Hallo Karl,
man kann nicht widerspruchsfrei bezweifeln, daß man existiert. Aber kann
man es sinnvoll behaupten?
Fragen wir mit Wittgensteinscher Sprachanalyse: Was bedeutet "ich" und
was bedeutet"existieren" und was bedeutet dann "ich existiere"?
Was bedeutet "ich"?
Die Personalpronomina ermöglichen es, Personen anzusprechen, deren Namen
man nicht kennt. Zur Bestimmung der gemeinten Person oder Gruppe muss
sie irgendwie kenntlich gemacht werden, etwa, indem man sich durch den
Klang der Stimme zu erkennen gibt, die gemeinte(n) Person(en) ansieht
oder auf sie zeigt. Wenn man gefragt wird "wer ist da?" und einen mit
"ich" bedruckten (damit man nicht an der Handschrift erkannt werden
kann) Zettel unter der Tür durchschiebt, sagt das nichts.
(Zu den Voraussetzungen dieser Begriffsbildungen scheint mir zu gehören,
daß man sich etwas unter einer Person vorstellen kann. Vielleicht kommt
man nicht als Person zur Welt, sondern wird dazu erst durch Erfahrung.
Wenn nur Sehen, Fühlen, Riechen stattfände, ohne daß man angelacht und
gekitzelt würde und ohne daß man feststellen würde, daß sich der "Film"
vorübergehend abschalten läßt, indem man z.B. die Augen schliesst - wie
sollte er dann irgendjemandem als Betrachter zugeordnet werden? Wem denn?
Das wäre der allgemein-tierische Teil der Entwicklung. Zum spezifisch
menschlichen gehören die Personalpronomina.)
Was bedeutet "existieren"?
Die Existenz von Säbelzahntigern wird dadurch bewiesen, daß man ein
Exemplar präsentiert. "Es gibt Säbelzahntiger" bedeutet: Ich kann dir -
im Prinzip jedenfalls - einen zeigen.
Was bedeutet also "ich existiere"?
"Ich kann dir die Person zeigen, auf die ich gerade zeige oder die ich
gerade sonst irgendwie kenntlich mache."
Also eine Tautologie, nicht ein unbezweifelbarer Satz, sondern einer
ohne Inhalt.
Grüsse und gute Besserung
Claus