Am 26.03.2023 um 13:57 schrieb Joseph Hipp über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Du bist vom Unterscheiden eines Mechanismus und
Organismus übergegangen zum Unterschied zwischen Mengenlehre und formaler Logik.
Treffend ist das nicht. Mir ging es nicht um die Diskussion mit einseitig Gebildeten,
also nicht mit Selbstbezeichnern, die mit einer Fahne umher gehen, möglichst in einer
Gruppe, auf denen etwa steht: Medizin, Politik, Linguistik, Atomphysik, Jura. Ich wünschte
eine Kritik der Bezeichnung Automat, die für bestimmte Sachen gebraucht wird. Das war
anscheinend nicht konkret genug gefragt.
Hi JH,
Du wünschtest eine Kritik der Bezeichnung Automat? Und warum fragst Du dann nicht so
einfach danach? Die wesentlich auf von Neumann zurückgehende Automatentheorie ist ein
interessantes Teilgebiet der Informatik. Wenn in der schludrigen Umgangssprache darüber
hinaus vieles als Automat bezeichnet wird, dann ist mir das ebenso zuwider wie Dir. Noch
inflationärer wird ja von Information oder auch Leben gesprochen. Was nicht alles eine
Lebensdauer haben soll!? Warum wird bei technischen Artefakten nicht besser von
Funktionsdauer geschrieben? Lebewesen leben (und funktionieren), Geräte funktionieren
(leben aber nicht).
Nun könnte der Mechaniker sagen: Ich kann auch ein
Kunstherz für einen Vogel herstellen. Und der Mathematiker könnte sagen: Die Formalismen
kann ich zu jeder Sache herausfinden, zu einem natürlichen Herzen, zu einem künstlichen,
und zudem zu allen Sachen, die ich so in der Natur vorfinde, auch in einer Gruppe von
vielen, und vielem, auch über die Jahre hinweg. Nun habe ich herausgefunden, dass die
Formalismen bei einem Fliehkraftregler dieselben sind wie in einer Gruppe von Mäusen und
Bussarden. Also kann ich doch nur auf dem bestmöglichen Weg sein, weil ich ein
Universalmittel habe.
Mir geht es mit der Unterscheidung von Mechanismus und Organismus gerade darum, beide
nicht gleichzusetzen. Dennoch ist es interessant, dass sich in Lebensäußerungen vielfach
auch Mechanismen nachweisen lassen, die sich offensichtlich evolutionär herausgebildet
haben. D.h. Lebewesen zeigen auch Mechanismen, aber Mechanismen zeigen keine
Lebensäußerungen. In der Umgangssprache geht das leider ständig durcheinander. Deshalb
kritisiere ich sie ja immer wieder — und halte sie weitgehend für bloße Volksreligion. Die
Sprache ist der große Gleichmacher, die Mathematik dagegen vermag viele verborgene
Strukturgemeinsamkeiten detailliert hervorzukehren. Sprachkritik ist für mich aber nur
Teil der Ideologiekritik, nicht Selbstzweck. Gefährlicher als die neutrale
Mathematisierung der Natur scheint mir ihre umgangssprachliche Vermenschlichung.
IT