Am 07.12.2020 um 23:14 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Weil Geist in sich Abstraktion ist und als solche einzig (als abstrakte) Sicht auf sich
selbst), eine Ahnung dieses rätselhaften Phänomens vermitteln kann.
Hi Karl,
was ist denn mit „Geist in sich Abstraktion“ gemeint? In der Wissenschaft sollten
Abstraktionen methodisch nachvollziehbar vorgenommen werden, ansonsten wird
umgangssprachliche Vagheit und Vieldeutigkeit beibehalten. Abstraktoren gibt es viele,
aber es sind doch zumeist nur Worte. Du scheinst "Geist" und „Materie“
anthropomorph geradezu für handlungsfähige Subjekte zu halten.
Versuch doch mal, eine Geschichte nur mit konkreten Substantiven zu schreiben? Oder noch
besser: ganz ohne Substantive und Adjektive auszukommen. Eine Welt in ihrer Dynamik aus
den Verben heraus erzählen. Das müssten doch schon einmal Schriftsteller versucht haben!?
Es käme algortihmischem Denken nahe, wie es unserem Hirn eigen ist.
Nur, insofern man Sprache und Logik als Werkzeuge des
Geistes definiert; für meine Begriffe sehe ich Sprach- und Logikvermögen eher als
„geistiges“ Vermögen und in dessen konkreter Ausformung bzw. Anwendung beruht Philosophie
auf Logik und Sprache.
Sprechen und Folgern sind genuine menschliche Vermögen, eines „Geistes“ bedürfen sie
nicht, ich kann aber mit ihnen Geist abstrahieren. Warum genügt es Dir nicht, lediglich
den Menschen in seiner jeweiligen Kultur vorauszusetzen? Was hat der Geisterglaube mit
Philosophie zu tun?
Mit Konsens meinte ich nicht „Gleichklang“ (der
ohnehin kaum zu erzielen ist und auch nicht sein muss), sondern eher ein Übereinkommen
darüber, dass Du unter „Geist“ etwas anderes verstehst als eben ich, wir uns dennoch
gegenseitig (ohne Beharren auf eine - ohnehin nicht objektiv begründbare - Deutungshoheit)
die jeweilige Ansicht zugestehen.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal klarstellen, dass ich weit entfernt von
„Geisterglauben“ bin. Vermutlich habe ich es entweder nicht hinreichend vermocht, dieses
in meinen bisherigen Darlegungen zu verdeutlichen, oder man will es nicht wahrnehmen, da
ich von Haus aus in die Ecke „vergeistigter“ Dogmatiker geschoben werde. Dogmatik jedoch
(vornehmlich der von Religionen) liegt mir gänzlich fern und insoweit natürlich auch die
darauf aufsetzenden Ideologien resp. Religionen (in Bezug auf deren Kanonik)
Was unterscheidet denn Geisterglaube von der Annahme, dass „Geist in sich Abstraktion“
sei?
Das verstehe ich nicht oder total falsch!
Physik als die Lehre von der Physis kommt ohne (Betrachtung) von Materie aus?
Philosophie als die Lehre vom Wesen der Welt und des (menschlichen) Geistes, kommt ohne
„Geist“ aus. Was ist mit der Philosophie des Geistes als Teildisziplin der Philosophie?
Was Physik voraussetzt sind neben der Natur als ihrem Gegenstand Mathe und Technik.
„Materie“ ist ein Abstraktor, den ich beispielsweise für alle Naturbestandteile mit
quantitativ experimentell bestimmter Ruhemasse verwenden kann. Aber das ist doch nur
Bequemlichkeit, um nicht ständig auf alle Elementarteilchen Bezug nehmen zu müssen. Ebenso
in der Philosophie. Dort kann ich sprachlich-logisch „Geist“ abstrahieren und dann darüber
philosophieren. Aber auch das ist nur der Bequemlichkeit geschuldet, um nicht ständig auf
die kognitiven menschlichen Vermögen Bezug nehmen zu müssen.
Wer jedoch keinen inneren Zugang zu Geistigem hat,
also auf puren Materialismus gemünzt ist, wird schlichtweg nicht nachvollziehen können,
was ich mit „Ideen sind etwas „Geistiges“ ausdrücken wollte und dies definitiv weit
jenseits irgendwelchem „Geisterglauben“.
Wenn Du Ideen und Gedanken zu den kognitiven Vermögen zählst, die „Geist“ ausmachen
sollen, dann ist das einem Materialisten ebenso verständlich wie Dir die Rede von Materie
mit Bezug auf ruhemassebehaftete Naturbestandteile.
PS: zu Smolin komme ich demnächst ... und damit zu
Physik mit Materie (langsam zweifle ich an mir!)
Smolins "temporaler Naturalismus“ setzt eine Menge voraus, wie der Literaturliste
seines Übersichtsartikels zu entnehmen ist:
https://arxiv.org/abs/1310.8539
Wir können es ruhig angehen lassen. Sein populärwissenschaftliches Buch kann ja nur der
Einstieg sein; denn unterdessen hat der Mann an seinem Konzept weiter gearbeitet. In
"The dynamics of difference" etwa "a proposal is made for a fundamental
theory, in which the history of the universe is constituted of diverse views of itself.“
https://arxiv.org/abs/1712.04799
Jedenfalls treibt Smolin eher Naturphilosophie als Physik und geht aus von Zeit und Gesetz
im naturalistischen Kontext, nicht etwa von "Geist" und „Materie“ in welchem
Kontext auch immer.
Es grüßt,
Ingo