und lediglich kosmetische
Oberflächen-Selbstkorrekturen vornimmt. Nein, die realen (auch psychischen) Kosten des
"Ablaßgeschäfts" erinnern mich permanent an meinen ja immer nur provisorisch und
temporär abgemilderten Status der (Erb!-)Sünde und zeigen mir an, daß ich grundsätzlich
(weiter) und immer "falsch" lebe. Das als "Doppelmoral" zu bezeichnen
(wie NP das tut), ist selbst eine hoch moralistische Wehklage (auch sie mindestens so alt
wie der lutherische Antikatholizismus), die verkennt, daß Menschen eben grundsätzlich
diese Dilemmata nicht nur leben, sondern "sind". Wir SIND ökologisch eigentlich
untragbar. Silens Antwort an Midas, die Nietzsche in der "Geburt der Tragödie"
referiert, gilt heute für die gesamte Menschheit: das "Allerbeste" für sie wäre
"nicht geboren zu sein". Aber solange daraus nicht das eigentlich zwingend
folgerichtige kollektive Menschheits-Suizidprojekt in Angriff genommen wird (das nur daran
scheitert, daß man nicht sicher sein kann, daß am Ende doch einige nicht mitmachen werden,
für die dann vermutlich die Erde wirklich zu dem Paradies der wenigen glücklichen
Übriggebliebenen werden könnte - zumindest kurzfristig), muß man eben mit den
unüberwindbaren, nicht auszumerzenden Halbheiten, Kompromissen, Zugeständnissen,
Fehlbarkeiten weiterleben. Und sich immer wieder mit dem erzwungenen Griff an die
Geldbörse daran erinnern lassen, daß man auf unsicheren, und meist eher falschen, im
Grunde "verdorbenen" Pfaden wandelt. Und das kann man für "humaner"
und "menschenfreundlicher" (und in diesem Sinne "ökologischer") halten
als die nicht anders als durch undemokratische Dezision herbeizuführende und verbindlich
zu machende Unterscheidung zwischen den angeblichen "Grundbedürfnissen" und dem
angeblich "Verzichtbaren". Denn diese ist - da kann Paech noch so lange so tun,
als ob es doch bitte schön durch einfachen common sense ("gesundes
Volksempfinden" hieß das früher einmal...) zu regeln wäre, wieviele Fernreisen und
Quadratmeter Wohnung sich jeder erlauben darf - eben nicht anders zu haben als durch
Willkür, Moralismus, Dezision, Bevormundung, Hierarchie, Gewalt...
Nein, wenn diese Welt und diese Menschheit eine Überlebenschance haben will (und wie
gesagt: nichts spricht a priori dafür, daß das so sein muß), dann muß sie sich diese
"verdienen": dann muß sie in diese so "hineinreifen", daß die dafür
nötigen "Verzichtleistungen" gar keine mehr sind und von niemandem mit dem
moralökologischen Zeigefinger und politischer Macht eingefordert werden können; und auch
dann wird das "Ökosystem" von Mensch und Umwelt eines sein, das sich dadurch
stabilisiert, daß die von mir verursachten Schäden mein Schaden sind, daß ich also
schlicht bezahle für das, was ich anrichte. So wie wir das eben (fast
"existenzialanalytisch") immer tun, immer schon tun und so wie es das
katholische Ablaßwesen schon immer praktiziert hat...
Joachim Landkammer
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