So, nun nochmal der Versuch meinen (viel zu langen) Beitrag halbwegs lesbar in die Liste
zu bringen. Zunächst Teil 1
Am 29 Jul 2018 um 13:18 hat Rat Frag geschrieben:
Am 24. Juli 2018 um 03:47 schrieb K. Janssen:
Unter Moral wird demnach ein Normensystem
verstanden, welches auf
vernunftbasiertes, "richtiges" Handeln mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit
abzielt. Unterschiedliche Normensysteme bedingen verschiedene Moralen, die
wissenschaftlich in Teildisziplinen der Ethik (deskriptiv, normativ) als
übergeordnete Ebene, vornehmlich in der Moralphilosophie, wie auch u.a. in
der Soziologie und Theologie behandelt werden.
Ich habe hier "Ethik" als eine Art "Moral aus Moralphilosophie"
betrachtet und "Moral" eben als die Sitten der Gesellschaft, wie sie
mehr oder weniger bestehen.
Moral nun in Bezug nehmen für eine kategorisch
wertende Typisierung
"amoralischer vs moralischer Aufklärer" könnte insofern verfänglich sein, da
unter "amoralisch" in unserem Sprachgebrauch zuvorderst ein der Sittlichkeit
widersprechendes Verhalten angenommen wird.
Ich habe ja bewusst noch zwei andere Ausdrücke dafür erfunden:
"Deskriptive Analytiker" vs. "Ethiker"
Oh, diesen Zusammenhang habe ich bedauerlicherweise nicht herausgelesen!
Zudem habe ich - dem Thema des Betrags "zwei Seiten der Aufklärung" geschuldet -
auch
eher einen Bezug auf Aufklärung und weniger auf Moral (um die es offenbar RF vornehmlich,
im Ggs. zu mir gelegen ist) angenommen. Wie auch immer. Aufklärung, als solche eng mit
Moral in Verbindung stehend, wie eben letztere sind bedeutende Themen, deren Behandlung
hier lohnend ist.
Das Thema "Die zwei Seiten der Aufklärung" lässt (zumindest mich) unverzüglich
an
"Dialektik der Aufklärung" von Horkheimer-Adorno denken. Als ich das Buch vor
Jahrzehnten
erstmals las, hat es mich ähnlich in den Bann gezogen wie beispielsweise die Romane von
Hesse. Insoweit auch Dialektik angesichts dieser beiden sich (scheinbar) entgegen
stehenden Ausrichtungen von Weltsicht:
Einerseits die Kritikander Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts; an jener Art
vonAufklärung, die ein gewisses Scheitern von Beginn an im Diktum der
"instrumentellen
Vernunft" in sich angelegt hatte,demzufolge sich ein dem puren Nutzen verschriebenes
Verhältnis von Kultur zur Natur entwickelte. Im Spannungsfeld zwischen zunehmender
Naturbeherrschung ("Natur als ein bloßes Werkzeug des Menschen" und
"Objekt totaler Ausbeutung") und damit einhergehender Menschenbeherrschung
entwickeln
sich bis heute die Fesseln der aufgeklärten Moderne: "eine satanische Synthese von
Vernunft und Natur [...] das genaue Gegenteil jener Versöhnung der beiden Pole, von der
Philosophie stets geträumt hat".
Ein bedeutsamer Grundstein zur Erneuerung der deutschen Philosophie, wurde von dem
Rechtsphilosophen Christian Thomasius gelegt, der als ein richtungsweisender Gestalter der
frühen deutschen Aufklärung zu sehen ist.Sein Wirken steht beispielhaft für die Dialektik
einer Aufklärung, die mit seinem Kampf für die Freiheit des Denkens, Abkehr vom starren
Korsett der Scholastik, mit seinem Hinwendung zu praktischem Nutzen als Erkenntnis- und
Gelehrsamkeitsideal aber auch den Anstoß zur Einflussnahmedesbritischen (wie auch
französischen) Empirismus und Psychologismus gab, wie er nachfolgend u.a. von
J.N. Tetens aufgegriffen wurde:"Das Licht der Vernunft" sollte die Welt erhellen
unter Absage
an jede Art von Metaphysik und unter Preisgabeplatonisch-aristotelischerIdeale eines
"mundus intelligibilis". Steuerung bzw. Eindämmung menschlichen Trieb- und
Affektlebens,
sowie eine zwanghafte Nutzbarmachung von Gesellschaft und Natur im Sinne von
Sensualismus und Utilitarismus (Hobbes, Locke, Humeu.a.). Der Zauber der Welt,
mythenhaft zu Beginn der Entwicklungsgeschichte noch im Denken der Menschen verankert,
musste- abseits von Decartes`s cogito - dem instrumentellen Vernunftsdiktat der Aufklärung
weichen. Hatte der Animismus die Dinge beseelt, versachlichte die Zweckrationalität des
einsetzenden Materialismus die Seelen (und tötet sie bis heute).Verdinglichung lebendiger
Natur wird (als getötete Natur, wie diese allen Ortes zu sehen ist ) zum Paradigma
instrumentell rationalisierter Realität.
Thomasius` großartige Beiträge zur Aufklärungsepoche der Neuzeit sind jedoch sein
erfolgreicher Einsatz für die Einführung der deutschen Sprache und für mehr
lebenspraktisches Denken anden Universitäten, um letztlich damit Bildung auch weiteren
Schichten der Bevölkerung zugänglich zu machen, sowie seine rechtsphilosophischen
Arbeiten zur klaren Unterscheidung von Recht und Moral, wo er (als Philosoph)seine
"Vernunftlehre" und (als Jurist) sein Rechtsverständnis trennte von
scholastischerPedanterie,
von kirchlicher Dogmatik und kruden Moralvorstellungen, vor allem aber seineAgitation
gegen Exorzismus, Hexenverfolgung und Folter, was schließlich zur Abschaffung von
Hexenprozessen und Folter führte. Mit seinem Postulat der Prinzipien des Naturrechts
(Fundamentum iuris naturae et gentium) legte er die Basis heutigen Strafrechtsdenkens und
hat sich mit seiner (dritten) Regel für das Gerechte, das Iustum:
"Was du dir nicht wilt gethan wissen / das thue du andern auch nicht." im
gesellschaftlichen
(Moral-) Bewusstsein "verewigt". Beeindruckend sein Mut, machte er sich doch zum
Todfeind
der damals Herrschenden, vornehmlich derklerikalen Clique, mit seinem kompromisslosen
Kampf gegen die "Heuchel-Moral der Rechtgläubigen". Sein Eintreten für die
Freiheit, sein
Auflehnen gegen den fürstlichen Polizeistaat und die verstaubte Scholastik des
Universitätsbetriebs.
Leider ist seine historische Relevanz, sein bedeutender Beitrag für die Aufklärung in den
Schatten der großen Werke (Lehrsysteme) von Kant, Leibniz u.a. geraten und wird bis heute
in der wissenschaftlichen Betrachtung dieser Epoche zu wenig gewürdigt. Thomasiuswar
pragmatischer Denker und Wegbereiterfür einen Paradigmenwechsel in der
Rechtsphilosophie seiner Zeit.Übrigens gilt er mit seiner Herausgabe der
"Monats-Gespräche" als Begründer des Journalismus in Deutschland. Er war
definitiv ein
verkörperter Glücksfall der Aufklärung!
Aufbauend auf dieErrungenschaft der ebenso von Wolff und Edelmann nachhaltig
beförderten frühen Phase der Aufklärung wurde diese zunächst von Haman, Herder und vor
allem Jacobi ("Wendepunkt der geistigenBildung der Zeit", wie es
Hegelanerkennend nannte)
weiter voran gebracht. Aufklärung, die sich wieder dem Erbe der platonisch-aristotelischen
Ethik verpflichtet sah, wurde vor allem mit Kant sowie den Denkern des deutschen
Idealismus fortgeführt. Europa hat sich schließlich von seinen absolutistischen
Herrschern,
dem vorgeblich gottgegebenen Herrschaftsanspruch von Klerus und Fürstentum emanzipiert.
Die progressive Idee der Aufklärung,traditionelle Herrschaft von Personen in eine
Herrschaft
der Gesetze zu wandeln, verfehlte jedoch ihre hehreAbsicht, insoweitsie neueFesseln
anlegte, nämlich Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft mit Herrschaftsanspruch.
Dieses malum der Aufklärung ist tief in die Gesellschaftsschichten eingedrungen und zeigt
sich bis in unsere Zeitin der verhängnisvollenzweckrationalen Perfektionierung der Natur-
und Menschenbeherrschung mit fatalen Auswirkungen ("Der Mensch teilt im Prozeß seiner
Emanzipation das Schicksal seiner übrigen Welt"):
Versklavung des Menschen durch weltweit (teils subtil angewandte) inhumane Herrschafts-
und Unterdrückungsmethoden.
Wo der Geltungsanspruch der Aufklärung sich selbstzerstörerisch in sein Gegenteil verkehrt
hat, also selber zum Macht-System der Herrschaft von Menschen über Menschen sowie der
Naturbeherrschung wurde, hat sich diese Umkehr beispielhaftim Mythos vonFaschismus und
Bolschewismus wie aktuellauch imenthemmtenKapitalismus auf tragischeWeise verwirklicht.
Insoweit Aufklärung als Urheber für die Systemkonformität der heutigen
Industriegesellschaft
mittels zweckrationaler Menschen-und Naturbeherrschung gesehen werden muss, ist sie für
deren Auswüchse verantwortlich zu machen: Irrational extensive Techniknutzung,
Massenproduktion und damit gnadenlose Ausbeutung von Ressourcen, Kulturindustrie
(Eventhype), Medienherrschaft durch oktroyierte Meinungsbildung, gestützt auf die
Scheinmoral einer unsäglichen Gesinnungsethik und so fort. Emanzipation scheitert dort an
der Dialektik des Fortschritts unserer aufgeklärten Moderne, wo die daran geknüpfte
Repression ihres ethischen Anspruchs das Verhältnis von instrumentalisierter Gesellschaft
und individueller Freiheit bestimmt.
Das gesellschaftliche System der Aufklärung in Ausprägung seiner instrumentellen
Rationalität hat sich bis in den privatesten Bereich eingefressen. Der Mensch wird dem
System angepasst, wie gleichermaßen er sich selbst anpasst und verleugnet, sich seinem
innewohnenden Wesen entfremdet. Unter dem Diktat extensiv wirtschaftlichen Wachstums,
basierend auf Manipulation einer Konsum-, Medien- und Unterhaltungsgesellschaft, wo nur
noch kalte Zweckrationalität ohne Rücksicht auf Humanität vorherrscht und man dabei das
Credo des Wohlstands (vormals "keine Experimente" - heute "Weiter-So")
predigt, wird der
Mensch seiner Identität, seiner kreativen Individualität beraubt. Die fatalen Folgen sind
Anonymisierung und Vereinsamung des Einzelnen in der Gesellschaft ("einsam in der
Masse"). Kein einzelnes Leben in diesem System kann noch richtig sein:
"Es gibt kein richtiges Leben im falschen" (Adorno).
Nicht verwunderlich, dass die (studentische) Jugend der Sechziger Jahre, insbesondere
angeregt von Horkheimer-Adorno, Lukács (als Vaterfiguren für die sog. "Vaterlose
Generation"), die Defizite dieses Herrschaftssystems erkannte und begann, sich gegen
diese
abwegige Gesellschaftsentwicklung aufzulehnen, die es (um jeden Preis) zu ändern galt, um
"aus der Kritik der alten Welt die neue [zu] finden", wie Marx es formulierte.
Doch diese Auflehnung richtete sich zunächst überwiegend gegen spezifisch familiäre
Sozialisationsbedingungen der Nachkriegszeit, insb. auch gegen den Funktionalismus der
Kirchen (u.a. strikte protestantische Ethik) und deren Forderung von Triebverzicht und
Affektkontrolle; zunehmend dann im (teils gewaltsamen) Protest gegen neue
Hochschulgesetze, gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze und gegen diverse
Diktaturen, so auch das Schah-Regime.
"Dialektik der Aufklärung" ist also nicht irgendein Werk (als solches auch nicht
von seinen
Autoren, insb. Horkheimer intendiert, sondern als phil. Fragmente angelegt; wenngleich
eher
den Sozialwissenschaften zuzuordnen). Diese Schrift hat die Epoche der Nachkriegszeit
intellektuell geprägt. Rhetorisch gekonnt, in meist kurzen schlagwortartigen Sätzen
(ganz im Gegensatz etwa zu Kants ellenlangen Schachtelsätzen) inszenierten
Horkheimer/Adorno drastisch, nahezu theatralisch die aus der Aufklärung resultierende
Verkehrung in eine, eben durch diese überwunden geglaubten Fesseln der Natur und des
Feudalismus, erneute Gefangennahme der oben beschriebenen Art. In ihrer
Auseinandersetzung mit der Frage, warum Aufklärung per se auch ein totalitäres Element in
sich birgt, also die Beherrschung und Systematisierung von Natur und Gesellschaft
betreibt,
gewissermaßen das mit sich bringt, wogegen sie ursprünglich angetreten ist, geben sie die
bekannt drastische Antwort:
"Seit je hat Aufklärung im umfassendste//n//Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel
verfolgt,
von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die
vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils."
Darauf auch Bezug nehmend organisierte sich eben jene Bewegung, die sich ihrerseits als
Mythos der 68er-Generation bis heute im Gesellschaftsbewusstsein verankert hat. Inwieweit
die Torheit maoistischer K-Gruppen die kollektive Übersprungsfunktion war für eine
irrationale Fundamentalopposition ("schafft alles ab!) oder gar den mörderischen
Irrsinn der
terroristischen Rote Armee Fraktion befördert hat, wird in unzähligem Schriftgut
kontrovers
behandelt. Die lebhafte Erinnerung an diese historische Epoche naiv utopischer Träume von
Weltveränderung und Lebensglück bleibt jenen erhalten, die diese Zeit als verstörend oder
aufregend erlebt haben, gleich ob als Befürworter oder Gegner, gleich ob als Student oder
im
Beruf Stehender.
Das agitatorische Diktum in Horkheimer-Adornos Wortwahl, wie auch seinerzeit Dutschkes
aufpeitschende Sprache mag heute befremden, doch sie diskriminierte klar und entschieden
im Gegensatz zu jenen intellektuellen Schichten, die sich, im Geist oder als Erben jener
Epoche verstehend, zu einer neuen veritablen Kulturrevolution (queer und quer durch die
westliche Welt ziehend) verpflichtet fühlen. Es ist die Saat, die heute wieder aufkeimt
als
Ideologie, mit einer darauf basierenden Gesinnungsethik, die sich bisweilen als
Gesinnungsterror im Kontext übertriebener "political-correctness" ausnimmt.
Dabei
widersprechen sie sogar demDogma ihrer Vorkämpfer gegen bürgerliche Zwänge, dem
Glaubenssatz vom "herrschaftsfreien Dialog".
Kritikastisch missgestimmt, verbreiten diese Protagonist*innen des
"political-correctness" das
Diktat vom Korrekten im Namen einer höheren Moral und Empfindsamkeit und bedienen sich
einer politisch korrekten Jammer- und Diskriminierungsrhetorik. Sie fordern "das
Korrekte"
(Umweltschutz, Gender, das Anti-Sexismus, Anti-Rassismus usf. ) in Gesetze zu gießen,
derweilen sie ihre verqueren Ansichten kompromisslos mit Mitteln des sozialen Drucks
("shitstorm" etc.) und öffentlich gemachter Beschämung durchsetzen.
Das führt, angesichts Thomasius' oben beschriebener Bloßstellung von
"Heuchel-Moral der
Rechtgläubigen" zur Frage, ob heutige "Rechtgläubige" nicht die neuen
janusköpfigen
Pfaffen sind. Der Aufstand gegen diese wird aber bedauerlicherweise nicht mehr durch
weise, scharfsinnige Intellektuelle wie u.a. Thomasius geführt, sondern (welch unbeugsames
Prinzip der Dialektik!) durch dumpfe Geister solcher Gesinnung, die Ängste und
Indiosynkrasien in der Bevölkerung zu wecken und zu instrumentalisieren verstehen. Ängste
und Bedenken, die sich zu allen Zeiten als Folge von jeweils drastischen Umbrüchenin der
gesellschaftlichen Menschheitsentwicklung (aktuell besonders durch weltpolitisch bedingte
und infolge ökonomischer Globalisierung massiv einsetzende
Migrationsbewegungen) eingestellt haben. Das gleisnerische Herunterblicken auf eben diese
Menschen von den "neuen Kanzeln" des irrealgenderisierten, politisch korrekten
Universitätsbetriebs, das gleichermaßen hetzerische Agitieren aus den Redaktionsstuben
und Fernsehstudios gegen das Pack und den Pöbel führt geradewegs zur (ungewollten)
Gegenreaktion der sog. schweigenden Mehrheit: In meist kleinem Kreis und am Biertisch
hört man das verdruckste "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen" und am
Wahltag
könnte man sie (mit Röntgenaugen) sehen, wo sie verstohlenen ein Kreuz an der Position
zeichnen, die man auf den Wahlzetteln bislang vergeblich suchte. Viel dramatischer aber
führt diese den (sog. einfachen) Bürger herabwürdigende Art (natürlich neben anderen
Ursachen) auf fatale Weise zur augenblicklichen Gesellschaftskrise, nämlich zu
gesellschaftlicher Polarisierung und Beförderung politischer Extreme.
Ich bleibe dabei: Man kann sich (solchermaßen gut situiert, da meist staatlich alimentiert
oder dem Elysium der Künstlerszene zugehörig), leicht ein buntes Tüchlein, Kettchen um den
Hals hängen und das Lied der Verlorenen dieser Welt singen; die Moral dahinter wirkt auf
mich fadenscheinig, Scheinmoral eben.
Alter Wein in neuen Schläuchen. Horkheimer-Adorno zitieren de Sade:
"Was kümmert den Reichen die Vorstellung eines Zügels, den er niemals an sich selbst
verspürt [...] "Ihr werdet keinen in jener Klasse finden, der nicht erlaubte, daß man
den
dichtesten Schatten der Tyrannei auf ihn lege, solange sie in Wirklichkeit auf den anderen
liegt.«
"Ausgerechnet de Sade, dieser Lüstling!", ist man versucht zu sagen. Doch stehen
er, wie
ebenso von H./A. oft zitierter Nietzsche, für das schonungslose, alle Normen brechende
Offenlegen der seinerzeit (wie eigentlich zu allen Zeiten) vorherrschenden Doppelmoral
und
Scheinheiligkeit. Beide Genannten auf ihre sehr unterschiedliche Art und Weise,doch beide
mit kritischem, scharfen Verstand, mit außerordentlichem Sprachvermögen und Mut;
Eigenschaften, die man in oben besagten Kreisen scheinheilig und dümmlich lamentierender
Zeitgenossen nicht vorfindet .
Die Dialektik des Fortschritts liegt immer in der Überschreitung von Grenzen und dem
Bewahren-Wollen des Erreichten. Das unausweichliche Wechselspiel fortlaufender
Differenzierung und Integration ist nur in deren hinreichender Ausgewogenheit erträglich.
Eine endlos ausdifferenzierte und sich ausdifferenzierende Welt, mit hemmungsloser
Massenproduktion kultureller Symbole und deren Verbreitung über Massenmedien beraubt
die Gesellschaft jeglicher Gewissheiten. Und so führen auch die Differenzierungsorgien
obengenannter, ideologisierter Intellektuellen-Cliquen (als die Statthalter einer
postmodernen
Dominanzhierarchie) zu nichts anderem als Dissoziation und innerem Protest einer
Gesellschaft, die ihre Gewissheiten, ihre Vertrautheiten und damit ihren Halt verloren
hat.
Soweit zum Thema Moral, weitab vom blutleeren Disput postmoderner Sophisten, welcher
Kategorie denn Doppelmoral zugehörig sei. Die Kenntnis einfachster Naturgesetzlichkeit
reicht aus, um zu wissen, dass jegliche Kraft eine Gegenkraft verursacht, philosophisch
eben
der Inbegriff von Dialektik.
Ende Teil 1