Am Do., 2. Dez. 2021 um 02:42 Uhr schrieb K. Janssen via Philweb <
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es bleibt beiden nur der Glaube, da es kein Wissen
über einen Gott geben kann.
Man sollte aber zwischen "Ich glaube, dass nicht" und "Ich glaube nicht,
dass" unterscheiden.
Diesbezüglich darf man sich durchaus auf Kant‘s
Denkleistung beziehen,
wonach alle
Gottesbeweise (gleich ob kosmologisch, ontologisch oder teleologisch)
wegen des fehlenden Zugangs zum Transzendenten scheitern müssen.
Ich überlege grade, dass die meisten "klassischen Atheisten" wohl entweder
selbst Metaphysiker waren oder die kantische Wende mitgemacht haben.
Die modernen Atheisten dagegen stellen den Anspruch, alles durch die
naturwissenschaftlich-technische Sichtweise erklären zu können und leugnen
damit eine Transzendenz.
Das mit dem selbst Metaphysiker könnte man dann im Einzelfall wieder
diskutieren.
„Da aber die sittliche Vorschrift zugleich meine
Maxime ist (wie denn
die Vernunft gebietet, dass sie es sein soll), so werde ich
unausbleiblich ein Dasein Gottes und ein künftiges Leben glauben und bin
sicher, dass diesen Glauben nichts wankend machen könne, weil dadurch
sittliche Grundsätze selbst umgestürzt werden würden, denen ich nicht
entsagen kann, ohne in meinen eigenen Augen verabscheuungswürdig zu
sein.“ (Kant: Postulat der Vernunft 1781)
Exakt das ist ja auch die kantische Argumentationsfigur bezüglich
Willensfreiheit:
*Es ist eine notwendige Bedingung für sittliches Handeln, dass
Willensfreiheit existiere. Es existiert sittliches Handeln, das ist
hinreichend für Willensfreiheit*.
So habe ich es zumindest verstanden.
Hier wird also Gott zur notwendigen Bedingung der Sittlichkeit erklärt.
Aber genau das kann ein Atheist für gewöhnlich nicht akzeptieren, weil er
damit zugeben würde, dass er im Vergleich zum Gläubigen unmoralisch ist.
Moral als Normensystem beschreibt bzw. gibt einen
konkreten
Handlungsrahmen für sittliches Verhalten. Dieses gilt für Religionen,
insoweit sie sich als Wertesystem verstehen und dessen Einhaltung
einfordern, etwa die zehn Gebote der christlichen, der Halacha der
jüdischen Religion oder dem Koran (Hadith/Sunna) des Islam.
Kleine Anmerkung: Der Begriff für den Koran wäre Scharia. Denn die Scharia
ist der Koran selbst und die Sunna des Propheten, die in Hadithen
überliefert wurde. Und damit sind wir schon in der lustigen Diskussion:
Denn es gibt wieder Konfessionen des Islams, die einige Hadithe oder alle
nicht anerkennen.
Das Christentum hat neben den 10 Geboten noch die Bergpredigt und weitere
Gebote.
Es ist eine aus dem eigenen Charakter (Ethos)
erwachsende
Verantwortlichkeit, die einer (von Religion und Ideologie unabhängigen)
grundsätzlich angelegten Ethik folgt und damit als Lebensaufgabe jedes
an Zielen und Lebenssinn orientierten Menschen in seinem unmittelbar
persönlichen, wie selbstredend auch im weiteren gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und ökologischen Umfeld gesehen werden kann.
Das entspricht aber den Aussagen sehr vieler Leute, dass es bei der Moral
letztlich auf den Charakter ankommt, nicht auf die richtige ethische
Theorie.
PS: Damit die Beiträge nicht zu lang werden (wie so oft bei mir), möchte
ich auf Deine weiteren Argumente demnächst eingehen.
Eigentlich wollte ich darauf warten, aber da jetzt schon eine weitere
Debatte sich eröffnet, antworte ich doch mal.