transmitted from iPad-Client
Am 02.05.2022 um 10:07 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
<dr.thomas.froehlich(a)t-online.de>de>:
Lieber Karl,
danke für den Hinweis auf den wirklich sehr sympathischen Julian Barbour!
In seinen (und Euren) Themenbereichen bin ich blutiger Laie, und damit unausweichlich
stümperhaft, wenn ich mich dazu äußere. Was ich verstanden habe deckt sich aber mit Deiner
Interpretation:
Das ist schon ein beachtliches Mass an Bescheidenheit, die mich weit eher als
Laien denken lassen. Geradezu kongenial sind Deine Beiträge und somit auch jetzt besonders
obiger zum Thema. Das gilt für mich als wirklicher Laie bezüglich biomedizinischer
Thematik und eigentlich der Biologie schlechthin.
Also auch Dir, lieber Thomas, recht vielen Dank für Deinen Beitrag zum Thema - zeugt
dieser doch mitnichten von der Einlassung eines „Laien“!
Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang von mir eingebrachten Frage zu Begriff und Wesen
von Zeit sollte ich betonen, mich nach nunmehr einiger Beschäftigung mit diesem Thema weit
davon entfernt zu haben, Zeit in ihrem Wesen lediglich als „Taktmaß“ von Veränderung zu
sehen, im einfachsten Fall als das von der (Stopp-)Uhr abzulesende. Wer sich grundlegend
damit auseinandersetzen will, könnte - wie ich - gewillt sein, in Julian Barbours (hier
bereits zitiertes) Statement einzustimmen:
Wenn man die Zeit packen möchte, entgleitet sie einem immer wieder“ (J. Barbour).
Zeit dennoch (zumindest bezogen auf ihren lebenspraktischen Aspekt) „packen“ zu können,
soll mir ein lohnendes Anliegen zu weiterem Erkenntnisgewinn sein. Vermutlich schon
deshalb, weil ich immer am Phänomen „Anfang und Ende“, also dem Zeitpfeil (oder eben -
weiter gefasst - an den „Weltlinien“) allen Lebens interessiert sein werde; dieses aus
möglichst interdisziplinärer Sicht.
Beste Grüße! - Karl
PS: unterwegs ist’s immer etwas schwierig, Beiträge auf sog. „Mobiles“ zu lesen bzw. zu
schreiben. So habe ich meine Antwort hier zwischendrin platziert und hoffe, dass sie
halbwegs im entsprechenden Kontext lesbar ist. LG
geht Barbour von jeweiliger Zeitentwicklung (Beginn
eines individuellen Zeitpfeils) ab einem Nullpunkt als Zustand von „Timelesness“ dem
„Januspunkt“ aus. Damit gibt es (im Gegensatz zu Lee Smolins Ansicht) für Babour keine
globale Zeitgrösse
Barbours „Januspunkt“ ist von herausragender Bedeutung bei der Betrachtung Entropie im
Universum. Barbour sieht darin Ursprung und mit dem Zuwachs von Ordnung als Antrieb für
den Zeitenlauf.
Barbour nutzt als Anfangsthese die der Gegebenheit von Struktur, und beschreibt Vorgänge
aus Sicht der Struktur, somit aus deren sinngemäßem „Innen“. Er ordnet die Zeitschöpfung
der jeweiligen Struktur zu, und benennt dabei einen gleichfalls jeweiligen Anfang, in dem
das Zeiten zwar der Möglichkeit nach enthalten ist, aber noch nicht - auch nicht im
Hinblick auf eine bestimmte „Richtung“ der Veränderung - verwirklicht ist.
In formaler Terminologie beschreiben wir diese Noch-Nicht-Zeit als nascent time, deren
Charakteristikum ausseer dem oben Genannten auch die zunächst nicht etablierte Bezogenheit
ist. Der in unserer Gruppe tätige Physiker beschreibt darin die möglichen
Zustands-Veränderungen einer „Eigenschaft“ (die wir im weiteren provider of dynamic
coherence nennen) als mathematische Gruppe (vorwärts, rückwärts, gleichbleibend).
Individuelle Zeitachsen entsprechen bei uns individuellen semantischen Achsen.
Was bei Barbour fehlt ist eine Befassung damit, was es denn heißt, „Struktur“ zu sein,
und was sich daraus für das Interagieren mit anderen Strukturen und deren strukturiertem
Vorgehen ergibt.
Hier braucht es ein Konzept des attunement, zu dem Schwingungsmetaphern einigermaßen
passen - aber nur einigermaßen, weil wir in unserem Modell die „box“, den „außen“
liegenden Rahmen, von dem nach Barbour die Thermodynamik und Astrophysik ausgehen gerade
nicht voraussetzen.
Die Definition des „Now“-Moments ist - mit völlig anderem Instrumentarium betrachtet -
auch ein Thema der Entwicklungspsychologie, genauer von Daniel Stern.
So viel auf die Schnelle, nochmal Allen Dank für die anregende Unterhaltung, und mit
gehöriger Bescheidenheit, was mein Nichtwissen bezüglich Physik angeht.
Viele Grüße
Thomas